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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. III. Num. XII. Pantel Trappens lehr und schrifften.
[Spaltenumbruch] verpflichtethast. Ey lieber mensch/ war um ver-
giessest du so gar nebenst dem innerlichen/ auch
des äusserlichen bundes/ so du mit GOtt ge-
macht/ und lebest in allem demselben entgegen.
Es solte dir dem bunde nach die welt gecreutzi-
get seyn/ und du der welt/ aber in wahrheit die
welt ist dir lieb/ und CHristus ist dir ein uner-
trägliches creutz/ darum du auch sein heiliges
leben/ well es der welt verächtlich ist/ gäntzlich
verschmähest/ und mit demselben im geringsten
keine ähnligkeit zu haben begehrest. Wie aber/
o mensch/ heist das CHristi Jünger und nach
folger seyn/ wenn man auff der breiten welt-
strassen wandelt? Warlich ihr verkehrten
nam-Christen/ ihr habt die wege GOttes
gäntzlich verkehret/ darum ist auch GOtt wie-
derum gegen euch ein verkehrter GOtt. Ein
jeder muß richtig ja in der meinung leben/ daß
der breite weg nun zum himmel und der schma-
le weg zur höllen führe/ dieweil niemand sich
begehret von dem grossen hauffen abzugeben.
O weme seind doch heutiges tages die fußstapf-
fen JEsu CHristi lieb? Wer ist ein freund
und liebhaber des heilsamen creutzes JESU
CHristi! Wer ringet nach CHristi ähnligkeit
in armuth/ schmach/ hohn und spott/ und den
innerlichen und äusserlichen schmertzen? Wem
ist der welt freundschafft ein feindschafft? Es
ist gantz nicht gnug/ repetire ich nochmalen/
von CHristo und seinem creutz hüpsche disposi
tiones
machen/ zierlich davon reden und predi-
gen/ oder hören und lesen können: Sondern
es gehöret das auffnehmen/ die nachtragung
auch dazu: Denn das thun ist nützlich/ das
blosse wissen verdammlich. Darum ists prü-
fens zeit/ o lieber mensch/ wenn du dein hertz
recht erforschen wirst/ das wird dir bald sa-
gen/ daß du im grunde der wahrheit ein halb-
hertziger Christ bist/ mit einem theil CHristo/
mit dem andern theil dir selber und deinem wil-
len und lüsten zugethan. Es hilfft aber bey
dieser probirung kein betünchen/ kein bemän-
teln/ kein beschönen oder praetendiren/ denn
GOtt will reine hertzen/ und dieselbe allein inne
haben/ die halb-hertzige Christen sind die lau-
lichten/ zum reich der finsterniß gehörende:
Darum laß dir nicht lieber mensch/ den teuffel
die feygenblätter so kräfftig fürmahlen/ als
wann du damit deine schalckheit/ boßheit/
schande und scham bedecken köntest. Es ist sol-
che imagination nicht eine paradisische/ son-
dern eine höllische frucht/ so Adam nicht aus
GOtt/ sondern dem teuffel ersehen. Darum
ein jeder bald finden kan/ von weme er hat das
schmücken seiner bösen sache erlernet. Es ist
diß zu keinem richten oder verdammen/ wie die
unzeitige richter fürgeben/ sondern zu einem
hertzlichen verwarnen und erinnerung geschrie-
ben/ daß weil du dich auff die H. Schrifft be-
ruffest/ du auch mögest nach anleitung der
Heil. Schrifft dich recht prüfen und erfor-
schen/ ob du innerlich also beschaffen/ wie die
H. Schrifft dich äusserlich als einen Christen
nach CHristi und seines heiligen leibes glie-
dern exempel beschreibet/ erfordert und haben
will. Findest du es aber nicht/ so kehredich zu
GOtt/ und schütte dein hertz fein und rein für
ihm aus/ das ist/ bekenne deinen abfall von
CHristo/ und die drüber in dir entstandene
boßheit/ heucheley und scheinheiligkeit/ damit
[Spaltenumbruch] du GOtt beleidiget hast/ warlich der das wol-
