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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. III. C. VI. Von Cornherten/ Coolhaeſen/ Herberts/ Stevarto,
[Spaltenumbruch] auf dieſe weiſe wuͤrden die Secten ver-
ſchwinden. Auch ſolte man dem volcke
auferlegen/ daß ſie alle auslegungen der
Schrifft abſchafften/ und allein die Bi-
bel behielten/ und fleißig handelten.

8. Und aus dieſer fleißigen unterſuchung
Goͤttliches worts mag er auch ſo wol den
wahren grund der Chriſtlichen religion als
den zuſtand derer Gemeinen in allen partheyen
ziemlich erkannt haben; wovon er hin und
wieder gar deutlich und aufrichtig geſchrieben
hat. Hornbeckius beſchweret ſich am gedach-
ten ort pag. 469. uͤber ihn/ daß er die Refor-
mir
te Kirche nicht vor richtig erkennen wol-
len. Und zwar aus dem erſten theil ſeiner O-
perum pag.
484. u. f. Daſelbſten beweiſet er
auch ferner/ daß die Papiſtiſche Kirche beſſer
ſey als die Reformirte, welches er auch ferner
pag. 486. erlaͤutert/ daß er nemlich darunter
die Genffiſche oder Calviniſche Gemeinen mit
gemeinet habe/ weil dieſe in dem punct von
der Gnaden-Wahl/ Rechtfertigung/ Beruf-
fung/ und derer Ketzer hinrichtung das volck
irrig lehreten. Wobey er denn ſonderlich Cal-
vini
und Bezæ elende Gruͤnde entdecket/ da ſie
ſo wol die ſtifftung als das weſen und die
kennzeichen der Kirchen in aͤuſſerlichen dingen
geſuchet/ als da Beza den Goͤttlichen beruff
Lutheri und Zvvinglii daraus beweiſen wol-
len/ weil jener ein Doctor, dieſer ein Paſtor
geweſen. Item da Calvinus in ſeinen Inſtitu-
tionibus
die kennzeichen der wahren Kirche in
reiner lehre und rechtem gebrauch der Sacra-
men
ten geſetzet. Uberhaupt aber gehet er dar-
auf/ daß die unſichtbare Kirche dennoch auch
vor Lutheri zeiten in der gantzen welt/ und al-
ſo nicht allein in Lutheri oder Calvini neu-
aufgerichteten Gemeinen zu ſuchen geweſen.

9. Jm dritten theil ſeiner Operum hat er
auch in einem eigenen buͤchlein/ Abbildung
einer unpartheyiſchen Kirchen
genannt/
ſehr nachdruͤcklich erwieſen/ daß einer wol
ein wahrer Chriſt ſeyn koͤnne/ wenn er ſich
gleich nicht zu einer ſichtbaren Kirchen halte.
Jngleichen daß es zwar ſchwer ſey/ auſſerhalb
einer ſichtbaren Gemeine zu leben/ biß GOtt
die Kirche wiederum reinigte/ daß es aber
gleichwol auch noͤthig ſey um der ſchwachen
willen/ die ohne eine aͤuſſerliche form noch nicht
ſeyn koͤnnen/ und dahero ſich leichtlich an eine
Sccte haͤngen moͤchten/ einige Gemeine zu ſam̃-
len. Unterdeſſen ob wol die gantze Kirche al-
ſo verfallen ſey/ ſey doch noch kein offenbarer
befehl da/ ſie wieder zu reformiren. Seine ei-
gene worte ſind allzu weitlaͤufftig/ daß ich nur
ſeinen ſinn kuͤrtzlich ausdruͤcken koͤnnen. Aus
dieſem grunde aber hat er auch behauptet/ daß
das Abendmahl bey ſolchem zuſtand der Ge-
meinen noch nicht recht gehandelt werden
koͤnne. Jm erſten theil ſeiner wercke pag. 354.
u. f. ſtehet em gantzer Tractat hievon unter
dem titul Conſiſtorium, da er in der Vorrede
alſo ſchreibet: Wir prangen ſonderlich vor
andern mit dem rechten Gebrauch des
Nachtmahls/ und ſchaͤmen uns doch
nicht/ daß wir deſſelben krafft oͤffentlich
verlaͤugnen/ nemlich Friede/ Eintracht
und Liebe. Zu Anweiſung dergleichen
aͤrgerlichen gebrechen/ zu verminderung
[Spaltenumbruch] ſolcher feindſeligen zwiſtigkeiten/ die dar-

aus entſtehen/ und zu vermehrung der
ſeligen Liebe/ kraͤfftigen Eintracht/ und
Chriſtlichen Friedens habe ich hier et-
was aufgeſetzet/ dem Leſer zu dienſt.

