Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Das ist Alles unser, sagte Diethelm dann mit triumphirender Miene zu Fränz, und mit Stolz wies er weiter hinaus, wo wieder eine Heerde in einer Staubwolke sich zeigte, und es war ihm, als ob nirgends Raum genug wäre und auf allen Wegen sich sein Reichthum ausbreitete, mit dem er Hohes, Unübersehbares erobern wollte. Mit Behagen erzählte er zum hundertsten Male der Fränz, wie er vor dreißig Jahren mit dem Stab in der Hand und neun Kreuzer in der Tasche nach Buchenberg gekommen sei, und wie er jetzt auftrete und noch höher hinaus müsse. Und Alles nur für dich und für die Meinigen in Letzweiler, schloß er und redete nun Fränz ins Gewissen, daß sie den Schäfer Munde, der jetzt daheim gewiß auf sie warte, ein- für allemal aufgeben müsse. Fränz erklärte sich hiezu bereitwillig, sie spottete über die Liebschaft mit Munde als über ein Kinderspiel, nannte ihn ein an Pfennigwirthschaft gewöhntes Schäferle und sagte geradezu, daß sie nur noch in reichen Verhältnissen leben und sich nicht abplagen möge, wie eine Viehmagd. An der sogenannten kalten Herberge auf der Anhöhe standen noch drei beladene Wollwagen. Diethelm stieg ab und hörte, daß diese Fuhren für ihn seien; er ließ nun den Fuhrleuten auftischen nach Herzenslust, beschenkte die Armen und Wanderburschen, die sich wie gerufen eingestellt hatten, und geberdete sich überhaupt, als ob er einen großen Schatz gefunden und Geld für ihn gar keinen Werth habe. Er freute sich des dankenden Lobes von den Fuhrleuten und horchte aus dem Verschlage hinaus nach der großen Stube, denn er wußte wohl, daß die Leute dort den Ruf im Lande machen. Es war aber nicht allein dieser Ruhm, der ihn erfreute, er hatte seine Lust an der Freigebigkeit selbst; dieses Aufleben der Beschenkten durch die Gabe, dieses Erleuchten des Antlitzes gleich dem glänzenden Aufsprossen einer Pflanze nach erfrischendem Regen, das that ihm im Innersten wohl. Sinnliche Naturen, das heißt solche, die mit mächtigen Trieben ausgestattet sind, neigen auch leicht zu Freigebigkeit Das ist Alles unser, sagte Diethelm dann mit triumphirender Miene zu Fränz, und mit Stolz wies er weiter hinaus, wo wieder eine Heerde in einer Staubwolke sich zeigte, und es war ihm, als ob nirgends Raum genug wäre und auf allen Wegen sich sein Reichthum ausbreitete, mit dem er Hohes, Unübersehbares erobern wollte. Mit Behagen erzählte er zum hundertsten Male der Fränz, wie er vor dreißig Jahren mit dem Stab in der Hand und neun Kreuzer in der Tasche nach Buchenberg gekommen sei, und wie er jetzt auftrete und noch höher hinaus müsse. Und Alles nur für dich und für die Meinigen in Letzweiler, schloß er und redete nun Fränz ins Gewissen, daß sie den Schäfer Munde, der jetzt daheim gewiß auf sie warte, ein- für allemal aufgeben müsse. Fränz erklärte sich hiezu bereitwillig, sie spottete über die Liebschaft mit Munde als über ein Kinderspiel, nannte ihn ein an Pfennigwirthschaft gewöhntes Schäferle und sagte geradezu, daß sie nur noch in reichen Verhältnissen leben und sich nicht abplagen möge, wie eine Viehmagd. An der sogenannten kalten Herberge auf der Anhöhe standen noch drei beladene Wollwagen. Diethelm stieg ab und hörte, daß diese Fuhren für ihn seien; er ließ nun den Fuhrleuten auftischen nach Herzenslust, beschenkte die Armen und Wanderburschen, die sich wie gerufen eingestellt hatten, und geberdete sich überhaupt, als ob er einen großen Schatz gefunden und Geld für ihn gar keinen Werth habe. Er freute sich des dankenden Lobes von den Fuhrleuten und horchte aus dem Verschlage hinaus nach der großen Stube, denn er wußte wohl, daß die Leute dort den Ruf im Lande machen. Es war aber nicht allein dieser Ruhm, der ihn erfreute, er hatte seine Lust an der Freigebigkeit selbst; dieses Aufleben der Beschenkten durch die Gabe, dieses Erleuchten des Antlitzes gleich dem glänzenden Aufsprossen einer Pflanze nach erfrischendem Regen, das that ihm im Innersten wohl. 