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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beschreibung.
[Spaltenumbruch] wercke nicht ab/ wiewol ich darzu gedrungen
wurde. Endlich wurde mir wieder lebendig
und deutlich eingesprochen durch eine stimme
des geistes ohne mein vorherdencken oder be-
rathschlagen/ nemblich also: Warhafftig
ja nicht weniger/ sondern weit mehr habt ihr
heute (durch das lebendige gespräch aus Da-
vids munde gegangen) in seinem lebendigen/
unbetrüglichen gewissen wesen gehört/ gese-
hen/ geschmeckt und gefühlt JEsum/ stehende
zur rechten hand Gottes in dem himmel/ war-
hafftiger als Stephanus thäte/ Apost. Gesch.
VII. 18. Oder auch als Esaias/ da er diese
worte sprach/ Esa. VI. 1. 2. 3. als er die herr-
ligkeit Gottes sitzen sahe auff seinen stuhl und
thron; weßwegen er sprach: Jch bin ein
mann von unreinen lippen. Ließ/ und sprich
frey und ohne scheu auch also/ daß du ein
mann von unreinen lippen seyest/ und demnach
die herrligkeit Gottes im innwendigsten dei-
nes hertzens lebendig gesehen habest. Hier-
auff wurde mir von dem geist angewiesen/
daß ich lesen solte/ Jes. 6. und Apost. Gesch.
7. da ich doch nicht wuste/ was ich da solte
geschrieben finden/ und dachte/ was mags
doch seyn/ und gleichwol war ich in meinem
innersten voll feuer und brand des lebens/ so
daß ich nicht wuste/ wie oder was mir war
oder mangelte/ indem ich jung war und den
geist nicht kante/ und doch in meiner
schwachheit nicht aussprechen oder zu erken-
nen geben konte/ was mir widerfuhr/ mich
auch selbst zu klein und unwürdig sahe/ sol-
che hohe worte des geistes/ wie der mann
Gottes/ zu reden/ und doch ließ mir der geist
keine ruhe/ sondern sprach mir so starck ein/
als wanns recht laut durch eines menschen
mund geschehen wäre/ daß ich hinunter ge-
hen solte. Jch konte weder schlaffen noch
schlummern/ es mochte des abends oder des
nachts seyn/ biß ich an einem sommer-tage
des nachmittags um 3. oder 4. Uhr antwor-
tete und sprach: HErr/ du weist/ wie es
hier stehet/ und das ist die ursache/ warum
ich nicht mag hinunter gehen.

Diß mochte wol 5. oder 6. mal geschehen/ so
begab sichs daß die frau im hause (davon wis-
sende) des morgens hinauff zu uns kam und
sprach: Jst jemand hieroben/ der herunter kom-
men wil/ der kans wol thun/ denn das volck ist
weg. Hierüber wurd ich voll wunderns und ge-
trieben in den saal oder kammer zu gehen. Als
ich nun 5. oder 6. mal in der kammer hin und
her gegangen/ ward ich endlich/ als ich mit-
ten darinn stund/ gehalten/ und mir deut-
lich zugesprochen: Stehe und siehe! da stund
ich mit dem angesichte von dem lichte nach der
wand zu/ und siehe/ ein blosser mann stund
vor mir/ eben als ich von dem lichte nach der
wand werts/ daß ich ihn nur von hinden sa-
he/ und stund mit seinen füssen auff dem Est-
rich/ mir sehr wunderlich zu sehen. Da sprach
der geist wieder zu mir: Siehe/ da sahe ich
zittrend mit sehenden augen den mann nieder-
sincken/ und mit den füssen nach und nach stil-
le untergehen/ biß das haupt auch herunter
und weg war/ da ich doch das Erdreich we-
der auff-noch zuthun sahe. Da sprach die
stimme und der geist wiederum: Siehe/ da
[Spaltenumbruch] sahe ich denselben nackenden mann unten in
der erden so vollkömmlich und warhafftig als
oben auff der erden. Darüber ward ich nun
in meinem gemüthe bestürtzt und erschrocken/
und fragte in meinem hertzen; worauff mag
doch der mann ruhen; ob seine füsse oder ob
er mit seinem haupte worauf stehet/ das möcht
ich wol wissen. Da merckte ich/ daß er zwi-
schen himmel und erdenschwebete/ so ich euch
gesagt habe/ und trieb/ als ein vogel in der
lufft thut; Aber daß ihr mich wol verstehet/
er war in der erden/ wie ich euch gesagt ha-
be/ und der geist oder die stimme antwortete
mir: Seine füsse stehen nirgend auff/ und ru-
hen auff keinen äusserlichen wesen/ sondern er
schwebt/ und ist ein ewiger abgrund/ da er
ist. Darauff hieß er mich wieder sehen: Da
sah ich denselben nackten mann aus der erden
auffwachsen oder auffsteigen als eine blume
oder pflantze thut. Aber da diß geschahe/ sahe
ich es alles von hinten/ das haupt kam erst her-
vor/ darnach der hals/ die schultern/ arme/
lenden/ beine/ und nach und nach die füsse/
alles sachte oder mählich.

