Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.festen Schlaf geweckt wurde, sah ich zwei männliche Gestalten durch das offne Fenster dringen. Trotz meines großen Schrecks hatte ich noch die Besonnenheit, rasch aufzuspringen und meine Leute durch das heftige Ziehen der Klingel zu wecken. Dann schwand mir das Bewußtsein, und ich sank ohnmächtig zu Boden. Was weiter geschehen, weiß ich nicht. Als ich nach langer Zeit wieder zu mir kam, fand ich mich im Bett, und neben mir die gute Lisette, die mir unter dem heftigsten Weinen meinen Verlust mittheilte." Eine Flut von Thränen verhinderte sie, weiter zu reden. Herr Oburn, der diese Thränen dem verlornen Schmuck zuschrieb, dem überhaupt nichts in der Welt verhaßter war, als das Weinen, sprach liebkosend: "Nun, gräme Dich nicht zu sehr um das bischen Gold, mein Herzchen! Ich kaufe Dir wieder einen andern Schmuck; aber nun sei auch heiter; zeige mir ein freundliches Gesicht; das ist mir lieber, als alle Deine Preciosen." Durch diese unerwartete Milde ihres Gatten festen Schlaf geweckt wurde, sah ich zwei männliche Gestalten durch das offne Fenster dringen. Trotz meines großen Schrecks hatte ich noch die Besonnenheit, rasch aufzuspringen und meine Leute durch das heftige Ziehen der Klingel zu wecken. Dann schwand mir das Bewußtsein, und ich sank ohnmächtig zu Boden. Was weiter geschehen, weiß ich nicht. Als ich nach langer Zeit wieder zu mir kam, fand ich mich im Bett, und neben mir die gute Lisette, die mir unter dem heftigsten Weinen meinen Verlust mittheilte.“ Eine Flut von Thränen verhinderte sie, weiter zu reden. Herr Oburn, der diese Thränen dem verlornen Schmuck zuschrieb, dem überhaupt nichts in der Welt verhaßter war, als das Weinen, sprach liebkosend: „Nun, gräme Dich nicht zu sehr um das bischen Gold, mein Herzchen! Ich kaufe Dir wieder einen andern Schmuck; aber nun sei auch heiter; zeige mir ein freundliches Gesicht; das ist mir lieber, als alle Deine Preciosen.“ Durch diese unerwartete Milde ihres Gatten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0109" n="97"/> festen Schlaf geweckt wurde, sah ich zwei männliche Gestalten durch das offne Fenster dringen. Trotz meines großen Schrecks hatte ich noch die Besonnenheit, rasch aufzuspringen und meine Leute durch das heftige Ziehen der Klingel zu wecken. Dann schwand mir das Bewußtsein, und ich sank ohnmächtig zu Boden. Was weiter geschehen, weiß ich nicht. Als ich nach langer Zeit wieder zu mir kam, fand ich mich im Bett, und neben mir die gute Lisette, die mir unter dem heftigsten Weinen meinen Verlust mittheilte.“</p> <p> Eine Flut von Thränen verhinderte sie, weiter zu reden. Herr Oburn, der diese Thränen dem verlornen Schmuck zuschrieb, dem überhaupt nichts in der Welt verhaßter war, als das Weinen, sprach liebkosend: „Nun, gräme Dich nicht zu sehr um das bischen Gold, mein Herzchen! Ich kaufe Dir wieder einen andern Schmuck; aber nun sei auch heiter; zeige mir ein freundliches Gesicht; das ist mir lieber, als alle Deine Preciosen.“ Durch diese unerwartete Milde ihres Gatten </p> </div> </body> </text> </TEI> [97/0109]
festen Schlaf geweckt wurde, sah ich zwei männliche Gestalten durch das offne Fenster dringen. Trotz meines großen Schrecks hatte ich noch die Besonnenheit, rasch aufzuspringen und meine Leute durch das heftige Ziehen der Klingel zu wecken. Dann schwand mir das Bewußtsein, und ich sank ohnmächtig zu Boden. Was weiter geschehen, weiß ich nicht. Als ich nach langer Zeit wieder zu mir kam, fand ich mich im Bett, und neben mir die gute Lisette, die mir unter dem heftigsten Weinen meinen Verlust mittheilte.“
Eine Flut von Thränen verhinderte sie, weiter zu reden. Herr Oburn, der diese Thränen dem verlornen Schmuck zuschrieb, dem überhaupt nichts in der Welt verhaßter war, als das Weinen, sprach liebkosend: „Nun, gräme Dich nicht zu sehr um das bischen Gold, mein Herzchen! Ich kaufe Dir wieder einen andern Schmuck; aber nun sei auch heiter; zeige mir ein freundliches Gesicht; das ist mir lieber, als alle Deine Preciosen.“ Durch diese unerwartete Milde ihres Gatten
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Zitationshilfe: | Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/109>, abgerufen am 23.07.2024. |