Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Th. IV. Sect. III. Num. XIV. Hamburgiſcher Streit mit dem Miniſterio.
[Spaltenumbruch] die allerhoͤchſte noth erfordert es/ eure eigene
und eurer Zuhoͤrer ſeligkeit iſt dran gelegen/ den-
cket auch nicht: ja fangen wir es ſo an/ ſo wer-
den wir nicht lange bleiben/ und werden denn
falſche miedlinge kommen/ und die heerde gantz
verderben; befehlet ihr das GOTT/ laſſet
Chriſtum dafuͤr ſorgen/ thut ihr unterdeſſen
was euer amt iſt. Entſchuldiget euch auch nicht
mit mangel der zeit/ ſondern laſſet dieß dilem-
ma
auff euer gewiſſen gepreget ſeyn: Entweder
ihr muͤſſet euer Commentarien-leſen/ leich-gehen
und politiſche haͤndel bleiben laſſen/ oder ihr
muͤſſet manche ſeele verwahrloſen/ oder zum
wenigſten mancher ſeelen verſorgung und un-
terrichtung muß noch etwas auffgeſchobenwer-
den. Dabedencket/ wie grauſam/ tyranniſch und
moͤrderiſch es ſeyn wuͤrde/ wenn ihr lieber eines
eintzigen bettlers ſeele verwarloſen oder ſie zuver-
ſorgen noch etliche wochen auffſchieben woltet/
als das unnoͤthige lauffen und ſtudiren bleiben
laſſen. Wie? wenn der menſch unterdeſſen ſtuͤr-
be/ deſſen huͤter zu ſeyn ihr noch etwas auffge-
ſchoben hattet? Sein blut wuͤrde von euren
haͤnden gefordert werden.

O Mordſtunden/ die ihr auff andere unnoͤthi-
ge ſachen anwendet/ da noch ſeelen ſind in eurer
gemeine/ die eurer huͤlffe beduͤrffen. Denn ho-
ris illis, in quibus paſcendos non paviſtis, oc-
cidiſtis. Ambroſius.
O diebſtal/ da ihr ſo viel
edle ſtunden alle wochen ſo unnuͤtzlich zubringet/
und ſie GOtt und eueren zuhoͤrern ſtelet. Schi-
cket euch doch in die zeit/ dann es iſt boͤſe zeit/
ihr ſeyd ja keine Profeſſores, was habt ihr denn
mit ſo weitlaͤufftigen Commentarien zu thun?
haͤttet ihr zeit darzu/ ſo gieng es hin/ aber nun iſt
ſolch ein ſtudium bey euch unverantwortlich/
ein gewiſſenhaffter hirte wird in den Bibliſchen
buͤchern und Lutheri ſchrifften ſo viel finden/
daß er rebus ſic ſtantibus keine zeit wird uͤbrig
haben zu andern Gloſſen. Eurer zuhoͤrer ſind
zu viel/ die unwiſſenheit und boßheit iſt zu groß/
die zeit iſt zu kurtz/ zu dem nuͤtzlichen beichtſitzen
habet ihr die gantzevorhergehende woch enoͤthig;
denn es iſt unmuͤglich/ daß euer 3. innerhalb 4.
oder 5. ſtunden etliche 100. perſonen recht ver-
hoͤren/ pruͤffen/ examiniren/ ermahnẽ/ unterrich-
ten und troͤſten koͤñet. Jn den ſtunden/ da ihr zur
leiche gehet/ koͤntet ihr auch noch viel wuchern
mit catechiziren, viſitiren; denn 3. ſtundenlauffet
ihr auff der gaſſen/ wenn ihr zu hauß kom̃et/ ſeyd
ihr muͤde/ euren leib mattet ihr ab und ſchwaͤchet
ihn/ wenn der Paſtor und beicht-vater der jeni-
gen kirchen/ der die leiche zugehoͤret/ mitfolgeten/
ſo waͤre es allgnug/ ihr machet euch einer groſſen
ſuͤnde theilhafftig mit eurem ſtillſchweigen und
compræſentz/ da ihr doch pompose, ehrgeitzige/
ſtoltze/ außſaugende leich-proceſsenſtraffen ſol-
tet; dieleute ſeuffzen und klagen daruͤber; daß
ihnen die leich-proceſſus ſo hoch kommen/ und
niemand daruͤber ſprechen will/ daß es etwas
gemindert| wuͤrde. Es wuͤrde euch auch an der
nuͤhrung deßwegen nicht viel abgehen; denn
wenn die leute fein unterrichtet wuͤrden/ daß ſie
Chriſtliche hertzen kriegten/ auch wenn ſie eu-
ren ernſtlichen eyffer merckten/ daß ihr gern euer
eigenes verſaͤumet/ Exod. 23. ihre irrende ſeeln
zu recht zu bringen/ ſo wuͤrden ſie ihnen auch die-
ſe gebote: Ein arbeiter iſt ſeines lohnes werth;
Du ſolt| dem ochſẽ/ der da triſcht/ nicht das maul
verbinden/ wohl zu hertzen gehen laſſen/ und
[Spaltenumbruch] euch lehrern allerley gutes mittheilen/ daß ihr uñ
die eurigen nahrung und kleider haben wuͤrden.