NB. Das haupt kam erst hervor/ darnach
der hals/ daß er wieder auff den estrich als
vorher vollkömmlich stund/ da hätte ich ihn
gern angerühret/ ob er lebendig oder todt wa-
re/ aber es ward mir nicht zugelassen/ und
der geist antwortete mir: Er ist noch todt
und nicht lebendig. Da sah ich darnach auf
seine füsse/ und ward gewahr/ daß sie fest an
der erden/ und davon unrein waren; Aber
der leib von den füssen auffwarts/ war so klar/
schön und gläntzend/ daß man von einem sol-
chen saubern und herrlichen manns-bilde nie-
mals gehört oder es gesehen. Weiter fielen
meine augen auff die füsse/ und siehe/ sie
wurden auch rein und schön von der erden/
denn die erde oder unreinigkeit gieng gantz da-
von/ und sehet/ da kam und sahe ich das le-
ben in ihm/ seine lenden wurden erstlich von
hinten hin und her von einander gezogen/ wie
ein mensch oder thier/ das erst getödtet wird/
und noch liegt und zappelt/ so zogen ihm die
adern und sennen hin- und herwarts/ so daß
es wol zu begreiffen ist. Ein wenig darnach
hub er seine Arm auff und ließ sie wieder nie-
der/ und verstellete oder bewegete den gantzen
leib/ daß er nun durch und durch gantz leben-
dig war. Endlich hub oder streckte er das eine
bein hervor/ und das andere auch nach von
der erden/ und setzte sie wieder nieder. Se-
het/ darnach kehrte er sich gantz um mit seinem
zu meinem angesichte gegen das licht/ und
blinckte im angesichte als eine Sonne/ und
zwar so helle/ daß mans nicht aussprechen kan/
und hatte einen schönen rothen bart/ und kam
zu mir gegangen/ als wenn er durch mich ge-
gangen wäre; Ob er mir durch den leib oder
vorbey gieng/ weiß ich nicht/ denn in dem ge-
hen/ als er zu mir kam/ verwunderte ich mich/
und erschrack im ansehen seines ganges/ als
wär ich ausser dem leibe gewest/ und stund doch
auff meinen füssen/ welches ich mit der feder
nicht schreiben noch aussprechen kan. Er war
auch so groß und wunderlich/ so mächtig und
erschrecklich/ daß er niemanden scheuete/ sahe
auch vollkömmlich/ daß alle Fürsten/ Herren/

Prin-

Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beſchreibung.
[Spaltenumbruch] wercke nicht ab/ wiewol ich darzu gedrungen
wurde. Endlich wurde mir wieder lebendig
und deutlich eingeſprochen durch eine ſtimme
des geiſtes ohne mein vorherdencken oder be-
rathſchlagen/ nemblich alſo: Warhafftig
ja nicht weniger/ ſondern weit mehr habt ihr
heute (durch das lebendige geſpraͤch aus Da-
vids munde gegangen) in ſeinem lebendigen/
unbetruͤglichen gewiſſen weſen gehoͤrt/ geſe-
hen/ geſchmeckt und gefuͤhlt JEſum/ ſtehende
zur rechten hand Gottes in dem himmel/ war-
hafftiger als Stephanus thaͤte/ Apoſt. Geſch.