len schon in dir gewürcket hat/ der wird das
vollbringen nicht hinterlassen: Aber es ge-
höret eine gäntzliche ergebung in den willen
GOTTES dazu/ darein ergib dich/ o
mensch/ so wirst du keinen mangel haben
an irgend einem guten. Die H. Schrifft
zeuget/ daß kein wissen oder wortliches erken-
nen gnug sey/ wo dieses nicht aus dem le-
bendigen erkantniß und dem lebendigen glau-
ben ergehe/ also daß die wissenschafft in des le-
bens-krafft/ und die wort in des geistes macht
bestehen. Nun prüfe dich/ o mensch/ ob dir
CHristus zur weißheit gemachet: denn es muß/
o lieber mensch/ alles in dir seyn/ was du von
CHristi menschwerdung an/ biß zu seiner auf-
farth von ihm hörest und die schrifft zeuget/
sonsten hast du nur ein buchstäbliches/ histori-
sches/ und gar kein lebendiges oder seligmach-
endes erkantniß: Sprichst du/ du gläubest es/
daß dir CHristus zur weißheit gemacht/ so
must du es empfinden/ denn der lebendige glau-
be empfindet/ was er von CHristo gläubet:
Empfindest du aber solches in dir nicht/ so ist
dein glaube nicht ein lebendiger glaube/ son-
dern todter buchstäblicher wahn-glaube/ und
dein bekäntniß ist ein todes bekäntniß/ denn es
gehet ja nicht aus dem leben/ so da CHristus
ist in dir/ wie die H. Schrifft zeuget/ darum
so ist so wenig ein lebendiges gezeugniß/ so we-
nig du CHristum würckend und lebendig ha-
ben wilst/ darum offenbaret sich auch der glau-
be nicht in den wercken und leben. Ein wisser
und thäter/ ein bekenner und vollbringer/ das
sagen und erfüllen gehöret überall zusammen/
wie die H. Schrifft klärlich zeuget. Brauche/
o elender mensch/ keine vernunfft-schrifft/ deine
böse sache damit zu schmücken/ denn deine ver-
nunfft will das gute thun aus CHristo nicht
lernen/ sondern wil lieber bey dem verdammli-
chen gesange verbleiben: Es sey dem menschen
unmüglich so zu leben/ wie es die H. Schrifft
erfordert/ es lebe auch so kein mensch in der
welt. Aber siehe/ lieber mensch/ wie fein du
dir bey deiner erlerneten wissenschafft CHri-
stum/ der dir in der H. Schrifft für die augen
gemahlet/ läst aus deinem hertzen reissen.
Denn ist CHristus nicht der mensch der also
gelebet hat: Warum? Daß er möchte den
himmel ererben? Nein fürwahr/ den er ist vor-
hin seyn: Sondern darum/ daß du in und
durch seine krafft (so du menschenkind woltest
einmal deiner natürlichen unmögligkeit/ so/
ob sie gleich nicht allegirt und angezogen wür-
de/ einem jeden doch gnugsam bekannt ist/ ent-
gegen setzen/ und damit die verleitende ver-
nunfft gefangen zu nehmen lernen woltest)
möchtest zu einem neuen menschen werden/ und
in rechtschaffener heiligkeit und gerechtigkeit/
so GOtt allein gefällig (dadurch ja gnugsam
alle sünde ausgeschlossen ist/) gefällig seyn/
geschaffen oder wiedergeboren werden/ und
GOtt leben/ und ihm allein darinn dienen
mögest. O ihr menschen-kinder/ lernet doch
einmal euch entsetzen für CHristo JEsu dem
allmächtigen König/ und höret auff seine
Göttliche krafft/ die ihr ja sonsten mündlich
gestehet/ in der that und wahrheit zu verläug-
nen/ daß sie nicht in euch solte oder wolte kräff-
tig seyn/ daß sünden-reich zu zerstören/ und das

reich

Th. IV. Sect. III. Num. XII. Pantel Trappens lehr und ſchrifften.
[Spaltenumbruch] verpflichtethaſt. Ey lieber menſch/ war um ver-
gieſſeſt du ſo gar nebenſt dem innerlichen/ auch
des aͤuſſerlichen bundes/ ſo du mit GOtt ge-
macht/ und lebeſt in allem demſelben entgegen.
