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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens Beschreibung.
[Spaltenumbruch] daß er auff einen andern abend mit 3. oder 4.
andern personen zu denselben kam und übergab
sich dem HErrn/ begehrten auch mit der bedin-
gung in ihre gemeine auffgenommen zu wer-
den/ daß er von der menschwerdung Christi
(welche sie damals sehr fleissig und nöthig trie-
ben) reden wolte. Derselbe HErr und Mei-
ster Christus/
sprach er/ der hinunter ge-
fahren ist biß in die unterste örter der er-
den/ glaub ich/ daß es eben derselbe ist/
der auffgefahren ist über alle himmel/

und sührte davon den spruch Pauli an/ womit
er dann zufrieden war/ weil er nichts dawider
zu sagen wuste. Als nun etliche hörten/ daß
der mann sich zu ihnen begeben und herzu hat-
te sammlen lassen/ waren ihrer viel frölich/ und
rühmten viel davon.

Etliche aber unter selben (die sich gelehrter
als diese lehrer hielten und doch dem Dav. Jor.
mit Worten nicht konten gnug thun) woltens
nicht glauben/ sondern sagten: Wenns also
wäre/ so müste es nicht recht zugangen seyn. Et-
liche aber/ die noch draussen waren und der
andern ihr rühmen von dem manne hörten/
trugen reu und hertzeleid/ denn sie wurden de-
sto härter angefochten demselben auch nachzu-
folgen und ward daher die verfolgung so hart
gegen sie/ daß in allen städten nicht ein eintziger
frey gehen konte/ es wäre denn/ daß er unter
der erden frey seyn möchte/ wie diß alles offen-
bar genung ist/ was vor Edicta und Mandata
wider diese leute außgiengen/ also daß derselbe
mann sehr beängstigt war und bald hier/ bald
dar zu lauffen hatte/ und sich bey etlichen ums
geld/ bey etlichen durch alte bekantschafft/ bey et-
lichen durch freundschafft des wegen im verbor-
genen halten und weib und kind verlassen muste.
Darnach als es ostern war/ muste er aus noth
und drangsal hinweg und zog mit grossen ko-
sten heimlich doch sehr gefährlich fort/ weil er
sein weib und ein söhnlein (Joris genannt) bey
sich hatte/ welches allzeit hier und dar sorge
und gefahr verursachte/ fand aber unterwegen
gesellschafft/ die mit ihm nach Straßburg zo-
gen und meinte allda sich zu nehren und seine
kunst zu treiben. Aber eben desselben tages/
des Montags nach Pfingsten Anno 1535. da
er ankam/ kam einer/ der hieß Leenhardt (ein
metzger) und sprang als er ihn sahe/ vor er-
schreckung zurücke sagende: Bruder/ was
thustu hier in der gottlosen stadt? Und als er
ein wenig mit ihm gesprochen hatte das jenige/
wozu ihm die noth gedrungen/ gieng er in sei-
ne herberge/ denn der andere durffte ihn (sprach
er) weder haussen noch herbergen ohne mit con-
sens
der stadt herren. Und als er alles wol un-
tersuchet und keinen dienst oder werck vor sich
gefunden/ stund es ihm (wegen des wüsten
wilden wesens/ so er in der stadt von den kriegs-
leuten und andern buben/ wie auch von der ge-
mein sahe) nicht an/ in einer solchen unruhigen
herberge zu seyn und alleine da zubleiben/ denn
es war/ als wenn sie in einem läger wären/ und
wolte seine gesellschafft fahren lassen/ denn diese
wolte gleich wieder fortgehen.