VII. 18. Oder auch als Eſaias/ da er dieſe
worte ſprach/ Eſa. VI. 1. 2. 3. als er die herr-
ligkeit Gottes ſitzen ſahe auff ſeinen ſtuhl und
thron; weßwegen er ſprach: Jch bin ein
mann von unreinen lippen. Ließ/ und ſprich
frey und ohne ſcheu auch alſo/ daß du ein
mañ von unreinen lippen ſeyeſt/ und demnach
die herrligkeit Gottes im innwendigſten dei-
nes hertzens lebendig geſehen habeſt. Hier-
auff wurde mir von dem geiſt angewieſen/
daß ich leſen ſolte/ Jeſ. 6. und Apoſt. Geſch.
7. da ich doch nicht wuſte/ was ich da ſolte
geſchrieben finden/ und dachte/ was mags
doch ſeyn/ und gleichwol war ich in meinem
innerſten voll feuer und brand des lebens/ ſo
daß ich nicht wuſte/ wie oder was mir war
oder mangelte/ indem ich jung war und den
geiſt nicht kante/ und doch in meiner
ſchwachheit nicht ausſprechen oder zu erken-
nen geben konte/ was mir widerfuhr/ mich
auch ſelbſt zu klein und unwuͤrdig ſahe/ ſol-
che hohe worte des geiſtes/ wie der mann
Gottes/ zu reden/ und doch ließ mir der geiſt
keine ruhe/ ſondern ſprach mir ſo ſtarck ein/
als wanns recht laut durch eines menſchen
mund geſchehen waͤre/ daß ich hinunter ge-
hen ſolte. Jch konte weder ſchlaffen noch
ſchlummern/ es mochte des abends oder des
nachts ſeyn/ biß ich an einem ſommer-tage
des nachmittags um 3. oder 4. Uhr antwor-
tete und ſprach: HErr/ du weiſt/ wie es
hier ſtehet/ und das iſt die urſache/ warum
ich nicht mag hinunter gehen.

Diß mochte wol 5. oder 6. mal geſchehen/ ſo
begab ſichs daß die frau im hauſe (davon wiſ-
ſende) des morgens hinauff zu uns kam und
ſprach: Jſt jemand hierobẽ/ der herunter kom-
men wil/ der kans wol thun/ denn das volck iſt
weg. Hieruͤber wurd ich voll wunderns uñ ge-
trieben in den ſaal oder kammer zu gehen. Als
ich nun 5. oder 6. mal in der kammer hin und
her gegangen/ ward ich endlich/ als ich mit-
ten darinn ſtund/ gehalten/ und mir deut-
lich zugeſprochen: Stehe und ſiehe! da ſtund
ich mit dem angeſichte von dem lichte nach der
wand zu/ und ſiehe/ ein bloſſer mann ſtund
vor mir/ eben als ich von dem lichte nach der
wand werts/ daß ich ihn nur von hinden ſa-
he/ und ſtund mit ſeinen fuͤſſen auff dem Eſt-
rich/ mir ſehr wunderlich zu ſehen. Da ſprach
der geiſt wieder zu mir: Siehe/ da ſahe ich
zittrend mit ſehenden augen den mann nieder-
ſincken/ und mit den fuͤſſen nach und nach ſtil-
le untergehen/ biß das haupt auch herunter
und weg war/ da ich doch das Erdreich we-
der auff-noch zuthun ſahe. Da ſprach die
ſtimme und der geiſt wiederum: Siehe/ da
[Spaltenumbruch] ſahe ich denſelben nackenden mann unten in
der erden ſo vollkoͤmmlich und warhafftig als
oben auff der erden. Daruͤber ward ich nun
in meinem gemuͤthe beſtuͤrtzt und erſchrocken/
und fragte in meinem hertzen; worauff mag
doch der mann ruhen; ob ſeine fuͤſſe oder ob
er mit ſeinem haupte worauf ſtehet/ das moͤcht
ich wol wiſſen. Da merckte ich/ daß er zwi-
ſchen himmel und erdenſchwebete/ ſo ich euch
geſagt habe/ und trieb/ als ein vogel in der
lufft thut; Aber daß ihr mich wol verſtehet/
er war in der erden/ wie ich euch geſagt ha-
be/ und der geiſt oder die ſtimme antwortete
mir: Seine fuͤſſe ſtehen nirgend auff/ und ru-
hen auff keinen aͤuſſerlichen weſen/ ſondern er
ſchwebt/ und iſt ein ewiger abgrund/ da er
iſt. Darauff hieß er mich wieder ſehen: Da
ſah ich denſelben nackten mann aus der erden
auffwachſen oder auffſteigen als eine blume
oder pflantze thut. Aber da diß geſchahe/ ſahe
ich es alles von hinten/ das haupt kam erſt her-
vor/ darnach der hals/ die ſchultern/ arme/
lenden/ beine/ und nach und nach die fuͤſſe/
alles ſachte oder maͤhlich.