Es ſolte dir dem bunde nach die welt gecreutzi-
get ſeyn/ und du der welt/ aber in wahrheit die
welt iſt dir lieb/ und CHriſtus iſt dir ein uner-
traͤgliches creutz/ darum du auch ſein heiliges
leben/ well es der welt veraͤchtlich iſt/ gaͤntzlich
verſchmaͤheſt/ und mit demſelben im geringſten
keine aͤhnligkeit zu haben begehreſt. Wie aber/
o menſch/ heiſt das CHriſti Juͤnger und nach
folger ſeyn/ wenn man auff der breiten welt-
ſtraſſen wandelt? Warlich ihr verkehrten
nam-Chriſten/ ihr habt die wege GOttes
gaͤntzlich verkehret/ darum iſt auch GOtt wie-
derum gegen euch ein verkehrter GOtt. Ein
jeder muß richtig ja in der meinung leben/ daß
der breite weg nun zum himmel und der ſchma-
le weg zur hoͤllen fuͤhre/ dieweil niemand ſich
begehret von dem groſſen hauffen abzugeben.
O weme ſeind doch heutiges tages die fußſtapf-
fen JEſu CHriſti lieb? Wer iſt ein freund
und liebhaber des heilſamen creutzes JESU
CHriſti! Wer ringet nach CHriſti aͤhnligkeit
in armuth/ ſchmach/ hohn und ſpott/ und den
innerlichen und aͤuſſerlichen ſchmertzen? Wem
iſt der welt freundſchafft ein feindſchafft? Es
iſt gantz nicht gnug/ repetire ich nochmalen/
von CHriſto und ſeinem creutz huͤpſche diſpoſi
tiones
machen/ zierlich davon reden und predi-
gen/ oder hoͤren und leſen koͤnnen: Sondern
es gehoͤret das auffnehmen/ die nachtragung
auch dazu: Denn das thun iſt nuͤtzlich/ das
bloſſe wiſſen verdammlich. Darum iſts pruͤ-
fens zeit/ o lieber menſch/ wenn du dein hertz
recht erforſchen wirſt/ das wird dir bald ſa-
gen/ daß du im grunde der wahrheit ein halb-
hertziger Chriſt biſt/ mit einem theil CHriſto/
mit dem andern theil dir ſelber und deinem wil-
len und luͤſten zugethan. Es hilfft aber bey
dieſer probirung kein betuͤnchen/ kein bemaͤn-
teln/ kein beſchoͤnen oder prætendiren/ denn
GOtt will reine hertzen/ und dieſelbe allein inne
haben/ die halb-hertzige Chriſten ſind die lau-
lichten/ zum reich der finſterniß gehoͤrende:
Darum laß dir nicht lieber menſch/ den teuffel
die feygenblaͤtter ſo kraͤfftig fuͤrmahlen/ als
wann du damit deine ſchalckheit/ boßheit/
ſchande und ſcham bedecken koͤnteſt. Es iſt ſol-
che imagination nicht eine paradiſiſche/ ſon-
dern eine hoͤlliſche frucht/ ſo Adam nicht aus
GOtt/ ſondern dem teuffel erſehen. Darum
ein jeder bald finden kan/ von weme er hat das
ſchmuͤcken ſeiner boͤſen ſache eꝛlernet. Es iſt
diß zu keinem richten oder verdammen/ wie die
unzeitige richter fuͤrgeben/ ſondern zu einem
hertzlichen verwarnen und erinnerung geſchrie-
ben/ daß weil du dich auff die H. Schrifft be-
ruffeſt/ du auch moͤgeſt nach anleitung der
Heil. Schrifft dich recht pruͤfen und erfor-
ſchen/ ob du innerlich alſo beſchaffen/ wie die
H. Schrifft dich aͤuſſerlich als einen Chriſten
nach CHriſti und ſeines heiligen leibes glie-
dern exempel beſchreibet/ erfordert und haben
will. Findeſt du es aber nicht/ ſo kehredich zu
GOtt/ und ſchuͤtte dein hertz fein und rein fuͤr
ihm aus/ das iſt/ bekenne deinen abfall von
CHriſto/ und die druͤber in dir entſtandene
boßheit/ heucheley und ſcheinheiligkeit/ damit
[Spaltenumbruch] du GOtt beleidiget haſt/ warlich der das wol-
len ſchon in dir gewuͤrcket hat/ der wird das
vollbringen nicht hinterlaſſen: Aber es ge-
