Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dies der Knecht des Steinbauern war, der ihm Wolle zugeführt hatte.

Hast ein Trinkgeld bekommen? fragte Diethelm.

Wüßt' nicht von wem. Die Frau hat sich gar nicht sehen lassen, ein Schäfer und ein Soldat haben die Ballen abgenommen.

In einem Gemisch von Demuth und Stolz sagte Diethelm, in die Tasche greifend: Ich bin der Diethelm, bin selber Knecht gewesen und weiß, was ein Trinkgeld ist. Mein' Frau ist krank. Seh, -- und er warf buchstäblich das Geld auf die Straße und fuhr davon.

Diethelm schimpfte gegen Fränz über die Mutter, die ihn gewiß wieder "mit ihrem Gruchzen in der ganzen Welt verbrüllt habe," und Fränz hatte darauf nichts zu erwidern, als daß das Verbleiben in der Stadt ja so schön gewesen sei. Trotz der Erwähnung dieses Säumnisses dachte Keines von Beiden daran, wie es Pflicht gewesen wäre, alsbald selbst heim zu eilen und die Uebernahme und Einräumung selbst anzuordnen, statt sie der Mutter über den Hals zu schicken. Fränz und Diethelm waren wie zwei Menschen, die, ohne es sich offen zu gestehen, daß sie ein Unrecht begangen, und doch dessen bewußt, gegen den losfahren, dessen Leiden ihnen den Spiegel ihres Thuns vorhält. Diethelm schwur, daß er nun der Mutter das Manteltuch gar nicht gebe, sie habe es nicht verdient, und nur hierin beschwichtigte Fränz und deutete auf die Kränklichkeit und daraus folgendes grämliches Wesen der Mutter hin. Nun waren sie wieder beide wohlgemuth, denn sie konnten jeden kommenden Vorwurf mit mitleidigem Achselzucken von sich weisen.

Am Waldrande in der Mitte des Weges erhob sich eine Staubwolke, und als die Fahrenden näher kamen, zeigte sich eine große Heerde Schafe. Der Schäfer kannte Diethelm und sagte, daß er am Abend in Buchenberg sein werde, und lobte überaus die eingekaufte Heerde. Diethelm empfahl ihm, ruhigen Trieb zu halten, und warf auch ihm ein Geldstück zu.

dies der Knecht des Steinbauern war, der ihm Wolle zugeführt hatte.

Hast ein Trinkgeld bekommen? fragte Diethelm.

Wüßt' nicht von wem. Die Frau hat sich gar nicht sehen lassen, ein Schäfer und ein Soldat haben die Ballen abgenommen.

In einem Gemisch von Demuth und Stolz sagte Diethelm, in die Tasche greifend: Ich bin der Diethelm, bin selber Knecht gewesen und weiß, was ein Trinkgeld ist. Mein' Frau ist krank. Seh, — und er warf buchstäblich das Geld auf die Straße und fuhr davon.

Diethelm schimpfte gegen Fränz über die Mutter, die ihn gewiß wieder „mit ihrem Gruchzen in der ganzen Welt verbrüllt habe,“ und Fränz hatte darauf nichts zu erwidern, als daß das Verbleiben in der Stadt ja so schön gewesen sei. Trotz der Erwähnung dieses Säumnisses dachte Keines von Beiden daran, wie es Pflicht gewesen wäre, alsbald selbst heim zu eilen und die Uebernahme und Einräumung selbst anzuordnen, statt sie der Mutter über den Hals zu schicken. Fränz und Diethelm waren wie zwei Menschen, die, ohne es sich offen zu gestehen, daß sie ein Unrecht begangen, und doch dessen bewußt, gegen den losfahren, dessen Leiden ihnen den Spiegel ihres Thuns vorhält. Diethelm schwur, daß er nun der Mutter das Manteltuch gar nicht gebe, sie habe es nicht verdient, und nur hierin beschwichtigte Fränz und deutete auf die Kränklichkeit und daraus folgendes grämliches Wesen der Mutter hin. Nun waren sie wieder beide wohlgemuth, denn sie konnten jeden kommenden Vorwurf mit mitleidigem Achselzucken von sich weisen.