NB. Das haupt kam erſt hervor/ darnach
der hals/ daß er wieder auff den eſtrich als
vorher vollkoͤmmlich ſtund/ da haͤtte ich ihn
gern angeruͤhret/ ob er lebendig oder todt wa-
re/ aber es ward mir nicht zugelaſſen/ und
der geiſt antwortete mir: Er iſt noch todt
und nicht lebendig. Da ſah ich darnach auf
ſeine fuͤſſe/ und ward gewahr/ daß ſie feſt an
der erden/ und davon unrein waren; Aber
der leib von den fuͤſſen auffwarts/ war ſo klaꝛ/
ſchoͤn und glaͤntzend/ daß man von einem ſol-
chen ſaubern und herrlichen manns-bilde nie-
mals gehoͤrt oder es geſehen. Weiter fielen
meine augen auff die fuͤſſe/ und ſiehe/ ſie
wurden auch rein und ſchoͤn von der erden/
denn die erde oder unreinigkeit gieng gantz da-
von/ und ſehet/ da kam und ſahe ich das le-
ben in ihm/ ſeine lenden wurden erſtlich von
hinten hin und her von einander gezogen/ wie
ein menſch oder thier/ das erſt getoͤdtet wird/
und noch liegt und zappelt/ ſo zogen ihm die
adern und ſennen hin- und herwarts/ ſo daß
es wol zu begreiffen iſt. Ein wenig darnach
hub er ſeine Arm auff und ließ ſie wieder nie-
der/ und verſtellete oder bewegete den gantzen
leib/ daß er nun durch und durch gantz leben-
dig war. Endlich hub oder ſtreckte er das eine
bein hervor/ und das andere auch nach von
der erden/ und ſetzte ſie wieder nieder. Se-
het/ darnach kehrte er ſich gantz um mit ſeinem
zu meinem angeſichte gegen das licht/ und
blinckte im angeſichte als eine Sonne/ und
zwar ſo helle/ daß mans nicht ausſprechen kan/
und hatte einen ſchoͤnen rothen bart/ und kam
zu mir gegangen/ als wenn er durch mich ge-
gangen waͤre; Ob er mir durch den leib oder
vorbey gieng/ weiß ich nicht/ denn in dem ge-
hen/ als er zu mir kam/ verwunderte ich mich/
und erſchrack im anſehen ſeines ganges/ als
waͤr ich auſſer dem leibe geweſt/ und ſtund doch
auff meinen fuͤſſen/ welches ich mit der feder
nicht ſchreiben noch ausſprechen kan. Er war
auch ſo groß und wunderlich/ ſo maͤchtig und
erſchrecklich/ daß er niemanden ſcheuete/ ſahe
auch vollkoͤmmlich/ daß alle Fuͤrſten/ Herren/

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[426/0722] Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens-Beſchreibung. wercke nicht ab/ wiewol ich darzu gedrungen wurde. Endlich wurde mir wieder lebendig und deutlich eingeſprochen durch eine ſtimme des geiſtes ohne mein vorherdencken oder be- rathſchlagen/ nemblich alſo: Warhafftig ja nicht weniger/ ſondern weit mehr habt ihr heute (durch das lebendige geſpraͤch aus Da- vids munde gegangen) in ſeinem lebendigen/ unbetruͤglichen gewiſſen weſen gehoͤrt/ geſe- hen/ geſchmeckt und gefuͤhlt JEſum/ ſtehende zur rechten hand Gottes in dem himmel/ war- hafftiger als Stephanus thaͤte/ Apoſt. Geſch. VII. 18. Oder auch als Eſaias/ da er dieſe worte ſprach/ Eſa. VI. 1. 2. 