hoͤret eine gaͤntzliche ergebung in den willen
GOTTES dazu/ darein ergib dich/ o
menſch/ ſo wirſt du keinen mangel haben
an irgend einem guten. Die H. Schrifft
zeuget/ daß kein wiſſen oder wortliches erken-
nen gnug ſey/ wo dieſes nicht aus dem le-
bendigen erkantniß und dem lebendigen glau-
ben ergehe/ alſo daß die wiſſenſchafft in des le-
bens-krafft/ und die wort in des geiſtes macht
beſtehen. Nun pruͤfe dich/ o menſch/ ob dir
CHriſtus zur weißheit gemachet: denn es muß/
o lieber menſch/ alles in dir ſeyn/ was du von
CHriſti menſchwerdung an/ biß zu ſeiner auf-
farth von ihm hoͤreſt und die ſchrifft zeuget/
ſonſten haſt du nur ein buchſtaͤbliches/ hiſtori-
ſches/ und gar kein lebendiges oder ſeligmach-
endes erkantniß: Sprichſt du/ du glaͤubeſt es/
daß dir CHriſtus zur weißheit gemacht/ ſo
muſt du es empfinden/ denn der lebendige glau-
be empfindet/ was er von CHriſto glaͤubet:
Empfindeſt du aber ſolches in dir nicht/ ſo iſt
dein glaube nicht ein lebendiger glaube/ ſon-
dern todter buchſtaͤblicher wahn-glaube/ und
dein bekaͤntniß iſt ein todes bekaͤntniß/ denn es
gehet ja nicht aus dem leben/ ſo da CHriſtus
iſt in dir/ wie die H. Schrifft zeuget/ darum
ſo iſt ſo wenig ein lebendiges gezeugniß/ ſo we-
nig du CHriſtum wuͤrckend und lebendig ha-
ben wilſt/ darum offenbaret ſich auch der glau-
be nicht in den wercken und leben. Ein wiſſer
und thaͤter/ ein bekenner und vollbringer/ das
ſagen und erfuͤllen gehoͤret uͤberall zuſammen/
wie die H. Schrifft klaͤrlich zeuget. Brauche/
o elender menſch/ keine vernunfft-ſchrifft/ deine
boͤſe ſache damit zu ſchmuͤcken/ denn deine ver-
nunfft will das gute thun aus CHriſto nicht
lernen/ ſondern wil lieber bey dem verdammli-
chen geſange verbleiben: Es ſey dem menſchen
unmuͤglich ſo zu leben/ wie es die H. Schrifft
erfordert/ es lebe auch ſo kein menſch in der
welt. Aber ſiehe/ lieber menſch/ wie fein du
dir bey deiner erlerneten wiſſenſchafft CHri-
ſtum/ der dir in der H. Schrifft fuͤr die augen
gemahlet/ laͤſt aus deinem hertzen reiſſen.
Denn iſt CHriſtus nicht der menſch der alſo
gelebet hat: Warum? Daß er moͤchte den
himmel ererben? Nein fuͤrwahr/ den er iſt vor-
hin ſeyn: Sondern darum/ daß du in und
durch ſeine krafft (ſo du menſchenkind wolteſt
einmal deiner natuͤrlichen unmoͤgligkeit/ ſo/
ob ſie gleich nicht allegirt und angezogen wuͤr-
de/ einem jeden doch gnugſam bekannt iſt/ ent-
gegen ſetzen/ und damit die verleitende ver-
nunfft gefangen zu nehmen lernen wolteſt)
moͤchteſt zu einem neuen menſchen werden/ und
in rechtſchaffener heiligkeit und gerechtigkeit/
ſo GOtt allein gefaͤllig (dadurch ja gnugſam
alle ſuͤnde ausgeſchloſſen iſt/) gefaͤllig ſeyn/
geſchaffen oder wiedergeboren werden/ und
GOtt leben/ und ihm allein darinn dienen
moͤgeſt. O ihr menſchen-kinder/ lernet doch
einmal euch entſetzen fuͤr CHriſto JEſu dem
allmaͤchtigen Koͤnig/ und hoͤret auff ſeine
Goͤttliche krafft/ die ihr ja ſonſten muͤndlich
geſtehet/ in der that und wahrheit zu verlaͤug-