Aber Dav. Jor. war keine 2. tage da/ sondern
zog wieder mit viel schwererem leid/ sorge und
angst des hertzens weg/ als er ankommen war-
Denn wo man ihn vorhin gesehen/ durffte er zum
[Spaltenumbruch] andernmal nicht vor der menschen augen kom-
men/ also daß wol unter zehen örtern kaum ei-
ner war/ da er nicht/ wenn man ihn sahe/ ange-
tastet wurde/ blieb derowegen einen tag oder 4.
im busch zur herberge/ und machte ein lied: O
Christen Geister
etc. wovon der innhalt dieser
war: Seyd allezeit bereit zum tode. Und
noch eins (wenn mir recht ist) Der HErr ist
König in Jsrael/
etc. auff die melodie: Ein
feste burg ist unser Gott.
Und als sichs zu-
trug/ daß einer nach Fließingen in Seeland
wolte und er gern zu Londen in Engelland ge-
west wäre/ ward er raths/ sampt den seinen
auch mit zureisen/ denn niederwerts zu kommen/
war es sehr gefährlich wegen seiner bekandt-
schafft. So zog er nun zu schiff in Gottes na-
men fort/ welches aber so ein elendes böses
schiff war/ daß es nicht viel fehlete/ daß sie ver-
truncken/ denn es wehete ein grosser wind. Als
er nun zu Fließingen ankam/ ward er von den
andern nicht einmal in eine herberge/ sondern
in ein schlaff-hauß (allwo ein jeglicher seine ei-
gene kost halten muste) geführet/ biß es guten
wind gabe/ alsdann wolte er in einem schiff/ das
auff der reise gewesen und wiederkommen/ fort-
fahren. Hier in diesem städtgen war er auch
nicht verborgen/ sondern in viel sorgen und
ängsten. Als es nun kam/ daß sie das schiff
nach dem winde bald abstiessen/ fuhren sie dahin
und befohlen ihn GOtt. Des Abends stund
der schiffer an der ruderbanck und sprach/ wenn
ein jeder noch einmal gestanden/ so wollen wir
in Engelland seyn. Er hatte das wort so bald
nicht ausgesprochen/ so stürmete der wind so
grausam/ daß man das segel und forderste seil
alles miteinander über balß und kopff streichen
muste/ und war ihnen entgegen/ und warff das
schiff gantz wieder rückwerts/ daß kein ruder
mehr hielt und ward so dunckel/ daß man nichts
als die grossen gewaltigen wellen in ihren
glantz sehen konte/ daß es auch ihnen allen schie-
ne/ als wenn das schiff alle augenblick solte über
und über geworffen werden.

Aber er befahl sich in so mancherley kümmer-
lichen begebenheiten GOtt/ und dachte unter
andern: O HErr soll und muß ich nun
hier mit stillschweigen vergehen/ der ich
so gerne viel lieber davor um deines na-
mens willen/ als also/ zu sterben verlang-
te/ ists müglich/ so laß uns hier davon
kommen und in deinem wort besser auff-
wachsen als wir noch sind.
Dis währte
nun die gantze finstere nacht durch/ daß die
schiffleute nicht wusten/ wo sie waren und mu-
sten mit angst des tages erwarten und flugs
wieder umkehren/ von dannen sie kommen wa-
ren/ und also kamen sie betrübt wieder an und
noch mit weit grösser beschwerung/ als sie vor
waren eingegangen/ auff einen andern tag oder
wind zu warten. Als er nun ins hauß recht
auff die kammer gegangen war/ kamen drey
männer von Engelland ins hauß/ redeten heim-
lich mit denen/ die darinn wonhafftig waren/
und sagten zu einem frembden/ was vor grosse
verfolgung allda wäre und wie heiß daß es von
dem roste gienge/ man kan nicht einkommen/
sagten sie/ ohne außforschung. Es sind etliche
die immer auff-und abgehen und was vor volck
einkommt/ das wird gleich verhöret und un-

tersucht.

Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens Beſchreibung.
[Spaltenumbruch] daß er auff einen andern abend mit 3. oder 4.
andern perſonen zu denſelben kam und uͤbergab
ſich dem HErrn/ begehrten auch mit der bedin-
gung in ihre gemeine auffgenommen zu wer-
den/ daß er von der menſchwerdung Chriſti
(welche ſie damals ſehr fleiſſig und noͤthig trie-
ben) reden wolte. Derſelbe HErr und Mei-
ſter Chriſtus/
ſprach er/ der hinunter ge-
fahren iſt biß in die unterſte oͤrter der er-
den/ glaub ich/ daß es eben derſelbe iſt/
der auffgefahren iſt uͤber alle himmel/

und ſuͤhrte davon den ſpruch Pauli an/ womit
er dann zufrieden war/ weil er nichts dawider
zu ſagen wuſte. Als nun etliche hoͤrten/ daß
der mann ſich zu ihnen begeben und herzu hat-
te ſammlen laſſen/ waren ihrer viel froͤlich/ und
ruͤhmten viel davon.