Am Waldrande in der Mitte des Weges erhob sich eine Staubwolke, und als die Fahrenden näher kamen, zeigte sich eine große Heerde Schafe. Der Schäfer kannte Diethelm und sagte, daß er am Abend in Buchenberg sein werde, und lobte überaus die eingekaufte Heerde. Diethelm empfahl ihm, ruhigen Trieb zu halten, und warf auch ihm ein Geldstück zu.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="7">
        <p><pb facs="#f0051"/>
dies                der Knecht des Steinbauern war, der ihm Wolle zugeführt hatte.</p><lb/>
        <p>Hast ein Trinkgeld bekommen? fragte Diethelm<choice><sic>,</sic><corr>.</corr></choice></p><lb/>
        <p>Wüßt' nicht von wem. Die Frau hat sich gar nicht sehen lassen, ein Schäfer und ein                Soldat haben die Ballen abgenommen.</p><lb/>
        <p>In einem Gemisch von Demuth und Stolz sagte Diethelm, in die Tasche greifend: Ich bin                der Diethelm, bin selber Knecht gewesen und weiß, was ein Trinkgeld ist. Mein' Frau                ist krank. Seh, &#x2014; und er warf buchstäblich das Geld auf die Straße und fuhr                davon.</p><lb/>
        <p>Diethelm schimpfte gegen Fränz über die Mutter, die ihn gewiß wieder &#x201E;mit ihrem                Gruchzen in der ganzen Welt verbrüllt habe,&#x201C; und Fränz hatte darauf nichts zu                erwidern, als daß das Verbleiben in der Stadt ja so schön gewesen sei. Trotz der                Erwähnung dieses Säumnisses dachte Keines von Beiden daran, wie es Pflicht gewesen                wäre, alsbald selbst heim zu eilen und die Uebernahme und Einräumung selbst                anzuordnen, statt sie der Mutter über den Hals zu schicken. Fränz und Diethelm waren                wie zwei Menschen, die, ohne es sich offen zu gestehen, daß sie ein Unrecht begangen,                und doch dessen bewußt, gegen den losfahren, dessen Leiden ihnen den Spiegel ihres                Thuns vorhält. Diethelm schwur, daß er nun der Mutter das Manteltuch gar nicht gebe,                sie habe es nicht verdient, und nur hierin beschwichtigte Fränz und deutete auf die                Kränklichkeit und daraus folgendes grämliches Wesen der Mutter hin. Nun waren sie                wieder beide wohlgemuth, denn sie konnten jeden kommenden Vorwurf mit mitleidigem                Achselzucken von sich weisen.</p><lb/>
        <p>Am Waldrande in der Mitte des Weges erhob sich eine Staubwolke, und als die Fahrenden                näher kamen, zeigte sich eine große Heerde Schafe. Der Schäfer kannte Diethelm und                sagte, daß er am Abend in Buchenberg sein werde, und lobte überaus die eingekaufte                Heerde. Diethelm empfahl ihm, ruhigen Trieb zu halten, und warf auch ihm ein                Geldstück zu.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0051] dies der Knecht des Steinbauern war, der ihm Wolle zugeführt hatte. Hast ein Trinkgeld bekommen? fragte Diethelm. Wüßt' nicht von wem. Die Frau hat sich gar nicht sehen lassen, ein Schäfer und ein Soldat haben die Ballen abgenommen. In einem Gemisch von Demuth und Stolz sagte Diethelm, in die Tasche greifend: Ich bin der Diethelm, bin selber Knecht gewesen und weiß, was ein Trinkgeld ist. Mein' Frau ist krank. Seh, — und er warf buchstäblich das Geld auf die Straße und fuhr davon. Diethelm schimpfte gegen Fränz über die Mutter, die ihn gewiß wieder „mit ihrem Gruchzen in der ganzen Welt verbrüllt habe,“ und Fränz hatte darauf nichts zu erwidern, als daß das Verbleiben in der Stadt ja so schön gewesen sei. Trotz der Erwähnung dieses Säumnisses dachte Keines von Beiden daran, wie es Pflicht gewesen wäre, alsbald selbst heim zu eilen und die Uebernahme und Einräumung selbst anzuordnen, statt sie der Mutter über den Hals zu schicken. Fränz und Diethelm waren wie zwei Menschen, die, ohne es sich offen zu gestehen, daß sie ein Unrecht begangen, und doch dessen bewußt, gegen den losfahren, dessen Leiden ihnen den Spiegel ihres Thuns vorhält. Diethelm schwur, daß er nun der Mutter das Manteltuch gar nicht gebe, sie habe es nicht verdient, und nur hierin beschwichtigte Fränz und deutete auf die Kränklichkeit und daraus folgendes grämliches Wesen der Mutter hin. Nun waren sie wieder beide wohlgemuth, denn sie konnten jeden kommenden Vorwurf mit mitleidigem Achselzucken von sich weisen. Am Waldrande in der Mitte des Weges erhob sich eine Staubwolke, und als die Fahrenden näher kamen, zeigte sich eine große Heerde Schafe. Der Schäfer kannte Diethelm und sagte, daß er am Abend in Buchenberg sein werde, und lobte überaus die eingekaufte Heerde. Diethelm empfahl ihm, ruhigen Trieb zu halten, und warf auch ihm ein Geldstück zu.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/51
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/51>, abgerufen am 22.11.2024.