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[634/0942] Th. IV. Sect. III. Num. XII. Pantel Trappens lehr und ſchrifften. verpflichtethaſt. Ey lieber menſch/ war um ver- gieſſeſt du ſo gar nebenſt dem innerlichen/ auch des aͤuſſerlichen bundes/ ſo du mit GOtt ge- macht/ und lebeſt in allem demſelben entgegen. Es ſolte dir dem bunde nach die welt gecreutzi- get ſeyn/ und du der welt/ aber in wahrheit die welt iſt dir lieb/ und CHriſtus iſt dir ein uner- traͤgliches creutz/ darum du auch ſein heiliges leben/ well es der welt veraͤchtlich iſt/ gaͤntzlich verſchmaͤheſt/ und mit demſelben im geringſten keine aͤhnligkeit zu haben begehreſt. Wie aber/ o menſch/ heiſt das CHriſti Juͤnger und nach folger ſeyn/ wenn man auff der breiten welt- ſtraſſen wandelt? Warlich ihr verkehrten nam-Chriſten/ ihr habt die wege GOttes gaͤntzlich verkehret/ darum iſt auch GOtt wie- derum gegen euch ein verkehrter GOtt. Ein jeder muß richtig ja in der meinung leben/ daß der breite weg nun zum himmel und der ſchma- le weg zur hoͤllen fuͤhre/ dieweil niemand ſich begehret von dem groſſen hauffen abzugeben. O weme ſeind doch heutiges tages die fußſtapf- fen JEſu CHriſti lieb? Wer iſt ein freund und liebhaber des heilſamen creutzes JESU CHriſti! Wer ringet nach CHriſti aͤhnligkeit in armuth/ ſchmach/ hohn und ſpott/ und den innerlichen und aͤuſſerlichen ſchmertzen? Wem iſt der welt freundſchafft ein feindſchafft? Es iſt gantz nicht gnug/ repetire ich nochmalen/ von CHriſto und ſeinem creutz huͤpſche diſpoſi tiones machen/ zierlich davon reden und predi- gen/ oder hoͤren und leſen koͤnnen: Sondern es gehoͤret das auffnehmen/ die nachtragung auch dazu: Denn das thun iſt nuͤtzlich/ das bloſſe wiſſen verdammlich. Darum iſts pruͤ- fens zeit/ o lieber menſch/ wenn du dein hertz recht erforſchen wirſt/ das wird dir bald ſa- gen/ daß du im grunde der wahrheit ein halb- hertziger Chriſt biſt/ mit einem theil CHriſto/ mit dem andern theil dir ſelber und deinem wil- len und luͤſten zugethan. Es hilfft aber bey dieſer probirung kein betuͤnchen/ kein bemaͤn- teln/ kein beſchoͤnen oder prætendiren/ denn GOtt will reine hertzen/ und dieſelbe allein inne haben/ die halb-hertzige Chriſten ſind die lau- lichten/ zum reich der finſterniß gehoͤrende: Darum laß dir nicht lieber menſch/ den teuffel die feygenblaͤtter ſo kraͤfftig fuͤrmahlen/ als wann du damit deine ſchalckheit/ boßheit/ ſchande und ſcham bedecken koͤnteſt. Es iſt ſol- che imagination nicht eine paradiſiſche/ ſon- dern eine hoͤlliſche frucht/ ſo Adam nicht aus GOtt/ ſondern dem teuffel erſehen. Darum ein jeder bald finden kan/ von weme er hat das ſchmuͤcken ſeiner boͤſen ſache eꝛlernet. Es iſt diß zu keinem richten oder verdammen/ wie die unzeitige richter fuͤrgeben/ ſondern zu einem hertzlichen verwarnen und erinnerung geſchrie- ben/ daß weil du dich auff die H. Schrifft be- ruffeſt/ du auch moͤgeſt nach anleitung der Heil. Schrifft dich recht pruͤfen und erfor- ſchen/ ob du innerlich alſo beſchaffen/ wie die H. Schrifft dich aͤuſſerlich als einen Chriſten nach CHriſti und ſeines heiligen leibes glie- dern exempel beſchreibet/ erfordert und haben will. Findeſt du es aber nicht/ ſo kehredich zu GOtt/ und ſchuͤtte dein hertz fein und rein fuͤr ihm aus/ das iſt/ bekenne deinen abfall von CHriſto/ und die druͤber in dir entſtandene boßheit/ heucheley und ſcheinheiligkeit/ damit du GOtt beleidiget haſt/ warlich der das wol- len ſchon in dir gewuͤrcket hat/ der wird