Etliche aber unter ſelben (die ſich gelehrter
als dieſe lehrer hielten und doch dem Dav. Jor.
mit Worten nicht konten gnug thun) woltens
nicht glauben/ ſondern ſagten: Wenns alſo
waͤre/ ſo muͤſte es nicht recht zugangen ſeyn. Et-
liche aber/ die noch drauſſen waren und der
andern ihr ruͤhmen von dem manne hoͤrten/
trugen reu und hertzeleid/ denn ſie wurden de-
ſto haͤrter angefochten demſelben auch nachzu-
folgen und ward daher die verfolgung ſo hart
gegen ſie/ daß in allen ſtaͤdten nicht ein eintziger
frey gehen konte/ es waͤre denn/ daß er unter
der erden frey ſeyn moͤchte/ wie diß alles offen-
bar genung iſt/ was vor Edicta und Mandata
wider dieſe leute außgiengen/ alſo daß derſelbe
mann ſehr beaͤngſtigt war und bald hier/ bald
dar zu lauffen hatte/ und ſich bey etlichen ums
geld/ bey etlichẽ durch alte bekantſchafft/ bey et-
lichen durch freundſchafft des wegen im verbor-
genen halten und weib uñ kind verlaſſen muſte.
Darnach als es oſtern war/ muſte er aus noth
und drangſal hinweg und zog mit groſſen ko-
ſten heimlich doch ſehr gefaͤhrlich fort/ weil er
ſein weib und ein ſoͤhnlein (Joris genannt) bey
ſich hatte/ welches allzeit hier und dar ſorge
und gefahr verurſachte/ fand aber unterwegen
geſellſchafft/ die mit ihm nach Straßburg zo-
gen und meinte allda ſich zu nehren und ſeine
kunſt zu treiben. Aber eben deſſelben tages/
des Montags nach Pfingſten Anno 1535. da
er ankam/ kam einer/ der hieß Leenhardt (ein
metzger) und ſprang als er ihn ſahe/ vor er-
ſchreckung zuruͤcke ſagende: Bruder/ was
thuſtu hier in der gottloſen ſtadt? Und als er
ein wenig mit ihm geſprochen hatte das jenige/
wozu ihm die noth gedrungen/ gieng er in ſei-
ne herberge/ denn der andere durffte ihn (ſprach
er) weder hauſſen noch herbergen ohne mit con-
ſens
der ſtadt herren. Und als er alles wol un-
terſuchet und keinen dienſt oder werck vor ſich
gefunden/ ſtund es ihm (wegen des wuͤſten
wilden weſens/ ſo er in der ſtadt von den kriegs-
leuten und andern buben/ wie auch von der ge-
mein ſahe) nicht an/ in einer ſolchen unruhigen
herberge zu ſeyn und alleine da zubleiben/ denn
es war/ als wenn ſie in einem laͤger waͤren/ und
wolte ſeine geſellſchafft fahren laſſen/ denn dieſe
wolte gleich wieder fortgehen.