3. als er die herr- ligkeit Gottes ſitzen ſahe auff ſeinen ſtuhl und thron; weßwegen er ſprach: Jch bin ein mann von unreinen lippen. Ließ/ und ſprich frey und ohne ſcheu auch alſo/ daß du ein mañ von unreinen lippen ſeyeſt/ und demnach die herrligkeit Gottes im innwendigſten dei- nes hertzens lebendig geſehen habeſt. Hier- auff wurde mir von dem geiſt angewieſen/ daß ich leſen ſolte/ Jeſ. 6. und Apoſt. Geſch. 7. da ich doch nicht wuſte/ was ich da ſolte geſchrieben finden/ und dachte/ was mags doch ſeyn/ und gleichwol war ich in meinem innerſten voll feuer und brand des lebens/ ſo daß ich nicht wuſte/ wie oder was mir war oder mangelte/ indem ich jung war und den geiſt nicht kante/ und doch in meiner ſchwachheit nicht ausſprechen oder zu erken- nen geben konte/ was mir widerfuhr/ mich auch ſelbſt zu klein und unwuͤrdig ſahe/ ſol- che hohe worte des geiſtes/ wie der mann Gottes/ zu reden/ und doch ließ mir der geiſt keine ruhe/ ſondern ſprach mir ſo ſtarck ein/ als wanns recht laut durch eines menſchen mund geſchehen waͤre/ daß ich hinunter ge- hen ſolte. Jch konte weder ſchlaffen noch ſchlummern/ es mochte des abends oder des nachts ſeyn/ biß ich an einem ſommer-tage des nachmittags um 3. oder 4. Uhr antwor- tete und ſprach: HErr/ du weiſt/ wie es hier ſtehet/ und das iſt die urſache/ warum ich nicht mag hinunter gehen. Diß mochte wol 5. oder 6. mal geſchehen/ ſo begab ſichs daß die frau im hauſe (davon wiſ- ſende) des morgens hinauff zu uns kam und ſprach: Jſt jemand hierobẽ/ der herunter kom- men wil/ der kans wol thun/ denn das volck iſt weg. Hieruͤber wurd ich voll wunderns uñ ge- trieben in den ſaal oder kammer zu gehen. Als ich nun 5. oder 6. mal in der kammer hin und her gegangen/ ward ich endlich/ als ich mit- ten darinn ſtund/ gehalten/ und mir deut- lich zugeſprochen: Stehe und ſiehe! da ſtund ich mit dem angeſichte von dem lichte nach der wand zu/ und ſiehe/ ein bloſſer mann ſtund vor mir/ eben als ich von dem lichte nach der wand werts/ daß ich ihn nur von hinden ſa- he/ und ſtund mit ſeinen fuͤſſen auff dem Eſt- rich/ mir ſehr wunderlich zu ſehen. Da ſprach der geiſt wieder zu mir: Siehe/ da ſahe ich zittrend mit ſehenden augen den mann nieder- ſincken/ und mit den fuͤſſen nach und nach ſtil- le untergehen/ biß das haupt auch herunter und weg war/ da ich doch das Erdreich we- der auff-noch zuthun ſahe. Da ſprach die ſtimme und der geiſt wiederum: Siehe/ da ſahe ich denſelben nackenden mann unten in der erden ſo vollkoͤmmlich und warhafftig als oben auff der erden. Daruͤber ward ich nun in meinem gemuͤthe beſtuͤrtzt und erſchrocken/ und fragte in meinem hertzen; worauff mag doch der mann ruhen; ob ſeine fuͤſſe oder ob er mit ſeinem haupte worauf ſtehet/ das moͤcht ich wol wiſſen. Da merckte ich/ daß er zwi- ſchen himmel und erdenſchwebete/ ſo ich