das vollbringen nicht hinterlaſſen: Aber es ge- hoͤret eine gaͤntzliche ergebung in den willen GOTTES dazu/ darein ergib dich/ o menſch/ ſo wirſt du keinen mangel haben an irgend einem guten. Die H. Schrifft zeuget/ daß kein wiſſen oder wortliches erken- nen gnug ſey/ wo dieſes nicht aus dem le- bendigen erkantniß und dem lebendigen glau- ben ergehe/ alſo daß die wiſſenſchafft in des le- bens-krafft/ und die wort in des geiſtes macht beſtehen. Nun pruͤfe dich/ o menſch/ ob dir CHriſtus zur weißheit gemachet: denn es muß/ o lieber menſch/ alles in dir ſeyn/ was du von CHriſti menſchwerdung an/ biß zu ſeiner auf- farth von ihm hoͤreſt und die ſchrifft zeuget/ ſonſten haſt du nur ein buchſtaͤbliches/ hiſtori- ſches/ und gar kein lebendiges oder ſeligmach- endes erkantniß: Sprichſt du/ du glaͤubeſt es/ daß dir CHriſtus zur weißheit gemacht/ ſo muſt du es empfinden/ denn der lebendige glau- be empfindet/ was er von CHriſto glaͤubet: Empfindeſt du aber ſolches in dir nicht/ ſo iſt dein glaube nicht ein lebendiger glaube/ ſon- dern todter buchſtaͤblicher wahn-glaube/ und dein bekaͤntniß iſt ein todes bekaͤntniß/ denn es gehet ja nicht aus dem leben/ ſo da CHriſtus iſt in dir/ wie die H. Schrifft zeuget/ darum ſo iſt ſo wenig ein lebendiges gezeugniß/ ſo we- nig du CHriſtum wuͤrckend und lebendig ha- ben wilſt/ darum offenbaret ſich auch der glau- be nicht in den wercken und leben. Ein wiſſer und thaͤter/ ein bekenner und vollbringer/ das ſagen und erfuͤllen gehoͤret uͤberall zuſammen/ wie die H. Schrifft klaͤrlich zeuget. Brauche/ o elender menſch/ keine vernunfft-ſchrifft/ deine boͤſe ſache damit zu ſchmuͤcken/ denn deine ver- nunfft will das gute thun aus CHriſto nicht lernen/ ſondern wil lieber bey dem verdammli- chen geſange verbleiben: Es ſey dem menſchen unmuͤglich ſo zu leben/ wie es die H. Schrifft erfordert/ es lebe auch ſo kein menſch in der welt. Aber ſiehe/ lieber menſch/ wie fein du dir bey deiner erlerneten wiſſenſchafft CHri- ſtum/ der dir in der H. Schrifft fuͤr die augen gemahlet/ laͤſt aus deinem hertzen reiſſen. Denn iſt CHriſtus nicht der menſch der alſo gelebet hat: Warum? Daß er moͤchte den himmel ererben? Nein fuͤrwahr/ den er iſt vor- hin ſeyn: Sondern darum/ daß du in und durch ſeine krafft (ſo du menſchenkind wolteſt einmal deiner natuͤrlichen unmoͤgligkeit/ ſo/ ob ſie gleich nicht allegirt und angezogen wuͤr- de/ einem jeden doch gnugſam bekannt iſt/ ent- gegen ſetzen/ und damit die verleitende ver- nunfft gefangen zu nehmen lernen wolteſt) moͤchteſt zu einem neuen menſchen werden/ und in rechtſchaffener heiligkeit und gerechtigkeit/ ſo GOtt allein gefaͤllig (dadurch ja gnugſam alle ſuͤnde ausgeſchloſſen iſt/) gefaͤllig ſeyn/ geſchaffen oder wiedergeboren werden/ und GOtt leben/ und ihm allein darinn dienen moͤgeſt. O ihr menſchen-kinder/ lernet doch einmal euch entſetzen fuͤr CHriſto JEſu dem allmaͤchtigen Koͤnig/ und hoͤret auff ſeine Goͤttliche krafft/ die ihr ja ſonſten muͤndlich geſtehet/ in der that und wahrheit zu verlaͤug- nen/ daß ſie nicht in euch ſolte oder wolte kraͤff- tig ſeyn/ daß ſuͤnden-reich zu zerſtoͤren/ und das reich

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/942>, abgerufen am 22.12.2024.