Aber Dav. Jor. war keine 2. tage da/ ſondern
zog wieder mit viel ſchwererem leid/ ſorge und
angſt des hertzens weg/ als er ankommen war-
Deñ wo man ihn vorhin geſehen/ durffte er zum
[Spaltenumbruch] andernmal nicht vor der menſchen augen kom-
men/ alſo daß wol unter zehen oͤrtern kaum ei-
ner war/ da er nicht/ wenn man ihn ſahe/ ange-
taſtet wurde/ blieb derowegen einen tag oder 4.
im buſch zur herberge/ und machte ein lied: O
Chriſten Geiſter
ꝛc. wovon der innhalt dieſer
war: Seyd allezeit bereit zum tode. Und
noch eins (wenn mir recht iſt) Der HErr iſt
Koͤnig in Jſrael/
ꝛc. auff die melodie: Ein
feſte burg iſt unſer Gott.
Und als ſichs zu-
trug/ daß einer nach Fließingen in Seeland
wolte und er gern zu Londen in Engelland ge-
weſt waͤre/ ward er raths/ ſampt den ſeinen
auch mit zureiſen/ denn niederwerts zu kom̃en/
war es ſehr gefaͤhrlich wegen ſeiner bekandt-
ſchafft. So zog er nun zu ſchiff in Gottes na-
men fort/ welches aber ſo ein elendes boͤſes
ſchiff war/ daß es nicht viel fehlete/ daß ſie ver-
truncken/ denn es wehete ein groſſer wind. Als
er nun zu Fließingen ankam/ ward er von den
andern nicht einmal in eine herberge/ ſondern
in ein ſchlaff-hauß (allwo ein jeglicher ſeine ei-
gene koſt halten muſte) gefuͤhret/ biß es guten
wind gabe/ alsdañ wolte er in einem ſchiff/ das
auff der reiſe geweſen und wiederkommen/ fort-
fahren. Hier in dieſem ſtaͤdtgen war er auch
nicht verborgen/ ſondern in viel ſorgen und
aͤngſten. Als es nun kam/ daß ſie das ſchiff
nach dem winde bald abſtieſſen/ fuhren ſie dahin
und befohlen ihn GOtt. Des Abends ſtund
der ſchiffer an der ruderbanck und ſprach/ wenn
ein jeder noch einmal geſtanden/ ſo wollen wir
in Engelland ſeyn. Er hatte das wort ſo bald
nicht ausgeſprochen/ ſo ſtuͤrmete der wind ſo
grauſam/ daß man das ſegel und forderſte ſeil
alles miteinander uͤber balß und kopff ſtreichen
muſte/ und war ihnen entgegen/ und warff das
ſchiff gantz wieder ruͤckwerts/ daß kein ruder
mehr hielt und ward ſo dunckel/ daß man nichts
als die groſſen gewaltigen wellen in ihren
glantz ſehen konte/ daß es auch ihnen allen ſchie-
ne/ als wenn das ſchiff alle augenblick ſolte uͤber
und uͤber geworffen werden.

Aber er befahl ſich in ſo mancherley kuͤmmer-
lichen begebenheiten GOtt/ und dachte unter
andern: O HErr ſoll und muß ich nun
hier mit ſtillſchweigen vergehen/ der ich
ſo gerne viel lieber davor um deines na-
mens willen/ als alſo/ zu ſterben verlang-
te/ iſts muͤglich/ ſo laß uns hier davon
kommen und in deinem wort beſſer auff-
wachſen als wir noch ſind.
Dis waͤhrte
nun die gantze finſtere nacht durch/ daß die
ſchiffleute nicht wuſten/ wo ſie waren und mu-
ſten mit angſt des tages erwarten und flugs
wieder umkehren/ von dannen ſie kommen wa-
ren/ und alſo kamen ſie betruͤbt wieder an und
noch mit weit groͤſſer beſchwerung/ als ſie vor
waren eingegangen/ auff einen andern tag oder
wind zu warten. Als er nun ins hauß recht
auff die kammer gegangen war/ kamen drey
maͤnner von Engelland ins hauß/ redeten heim-
lich mit denen/ die darinn wonhafftig waren/
und ſagten zu einem frembden/ was vor groſſe
verfolgung allda waͤre und wie heiß daß es von
dem roſte gienge/ man kan nicht einkommen/
ſagten ſie/ ohne außforſchung. Es ſind etliche
die immer auff-und abgehen und was vor volck
einkommt/ das wird gleich verhoͤret und un-

