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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Von Beförderung Gottes Wercks an uns etc.
[Spaltenumbruch] wiederwärtige in GOtt/ und allen Gottes-
sachen/ den wir auff erden/ im himmel und
hölle wider uns haben/ sind wir selber/ oder
ist unser eigen fleisch/ selbst-wille/ lust und
leben/ nicht das leibliche/ sichtbarliche/ son-
dern das innerliche fleisch und leben des her-
tzens/ welches sein erstes wesen im Geiste ver-
ändert/ aus oder durch ungehorsam in an-
oder auffsehen sein selbst verlassen/ und GOt-
tes eigen-wesen angenommen hat/ womit es
ein leib aus geist im fleisch/ fleisch und fleisch-
lich worden ist. Welches wir durch gehor-
sam des einfältigen Glaubens und Geistes
CHRisti nicht allein verlassen und davon
abstehen/ sondern auch hassen und wieder-
stand thun müssen/ als unsern grösten/ stärck-
sten/ allerbetrieglichsten und schädlichsten
feind. Darum versäumet/ verweilet und
verspätet euch nicht darinn/ von tage zu tage
mit euch fort zu eilen/ und in eurem beruff
und heimsuchung euch wieder von hertzen zu
dem HERRN zu kehren. Sehet hierinn ja
immer wol zu/ und vergesset doch eure eigne
wolfahrt (o meine kinder/ freunde und gebrü-
der) ja nicht; verachtet und verschmähet
GOttes güte und langmuth durch ungehor-
sam und frechheit/ das ist/ in euren stoltz
und unglauben nicht/ sondern lasset euch
GOttes auffsehen/ ehre und herrligkeit an
euch über alle dinge das liebste/ wertheste
und grösseste seyn; vertrauet und thut nach
seinem rath/ willen und wort/ sinn und ver-
stand von gantzem hertzen/ und aus allen eu-
ren kräfften; Fliehet euren eignen rath/ wil-
len und wort/ sinn/ geist und verstand/ ste-
het ihnen entgegen/ ja hasset sie; Folget
nicht eures eignen raths willen und gutdün-
ckel/ wie gut und schön er euch scheinet; Ge-
het auch nicht eurem eignen muthwillen nach/
wie gelehrt und vernünfftig ihr seyd/ sondern
werdet von hertzen einem kindlein gleich/ oder
ihr werdet nicht ins Reich GOttes kommen/
noch dasselbe besitzen.

Gedenckt nun hier an eure arbeit und
werck/ so ihr/ dieweil es tag ist/ in allerley
wiedrigkeit an eurem hertzen warzunehmen
habt; Seyd verständig und gutwillig/ auff-
richtig von hertzen; Gehet damit schnell/
nemlich mit einem gutwilligen/ geneigten/
gehorsamen hertzen/ sag ich/ von euch selbst
in eurem eigen-willen und werck eurer eignen
hoheit/ autorität/ ehre und schönheit eurer wol-
lüstigen gedancken oder einfälle aus und gleich
ab/ höret euch selbst hinfüro darin mit dem
verstande wissentlich nicht; achtet und hal-
tet es vor die grösten greuel/ sünden/ schul-
den und missethaten; Haltet/ was ich euch sa-
ge; Aller eurer ehre/ eurer glorie/ lob und
preiß/ allem eurem eigenem an-und auffsehen/
eurer muthwilligen eigenwilligkeit/ eurem lu-
stigem und begierlichem appetit oder wolge-
schmack und anmuth folget doch länger nicht
mehr/ beweist keinen stoltz oder einige selbheit
wider den HERRN/ last euch nicht länger
durch euch selbst die augen verkleistern/ und
düncken/ daß ihr was seyd/ vermöget/ wisset/
kennet und verstehet/ sondern nehmet recht das
wiederspiel an/ denn es ist also/ und ihr wer-
det euch samt allen menschen ungezweiffelt al-
so befinden; krieget ein einfältiges auge/ einen
[Spaltenumbruch] warhafften unterscheid/ nehmet eure zeit und
den tag eurer seligkeit darinn wahr.