euch geſagt habe/ und trieb/ als ein vogel in der lufft thut; Aber daß ihr mich wol verſtehet/ er war in der erden/ wie ich euch geſagt ha- be/ und der geiſt oder die ſtimme antwortete mir: Seine fuͤſſe ſtehen nirgend auff/ und ru- hen auff keinen aͤuſſerlichen weſen/ ſondern er ſchwebt/ und iſt ein ewiger abgrund/ da er iſt. Darauff hieß er mich wieder ſehen: Da ſah ich denſelben nackten mann aus der erden auffwachſen oder auffſteigen als eine blume oder pflantze thut. Aber da diß geſchahe/ ſahe ich es alles von hinten/ das haupt kam erſt her- vor/ darnach der hals/ die ſchultern/ arme/ lenden/ beine/ und nach und nach die fuͤſſe/ alles ſachte oder maͤhlich. NB. Das haupt kam erſt hervor/ darnach der hals/ daß er wieder auff den eſtrich als vorher vollkoͤmmlich ſtund/ da haͤtte ich ihn gern angeruͤhret/ ob er lebendig oder todt wa- re/ aber es ward mir nicht zugelaſſen/ und der geiſt antwortete mir: Er iſt noch todt und nicht lebendig. Da ſah ich darnach auf ſeine fuͤſſe/ und ward gewahr/ daß ſie feſt an der erden/ und davon unrein waren; Aber der leib von den fuͤſſen auffwarts/ war ſo klaꝛ/ ſchoͤn und glaͤntzend/ daß man von einem ſol- chen ſaubern und herrlichen manns-bilde nie- mals gehoͤrt oder es geſehen. Weiter fielen meine augen auff die fuͤſſe/ und ſiehe/ ſie wurden auch rein und ſchoͤn von der erden/ denn die erde oder unreinigkeit gieng gantz da- von/ und ſehet/ da kam und ſahe ich das le- ben in ihm/ ſeine lenden wurden erſtlich von hinten hin und her von einander gezogen/ wie ein menſch oder thier/ das erſt getoͤdtet wird/ und noch liegt und zappelt/ ſo zogen ihm die adern und ſennen hin- und herwarts/ ſo daß es wol zu begreiffen iſt. Ein wenig darnach hub er ſeine Arm auff und ließ ſie wieder nie- der/ und verſtellete oder bewegete den gantzen leib/ daß er nun durch und durch gantz leben- dig war. Endlich hub oder ſtreckte er das eine bein hervor/ und das andere auch nach von der erden/ und ſetzte ſie wieder nieder. Se- het/ darnach kehrte er ſich gantz um mit ſeinem zu meinem angeſichte gegen das licht/ und blinckte im angeſichte als eine Sonne/ und zwar ſo helle/ daß mans nicht ausſprechen kan/ und hatte einen ſchoͤnen rothen bart/ und kam zu mir gegangen/ als wenn er durch mich ge- gangen waͤre; Ob er mir durch den leib oder vorbey gieng/ weiß ich nicht/ denn in dem ge- hen/ als er zu mir kam/ verwunderte ich mich/ und erſchrack im anſehen ſeines ganges/ als waͤr ich auſſer dem leibe geweſt/ und ſtund doch auff meinen fuͤſſen/ welches ich mit der feder nicht ſchreiben noch ausſprechen kan. Er war auch ſo groß und wunderlich/ ſo maͤchtig und erſchrecklich/ daß er niemanden ſcheuete/ ſahe auch vollkoͤmmlich/ daß alle Fuͤrſten/ Herren/ Prin-

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/722>, abgerufen am 22.12.2024.