terſucht.
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[404/0700] Th. IV. Sect. II. Num. XLVII. Dav. Joris Lebens Beſchreibung. daß er auff einen andern abend mit 3. oder 4. andern perſonen zu denſelben kam und uͤbergab ſich dem HErrn/ begehrten auch mit der bedin- gung in ihre gemeine auffgenommen zu wer- den/ daß er von der menſchwerdung Chriſti (welche ſie damals ſehr fleiſſig und noͤthig trie- ben) reden wolte. Derſelbe HErr und Mei- ſter Chriſtus/ ſprach er/ der hinunter ge- fahren iſt biß in die unterſte oͤrter der er- den/ glaub ich/ daß es eben derſelbe iſt/ der auffgefahren iſt uͤber alle himmel/ und ſuͤhrte davon den ſpruch Pauli an/ womit er dann zufrieden war/ weil er nichts dawider zu ſagen wuſte. Als nun etliche hoͤrten/ daß der mann ſich zu ihnen begeben und herzu hat- te ſammlen laſſen/ waren ihrer viel froͤlich/ und ruͤhmten viel davon. Etliche aber unter ſelben (die ſich gelehrter als dieſe lehrer hielten und doch dem Dav. Jor. mit Worten nicht konten gnug thun) woltens nicht glauben/ ſondern ſagten: Wenns alſo waͤre/ ſo muͤſte es nicht recht zugangen ſeyn. Et- liche aber/ die noch drauſſen waren und der andern ihr ruͤhmen von dem manne hoͤrten/ trugen reu und hertzeleid/ denn ſie wurden de- ſto haͤrter angefochten demſelben auch nachzu- folgen und ward daher die verfolgung ſo hart gegen ſie/ daß in allen ſtaͤdten nicht ein eintziger frey gehen konte/ es waͤre denn/ daß er unter der erden frey ſeyn moͤchte/ wie diß alles offen- bar genung iſt/ was vor Edicta und Mandata wider dieſe leute außgiengen/ alſo daß derſelbe mann ſehr beaͤngſtigt war und bald hier/ bald dar zu lauffen hatte/ und ſich bey etlichen ums geld/ bey etlichẽ durch alte bekantſchafft/ bey et- lichen durch freundſchafft des wegen im verbor- genen halten und weib uñ kind verlaſſen muſte. Darnach als es oſtern war/ muſte er aus noth und drangſal hinweg und zog mit groſſen ko- ſten heimlich doch ſehr gefaͤhrlich fort/ weil er ſein weib und ein ſoͤhnlein (Joris genannt) bey ſich hatte/ welches allzeit hier und dar ſorge und gefahr verurſachte/ fand aber unterwegen geſellſchafft/ die mit ihm nach Straßburg zo- gen und meinte allda ſich zu nehren und ſeine kunſt zu treiben. Aber eben deſſelben tages/ des Montags nach Pfingſten Anno 1535. da er ankam/ kam einer/ der hieß Leenhardt (ein metzger) und ſprang als er ihn ſahe/ vor er- ſchreckung zuruͤcke ſagende: Bruder/ was thuſtu hier in der gottloſen ſtadt? Und als er ein wenig mit ihm geſprochen hatte das jenige/ wozu ihm die noth gedrungen/ gieng er in ſei- ne herberge/ denn der andere durffte ihn (ſprach er) weder hauſſen noch herbergen ohne mit con- ſens der ſtadt herren. Und als er alles wol un- terſuchet und keinen dienſt oder werck vor ſich gefunden/ ſtund es ihm (wegen des wuͤſten wilden weſens/ ſo er in der ſtadt von den kriegs- leuten und andern buben/ wie auch von der ge- mein ſahe) nicht an/ in einer ſolchen unruhigen herberge zu ſeyn und alleine da zubleiben/ denn es war/ als wenn ſie in einem laͤger waͤren/ und wolte ſeine geſellſchafft fahren laſſen/ denn dieſe wolte gleich wieder fortgehen. Aber Dav. Jor. war keine 2. tage da/ ſondern zog wieder mit viel ſchwererem leid/ ſorge und angſt des hertzens weg/ als er ankommen war- Deñ wo