10. Jn dem Tractat ſelber fuͤhret er einen
Prediger und ſich redend ein/ und ſpricht: Er
gehe weder bey den Papiſten/ noch Reformir-„
ten/ noch Lutheranern zum Abendmahl/ und“
zwar nicht aus verachtung/ welches Gott wiſ-“
ſe/ ſondern weil er erſtlich nicht gewiß wiſſe/“
welche von allen ſichtbaren die wahre Kir-“
che ſey/ und daher auch/ bey welcher der rech-“
te gebrauch des Abendmahls ſtehe. Zum an-“
dern/ weil es eine ſuͤndliche vermeſſenheit waͤ-“
re/ ſich ſo blindlings zum Nachtmahl zu be-“
geben/ und dadurch ſich einer Gemeine theil-“
hafftig zu machen/ zumal eine iede den ge-“
brauch der Sacramenten vor das vornehmſte“
kennzeichen ſetzt. Zum dritten/ weil das wah-“
re kennzeichen der Kirchen/ nemlich die Liebe/“
Joh. XIII. 35. bey allen dieſen Kirchen nicht“
zu finden/ indem ſie alle die jenigen/ welche ſie“
vor irrig halten/ mit haß und thranney von“
ſich treiben/ ja an ſtatt/ daß man ihre gaben“
genieſſen ſolte/ ſie in unweiſem eiffer noch in“
der zeit der gnaden des lebens beraubten. Da“
doch ſolche Lehrer ſelbſt nicht wolten/ daß ſie“
von andern in unverſtand alſo tractiret wuͤr-“
den. Weil nun unter allen Secten gleichwol“
noch aufrichtige/ unſchuldige Laͤmmer Chriſti“
zu finden/ welche die ſectiriſchen namen/ der“
Papiſten/ Reformirten/ Calviniſten/ Wie-“
dertaͤuffer nicht trennen/ noch von der allge-“
meinen wahren Kirchen abſondern koͤnten/“
hingegen auch unter allen dieſen Secten ſo viel“
falſche Chriſten lebten; ſo koͤnte ihn nie-“
mand verdencken/ daß er bey keiner ſichtba-“
ren Gemeine des Abendmahls ſich gebrau-“
che/ weil eine die andere als antichriſtiſch/ ſa-“
taniſch und gottloß verdam̃e und ausſtieſſe.“
Worauf er ferner ſehr herrlich und gruͤnd-“
lich ſo wol von dem ſtreit uͤber dem Nacht-“
mahl zwiſchen Lutheranern und Reformir-“
ten/ als von deſſen rechtem gebrauch und viel“
andern dergleichen materien handelt/ pag.
358. u. f.„

11. Aus dieſem kan man nun ferner leicht
gedencken/ was er von dem zuſtand der Cleri-
ſey/ auch unter den Proteſtanten/ bekant habe.
Seine Anklaͤger beſchweren ſich/ daß er die
groſſen maͤnner/ Calvinum, Bezam, Danæ-
um, Saraviam
und andere Lehrer unver-
ſchaͤmt getadelt
(vid. Hornbeckius l. c. pag.
468.) daß er unter allen Prediger-feinden
und Tadlern der vornehmſte billig zu
neñen ſey.
(Voëtius l. c. l. 2. Tr. l. c. l. p. 219) Er
hat aber
in dem Tractat Probierſtein der
wahren Lehrer
und ſonſt uͤberall ſo wol die
rechten kennzeichen und pflichten/ als auch das
elend der gemeinen Prediger ſehr deutlich vor
augen gelegt/ und zwar zu dem ende/ wie er
alsbald im titul pag. 45. ſetzet: Damit die
einfaͤltigen hertzen in dieſem verwirrten

labyrinth gegenwaͤrtiger Secten/ die da-
ruͤber irrig und zerſtreuet worden/ ſich
nicht verleiten uñ verfuͤhren lieſſen.
Jnſon-
derheit aber hat er die angemaſte unbetrieg-
lichkeit/ herrſchafft uͤber die Gewiſſen/ und ty-
ranney der Cleriſey freymuͤthig entdecket/ auch

damit

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/74>, abgerufen am 07.01.2025.