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Fränz erklärte sich hiezu bereitwillig, sie spottete über die Liebschaft mit Munde als über ein Kinderspiel, nannte ihn ein an Pfennigwirthschaft gewöhntes Schäferle und sagte geradezu, daß sie nur noch in reichen Verhältnissen leben und sich nicht abplagen möge, wie eine Viehmagd.</p><lb/> <p>An der sogenannten kalten Herberge auf der Anhöhe standen noch drei beladene Wollwagen. Diethelm stieg ab und hörte, daß diese Fuhren für ihn seien; er ließ nun den Fuhrleuten auftischen nach Herzenslust, beschenkte die Armen und Wanderburschen, die sich wie gerufen eingestellt hatten, und geberdete sich überhaupt, als ob er einen großen Schatz gefunden und Geld für ihn gar keinen Werth habe. Er freute sich des dankenden Lobes von den Fuhrleuten und horchte aus dem Verschlage hinaus nach der großen Stube, denn er wußte wohl, daß die Leute dort den Ruf im Lande machen. Es war aber nicht allein dieser Ruhm, der ihn erfreute, er hatte seine Lust an der Freigebigkeit selbst; dieses Aufleben der Beschenkten durch die Gabe, dieses Erleuchten des Antlitzes gleich dem glänzenden Aufsprossen einer Pflanze nach erfrischendem Regen, das that ihm im Innersten wohl.</p><lb/> <p>Sinnliche Naturen, das heißt solche, die mit mächtigen Trieben ausgestattet sind, neigen auch leicht zu Freigebigkeit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0052]
Das ist Alles unser, sagte Diethelm dann mit triumphirender Miene zu Fränz, und mit Stolz wies er weiter hinaus, wo wieder eine Heerde in einer Staubwolke sich zeigte, und es war ihm, als ob nirgends Raum genug wäre und auf allen Wegen sich sein Reichthum ausbreitete, mit dem er Hohes, Unübersehbares erobern wollte. Mit Behagen erzählte er zum hundertsten Male der Fränz, wie er vor dreißig Jahren mit dem Stab in der Hand und neun Kreuzer in der Tasche nach Buchenberg gekommen sei, und wie er jetzt auftrete und noch höher hinaus müsse. Und Alles nur für dich und für die Meinigen in Letzweiler, schloß er und redete nun Fränz ins Gewissen, daß sie den Schäfer Munde, der jetzt daheim gewiß auf sie warte, ein- für allemal aufgeben müsse. Fränz erklärte sich hiezu bereitwillig, sie spottete über die Liebschaft mit Munde als über ein Kinderspiel, nannte ihn ein an Pfennigwirthschaft gewöhntes Schäferle und sagte geradezu, daß sie nur noch in reichen Verhältnissen leben und sich nicht abplagen möge, wie eine Viehmagd.
An der sogenannten kalten Herberge auf der Anhöhe standen noch drei beladene Wollwagen. Diethelm stieg ab und hörte, daß diese Fuhren für ihn seien; er ließ nun den Fuhrleuten auftischen nach Herzenslust, beschenkte die Armen und Wanderburschen, die sich wie gerufen eingestellt hatten, und geberdete sich überhaupt, als ob er einen großen Schatz gefunden und Geld für ihn gar keinen Werth habe. Er freute sich des dankenden Lobes von den Fuhrleuten und horchte aus dem Verschlage hinaus nach der großen Stube, denn er wußte wohl, daß die Leute dort den Ruf im Lande machen. Es war aber nicht allein dieser Ruhm, der ihn erfreute, er hatte seine Lust an der Freigebigkeit selbst; dieses Aufleben der Beschenkten durch die Gabe, dieses Erleuchten des Antlitzes gleich dem glänzenden Aufsprossen einer Pflanze nach erfrischendem Regen, das that ihm im Innersten wohl.
Sinnliche Naturen, das heißt solche, die mit mächtigen Trieben ausgestattet sind, neigen auch leicht zu Freigebigkeit
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