man ihn vorhin geſehen/ durffte er zum andernmal nicht vor der menſchen augen kom- men/ alſo daß wol unter zehen oͤrtern kaum ei- ner war/ da er nicht/ wenn man ihn ſahe/ ange- taſtet wurde/ blieb derowegen einen tag oder 4. im buſch zur herberge/ und machte ein lied: O Chriſten Geiſter ꝛc. wovon der innhalt dieſer war: Seyd allezeit bereit zum tode. Und noch eins (wenn mir recht iſt) Der HErr iſt Koͤnig in Jſrael/ ꝛc. auff die melodie: Ein feſte burg iſt unſer Gott. Und als ſichs zu- trug/ daß einer nach Fließingen in Seeland wolte und er gern zu Londen in Engelland ge- weſt waͤre/ ward er raths/ ſampt den ſeinen auch mit zureiſen/ denn niederwerts zu kom̃en/ war es ſehr gefaͤhrlich wegen ſeiner bekandt- ſchafft. So zog er nun zu ſchiff in Gottes na- men fort/ welches aber ſo ein elendes boͤſes ſchiff war/ daß es nicht viel fehlete/ daß ſie ver- truncken/ denn es wehete ein groſſer wind. Als er nun zu Fließingen ankam/ ward er von den andern nicht einmal in eine herberge/ ſondern in ein ſchlaff-hauß (allwo ein jeglicher ſeine ei- gene koſt halten muſte) gefuͤhret/ biß es guten wind gabe/ alsdañ wolte er in einem ſchiff/ das auff der reiſe geweſen und wiederkommen/ fort- fahren. Hier in dieſem ſtaͤdtgen war er auch nicht verborgen/ ſondern in viel ſorgen und aͤngſten. Als es nun kam/ daß ſie das ſchiff nach dem winde bald abſtieſſen/ fuhren ſie dahin und befohlen ihn GOtt. Des Abends ſtund der ſchiffer an der ruderbanck und ſprach/ wenn ein jeder noch einmal geſtanden/ ſo wollen wir in Engelland ſeyn. Er hatte das wort ſo bald nicht ausgeſprochen/ ſo ſtuͤrmete der wind ſo grauſam/ daß man das ſegel und forderſte ſeil alles miteinander uͤber balß und kopff ſtreichen muſte/ und war ihnen entgegen/ und warff das ſchiff gantz wieder ruͤckwerts/ daß kein ruder mehr hielt und ward ſo dunckel/ daß man nichts als die groſſen gewaltigen wellen in ihren glantz ſehen konte/ daß es auch ihnen allen ſchie- ne/ als wenn das ſchiff alle augenblick ſolte uͤber und uͤber geworffen werden. Aber er befahl ſich in ſo mancherley kuͤmmer- lichen begebenheiten GOtt/ und dachte unter andern: O HErr ſoll und muß ich nun hier mit ſtillſchweigen vergehen/ der ich ſo gerne viel lieber davor um deines na- mens willen/ als alſo/ zu ſterben verlang- te/ iſts muͤglich/ ſo laß uns hier davon kommen und in deinem wort beſſer auff- wachſen als wir noch ſind. Dis waͤhrte nun die gantze finſtere nacht durch/ daß die ſchiffleute nicht wuſten/ wo ſie waren und mu- ſten mit angſt des tages erwarten und flugs wieder umkehren/ von dannen ſie kommen wa- ren/ und alſo kamen ſie betruͤbt wieder an und noch mit weit groͤſſer beſchwerung/ als ſie vor waren eingegangen/ auff einen andern tag oder wind zu warten. Als er nun ins hauß recht auff die kammer gegangen war/ kamen drey maͤnner von Engelland ins hauß/ redeten heim- lich mit denen/ die darinn wonhafftig waren/ und ſagten zu einem frembden/ was vor groſſe verfolgung allda waͤre und wie heiß daß es von dem roſte gienge/ man kan nicht einkommen/ ſagten ſie/ ohne außforſchung. Es ſind etliche die immer auff-und abgehen und was vor volck einkommt/ das wird gleich verhoͤret und un- terſucht.

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/700>, abgerufen am 22.12.2024.