Zum beſchluß bitten wir E. E. verdencket
uns nicht/ daß wir dieſe Supplication ſo lang
gemacht; wir haben/ gern zu befriedigung unſers
gewiſſens/ unſer hertz auff einmal außſchuͤtten
wollen gegen; ingl. auch damit ihr Ehrw. maͤn-
ner hernach nicht noͤthig haͤttet/ lang mit uns
jungen leuten/ von einem oder anderm punct,
zu reden oder zu fragen; auch damit ihr deſto eher
zum werck greiffēmoͤchtet: deñ/ wie obengedacht
periculum animarum & iræ divinæ in mora.

Solte E. E. Miniſterio belieben uns noch
weiter hieruͤber zu rede zu ſtellen/ ſo erbieten wir
uns euch hierin zu allem gehorſam/ und fuͤrch-
ten uns nicht durch die krafft GOttes fuͤr euch
zu erſcheinen/ und auff eure fragen/ einfaͤltig
zu antworten/ doch bitten wir/ E. E. Miniſte-
riū
wolle nicht einen von uns allein/ ſondern alle
zugleich fordern laſſen/ ſo ſie uns zu ſprechen be-
gehren. Hiemit befchlen wir euch GOTT/ und
wuͤnſchen von hertzen/ daß der barmhertzige
GOTT und Ertzhirte JEſus euch mit dem
geiſt der weißheit/ des raths/ der krafft/ des
verſtandes/ ſtaͤrcke und freudigkeit außruͤſten
und krafft zu eurem wort geben wolle/ auff daß
ihr mit vielem ſegen geſchmuͤcket werdet/ undei-
nen ſieg nach dem andern erhaltet/ daß man ſe-
hen koͤnne der rechte GOTT ſey zu Zion. Der
geiſt desfriedes und der demuth verbinde auch
eure hertzen mit bruͤderlicher einigkeit/ hertz-
licher vertraulichkeit und Gottſeliger uͤberein-
ſtimmung nach dem willen GOttes; wir verheiſ-
ſen mit unſerm ſchwachen gebett unſern GOtt
zu erſuchen/ daß euch gegeben werde das wort
mit freudigem auffthun eures mundes/ Epheſ.
6. v.
19. verbleiben ꝛc.

Copia literarũ D. D. Henr. Mülleri Rostoch.
ad Joh. Chriſtophorum Holtzhauſen.
In Correptione fraterna attendenda ſequentia:
I. Subjectum quod,
oder der ſie verrichten ſoll.
Tenentur id facere omnes Chriſtiani, ſine diſ-
crimine ætatis & conditionis; ſi tamen adaños
diſcretionis venerint, ut poſſint dignoſcere ma-
lum à bono.
Denn was man nicht kennet/
kan man weder loben noch laͤſtern/ weder gut
heiſſen noch ſtraffen. Die ſpruͤche/ ſo Matth. X.
& XVIII.
gefunden werden/ gehen alle Chriſten
an: Alle Chriſten/ ob ſie gleich keine ſpecial voca-
tion
zum predigamt bekom̃ẽ haben ſie doch eine
general vocation zum geiſtlichen prieſterthum/
deñ ſie ſind in der tauffe Chriſten wordenund ha-
ben die ſalbung empfangen. Worzu nutzet eine
ſalbe/ wann ſie nicht mit ihrem guten ruch den
ſtanck vertreiben ſoll. Alle Chriſten (ſi ſunt viva
Eccleſiæ membra
) ſind tempel des H. Geiſtes/
der H. Geiſt aber ſtrafft die welt/ nicht allein per
eos, quibꝰ præſens eſt donis adminiſtrantibus,

ſondern auch und viel kraͤfftiger per eos, quosor-
nat donis ſanctificantibus.
Das iſt aber noͤthig/
daß das ſubjectum/ ſo andere ſtraffen will/ zuvor
ſich ſelbſt ſtraffe. Wir moͤgen anderemit nutzen
nim̃er reformiren, es ſey dann/ daß wir den an-
fang machen von uns ſelbſt/ ne, quod verbis
ædificamus, factis deſtruamus,
es heiſſet ſonſt:
Medice, cura te ipſum, und du heuchler/ zeuch
zuvor den balcken auß deinem eigenem auge ꝛc.

2. Subjectum recipiens correptionem, das
muß alſo diſponiret ſeyn/ daß man den finem
correptionis fraternæ
bey ihm erreichenkan/

finis

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/968
Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 660. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/968>, abgerufen am 07.01.2025.