So sehet nun vor euch/ hinter und weit
rings üm euch/ lasset euch nicht im verstande
betriegen/ von der lügen nicht belügen/ noch
von denjenigen/ die euch in einem schönem an-
gesichte/ und menschlichen bezauberischem
verstand verrücken/ oder durch der welt ur-
theil/ ehre und herrligkeit bewegen/ erschrecken
und verführen. Sehet GOtt in seinem ewi-NB.
gen worte/ geiste/ licht/ leben und verstand/
nicht euch selbst oder einigen menschen/ son-
dern euer letztes ende an: Summa/ lasset
euch das böse nicht überwinden/ sondern über-
windet ihr das böse mit gutem/ nemlich/ stehet
durch einen guten hertzlichen vollkommenen
willen euch selbst mit aller Göttlicher contrarie-
tät und uneinigkeit/ als nemlich in eurer eignen
selbheit/ lust des fleisches/ begierligkeit der au-
gen und hochmüthigkeit des hertzens überall
(was insonderheit des HErrn willen/ rath und
lehre dem Geiste nach contrair ist) hart entge-
gen; Sehet keinen pracht/ lob/ ehre noch preiß
oder verachtung an/ lasset fahren alle solche eit-
le ehre/ und nichts tügenden verlohrnen reich-
thum/ dann er ist nicht allein eitel/ nichts nütze
und vergeblich/ sondern tödlich/ höllisch und
verderblich/ und beschweret vielmehr das hertz/
sinn und gemüthe/ als daß ers durch seine man-
nigfaltige abzieh-und zerstreuung erleuchtet;
Suchet davor geistliche armuth/ verstehets/
trachtet nach aller kleinigkeit und niedrigkeit
des hertzens/ begehret keine menschliche zu-
flucht noch rath/ oder einigen trost an ihm.
Warum liebet ihr den rath und die lehre Got-
tes nicht? Warum folgt ihr den rechten
grund der seligkeit/ den weg zum leben und frie-
de nicht? Hütet euch vor der Rhetorischen
und Dialectischen wissenschafft.

Lasset weit von euch die feine menschliche eh-
re/ lob/ preiß und glorie/ deßgleichen eigen-gut-
dünckel/ weißheit und selbst-verstand/ denn sie
lügen und betriegen/ und halten euch in allerley
list/ lügen und betrug/ in aller blindheit/ irr-
thum und finsterniß gefangen; Darum stehet
euch selbst darinn entgegen; arbeitet mit krafft
euch selbst in solchem tödtlichen sinn und teuf-
flischen geburt unterzutretten/ und ohne anse-
hen euch selbst gefällig oder anmuthig zu seyn;
Was vor leiden euch hierüber zukomt von euch
selbst/ deß getröstet euch/ und leidet es gantz
und gar mit dem verstande von hertzen aus/
auff daß ihr GOttes werck und krafft an euch
zur seligkeit erleiden/ und warhafftig mit danck
annehmen/ und würdig seyn möget. Dazu
müsse euch/ und uns allen/ GOtt verhelffen/
Amen.

Welche euch hierzu in liebe rathen und helf-
fen/ die sollt ihr hören/ glauben/ und ohne be-
trug oder sorge nachfolgen/ aber nicht denen/
die euch schmeicheln/ nach euren gefallen reden/
oder mit sich selbst liebkosen/ und in einigen äus-
serlichen dienst-worten oder wercken helffen/
oder selig machen wollen/ die lügen und betrie-
gen euch; schlaget hier selbst hand an/ glau-
bet keinem freund oder bruder darinn/ ob er euch
hierinn noch so sehr entgegen/ oder mit euch im
fleische eins wäre/ und mit schönen worten/ als
die schlange bethören/ bestreichen/ oder falschen
frieden geben könte. Sehet vor euch/ wer sich

al-
A. K. H. Vierter Theil. A a a 2

Von Befoͤrderung Gottes Wercks an uns ꝛc.
[Spaltenumbruch] wiederwaͤrtige in GOtt/ und allen Gottes-
ſachen/ den wir auff erden/ im himmel und
hoͤlle wider uns haben/ ſind wir ſelber/ oder
iſt unſer eigen fleiſch/ ſelbſt-wille/ luſt und
leben/ nicht das leibliche/ ſichtbarliche/ ſon-
dern das innerliche fleiſch und leben des her-
tzens/ welches ſein erſtes weſen im Geiſte ver-
aͤndert/ aus oder durch ungehorſam in an-
oder auffſehen ſein ſelbſt verlaſſen/ und GOt-
tes eigen-weſen angenommen hat/ womit es
ein leib aus geiſt im fleiſch/ fleiſch und fleiſch-
lich worden iſt. Welches wir durch gehor-
ſam des einfaͤltigen Glaubens und Geiſtes
CHRiſti nicht allein verlaſſen und davon
abſtehen/ ſondern auch haſſen und wieder-
ſtand thun muͤſſen/ als unſern groͤſten/ ſtaͤrck-
ſten/ allerbetrieglichſten und ſchaͤdlichſten
feind. Darum verſaͤumet/ verweilet und
verſpaͤtet euch nicht darinn/ von tage zu tage
mit euch fort zu eilen/ und in eurem beruff
und heimſuchung euch wieder von hertzen zu
dem HERRN zu kehren. Sehet hierinn ja
immer wol zu/ und vergeſſet doch eure eigne
wolfahrt (o meine kinder/ freunde und gebruͤ-
der) ja nicht; verachtet und verſchmaͤhet
GOttes guͤte und langmuth durch ungehor-
ſam und frechheit/ das iſt/ in euren ſtoltz
und unglauben nicht/ ſondern laſſet euch
GOttes auffſehen/ ehre und herrligkeit an
euch uͤber alle dinge das liebſte/ wertheſte
und groͤſſeſte ſeyn; vertrauet und thut nach
ſeinem rath/ willen und wort/ ſinn und ver-
ſtand von gantzem hertzen/ und aus allen eu-
ren kraͤfften; Fliehet euren eignen rath/ wil-
len und wort/ ſinn/ geiſt und verſtand/ ſte-
het ihnen entgegen/ ja haſſet ſie; Folget
nicht eures eignen raths willen und gutduͤn-
ckel/ wie gut und ſchoͤn er euch ſcheinet; Ge-
het auch nicht eurem eignen muthwillen nach/
wie gelehrt und vernuͤnfftig ihr ſeyd/ ſondern
werdet von hertzen einem kindlein gleich/ oder
ihr werdet nicht ins Reich GOttes kommen/
noch daſſelbe beſitzen.

Gedenckt nun hier an eure arbeit und
werck/ ſo ihr/ dieweil es tag iſt/ in allerley
wiedrigkeit an eurem hertzen warzunehmen
habt; Seyd verſtaͤndig und gutwillig/ auff-
richtig von hertzen; Gehet damit ſchnell/
nemlich mit einem gutwilligen/ geneigten/
gehorſamen hertzen/ ſag ich/ von euch ſelbſt
in eurem eigen-willen und werck eurer eignen
hoheit/ autoritaͤt/ ehre und ſchoͤnheit eurer wol-
luͤſtigen gedancken oder einfaͤlle aus und gleich
ab/ hoͤret euch ſelbſt hinfuͤro darin mit dem
verſtande wiſſentlich nicht; achtet und hal-
tet es vor die groͤſten greuel/ ſuͤnden/ ſchul-
den und miſſethaten; Haltet/ was ich euch ſa-
ge; Aller eurer ehre/ eurer glorie/ lob und
preiß/ allem eurem eigenem an-und auffſehen/
eurer muthwilligen eigenwilligkeit/ eurem lu-
ſtigem und begierlichem appetit oder wolge-
ſchmack und anmuth folget doch laͤnger nicht
mehr/ beweiſt keinen ſtoltz oder einige ſelbheit
wider den HERRN/ laſt euch nicht laͤnger
durch euch ſelbſt die augen verkleiſtern/ und
duͤncken/ daß ihr was ſeyd/ vermoͤget/ wiſſet/
kennet und verſtehet/ ſondern nehmet recht das
wiederſpiel an/ denn es iſt alſo/ und ihr wer-
det euch ſamt allen menſchen ungezweiffelt al-
ſo befinden; krieget ein einfaͤltiges auge/ einen
[Spaltenumbruch] warhafften unterſcheid/ nehmet eure zeit und
den tag eurer ſeligkeit darinn wahr.

So ſehet nun vor euch/ hinter und weit
rings uͤm euch/ laſſet euch nicht im verſtande
betriegen/ von der luͤgen nicht beluͤgen/ noch
von denjenigen/ die euch in einem ſchoͤnem an-
geſichte/ und menſchlichen bezauberiſchem
verſtand verruͤcken/ oder durch der welt ur-
theil/ ehre und herrligkeit bewegen/ erſchrecken
und verfuͤhren. Sehet GOtt in ſeinem ewi-NB.
gen worte/ geiſte/ licht/ leben und verſtand/
nicht euch ſelbſt oder einigen menſchen/ ſon-
dern euer letztes ende an: Summa/ laſſet
euch das boͤſe nicht uͤberwinden/ ſondern uͤber-
windet ihr das boͤſe mit gutem/ nemlich/ ſtehet
durch einen guten hertzlichen vollkommenen
willen euch ſelbſt mit aller Goͤttlicher contrarie-
taͤt und uneinigkeit/ als nemlich in eurer eignen
ſelbheit/ luſt des fleiſches/ begierligkeit der au-
gen und hochmuͤthigkeit des hertzens uͤberall
(was inſonderheit des HErrn willen/ rath und
lehre dem Geiſte nach contrair iſt) hart entge-
gen; Sehet keinen pracht/ lob/ ehre noch preiß
oder verachtung an/ laſſet fahren alle ſolche eit-
le ehre/ und nichts tuͤgenden verlohrnen reich-
thum/ dann er iſt nicht allein eitel/ nichts nuͤtze
und vergeblich/ ſondern toͤdlich/ hoͤlliſch und
verderblich/ und beſchweret vielmehr das hertz/
ſinn und gemuͤthe/ als daß ers durch ſeine man-
nigfaltige abzieh-und zerſtreuung erleuchtet;
Suchet davor geiſtliche armuth/ verſtehets/
trachtet nach aller kleinigkeit und niedrigkeit
des hertzens/ begehret keine menſchliche zu-
flucht noch rath/ oder einigen troſt an ihm.
Warum liebet ihr den rath und die lehre Got-
tes nicht? Warum folgt ihr den rechten
grund der ſeligkeit/ den weg zum leben und frie-
de nicht? Huͤtet euch vor der Rhetoriſchen
und Dialectiſchen wiſſenſchafft.

Laſſet weit von euch die feine menſchliche eh-
re/ lob/ preiß und glorie/ deßgleichen eigen-gut-
duͤnckel/ weißheit und ſelbſt-verſtand/ denn ſie
luͤgen und betriegen/ und halten euch in allerley
liſt/ luͤgen und betrug/ in aller blindheit/ irr-
thum und finſterniß gefangen; Darum ſtehet
euch ſelbſt darinn entgegen; arbeitet mit krafft
euch ſelbſt in ſolchem toͤdtlichen ſinn und teuf-
fliſchen geburt unterzutretten/ und ohne anſe-
hen euch ſelbſt gefaͤllig oder anmuthig zu ſeyn;
Was vor leiden euch hieruͤber zukomt von euch
ſelbſt/ deß getroͤſtet euch/ und leidet es gantz
und gar mit dem verſtande von hertzen aus/
auff daß ihr GOttes werck und krafft an euch
zur ſeligkeit erleiden/ und warhafftig mit danck
annehmen/ und wuͤrdig ſeyn moͤget. Dazu
muͤſſe euch/ und uns allen/ GOtt verhelffen/
Amen.

Welche euch hierzu in liebe rathen und helf-
fen/ die ſollt ihr hoͤren/ glauben/ und ohne be-
trug oder ſorge nachfolgen/ aber nicht denen/
die euch ſchmeicheln/ nach euren gefallen reden/
oder mit ſich ſelbſt liebkoſen/ und in einigen aͤuſ-
ſerlichen dienſt-worten oder wercken helffen/
oder ſelig machen wollen/ die luͤgen und betrie-
gen euch; ſchlaget hier ſelbſt hand an/ glau-
bet keinem freund oder bruder darinn/ ob er euch
hierinn noch ſo ſehr entgegen/ oder mit euch im
fleiſche eins waͤre/ und mit ſchoͤnen worten/ als
die ſchlange bethoͤren/ beſtreichen/ oder falſchen
frieden geben koͤnte. Sehet vor euch/ wer ſich

al-
A. K. H. Vierter Theil. A a a 2
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[371/0667] Von Befoͤrderung Gottes Wercks an uns ꝛc. wiederwaͤrtige in GOtt/ und allen Gottes- ſachen/ den wir auff erden/ im himmel und hoͤlle wider uns haben/ ſind wir ſelber/ oder iſt unſer eigen fleiſch/ ſelbſt-wille/ luſt und leben/ nicht das leibliche/ ſichtbarliche/ ſon- dern das innerliche fleiſch und leben des her- tzens/ welches ſein erſtes weſen im Geiſte ver- aͤndert/ aus oder durch ungehorſam in an- oder auffſehen ſein ſelbſt verlaſſen/ und GOt- tes eigen-weſen angenommen hat/ womit es ein leib aus geiſt im fleiſch/ fleiſch und fleiſch- lich worden iſt. Welches wir durch gehor- ſam des einfaͤltigen Glaubens und Geiſtes CHRiſti nicht allein verlaſſen und davon abſtehen/ ſondern auch haſſen und wieder- ſtand thun muͤſſen/ als unſern groͤſten/ ſtaͤrck- ſten/ allerbetrieglichſten und ſchaͤdlichſten feind. Darum verſaͤumet/ verweilet und verſpaͤtet euch nicht darinn/ von tage zu tage mit euch fort zu eilen/ und in eurem beruff und heimſuchung euch wieder von hertzen zu dem HERRN zu kehren. Sehet hierinn ja immer wol zu/ und vergeſſet doch eure eigne wolfahrt (o meine kinder/ freunde und gebruͤ- der) ja nicht; verachtet und verſchmaͤhet GOttes guͤte und langmuth durch ungehor- ſam und frechheit/ das iſt/ in euren ſtoltz und unglauben nicht/ ſondern laſſet euch GOttes auffſehen/ ehre und herrligkeit an euch uͤber alle dinge das liebſte/ wertheſte und groͤſſeſte ſeyn; vertrauet und thut nach ſeinem rath/ willen und wort/ ſinn und ver- ſtand von gantzem hertzen/ und aus allen eu- ren kraͤfften; Fliehet euren eignen rath/ wil- len und wort/ ſinn/ geiſt und verſtand/ ſte- het ihnen entgegen/ ja haſſet ſie; Folget nicht eures eignen raths willen und gutduͤn- ckel/ wie gut und ſchoͤn er euch ſcheinet; Ge- het auch nicht eurem eignen muthwillen nach/ wie gelehrt und vernuͤnfftig ihr ſeyd/ ſondern werdet von hertzen einem kindlein gleich/ oder ihr werdet nicht ins Reich GOttes kommen/ noch daſſelbe beſitzen. Gedenckt nun hier an eure arbeit und werck/ ſo ihr/ dieweil es tag iſt/ in allerley wiedrigkeit an eurem hertzen warzunehmen habt; Seyd verſtaͤndig und gutwillig/ auff- richtig von hertzen; Gehet damit ſchnell/ nemlich mit einem gutwilligen/ geneigten/ gehorſamen hertzen/ ſag ich/ von euch ſelbſt in eurem eigen-willen und werck eurer eignen hoheit/ autoritaͤt/ ehre und ſchoͤnheit eurer wol- luͤſtigen gedancken oder einfaͤlle aus und gleich ab/ hoͤret euch ſelbſt hinfuͤro darin mit dem verſtande wiſſentlich nicht; achtet und hal- tet es vor die groͤſten greuel/ ſuͤnden/ ſchul- den und miſſethaten; Haltet/ was ich euch ſa- ge; Aller eurer ehre/ eurer glorie/ lob und preiß/ allem eurem eigenem an-und auffſehen/ eurer muthwilligen eigenwilligkeit/ eurem lu- ſtigem und begierlichem appetit oder wolge- ſchmack und anmuth folget doch laͤnger nicht mehr/ beweiſt keinen ſtoltz oder einige ſelbheit wider den HERRN/ laſt euch nicht laͤnger durch euch ſelbſt die augen verkleiſtern/ und duͤncken/ daß ihr was ſeyd/ vermoͤget/ wiſſet/ kennet und verſtehet/ ſondern nehmet recht das wiederſpiel an/ denn es iſt alſo/ und ihr wer- det euch ſamt allen menſchen ungezweiffelt al- ſo befinden; krieget ein einfaͤltiges auge/ einen warhafften unterſcheid/ nehmet eure zeit und den tag eurer ſeligkeit darinn wahr. So ſehet nun vor euch/ hinter und weit rings uͤm euch/ laſſet euch nicht im verſtande betriegen/ von der luͤgen nicht beluͤgen/ noch von denjenigen/ die euch in einem ſchoͤnem an- geſichte/ und menſchlichen bezauberiſchem verſtand verruͤcken/ oder durch der welt ur- theil/ ehre und herrligkeit bewegen/ erſchrecken und verfuͤhren. Sehet GOtt in ſeinem ewi- gen worte/ geiſte/ licht/ leben und verſtand/ nicht euch ſelbſt oder einigen menſchen/ ſon- dern euer letztes ende an: Summa/ laſſet euch das boͤſe nicht uͤberwinden/ ſondern uͤber- windet ihr das boͤſe mit gutem/ nemlich/ ſtehet durch einen guten hertzlichen vollkommenen willen euch ſelbſt mit aller Goͤttlicher contrarie- taͤt und uneinigkeit/ als nemlich in eurer eignen ſelbheit/ luſt des fleiſches/ begierligkeit der au- gen und hochmuͤthigkeit des hertzens uͤberall (was inſonderheit des HErrn willen/ rath und lehre dem Geiſte nach contrair iſt) hart entge- gen; Sehet keinen pracht/ lob/ ehre noch preiß oder verachtung an/ laſſet fahren alle ſolche eit- le ehre/ und nichts tuͤgenden verlohrnen reich- thum/ dann er iſt nicht allein eitel/ nichts nuͤtze und vergeblich/ ſondern toͤdlich/ hoͤlliſch und verderblich/ und beſchweret vielmehr das hertz/ ſinn und gemuͤthe/ als daß ers durch ſeine man- nigfaltige abzieh-und zerſtreuung erleuchtet; Suchet davor geiſtliche armuth/ verſtehets/ trachtet nach aller kleinigkeit und niedrigkeit des hertzens/ begehret keine menſchliche zu- flucht noch rath/ oder einigen troſt an ihm. Warum liebet ihr den rath und die lehre Got- tes nicht? Warum folgt ihr den rechten grund der ſeligkeit/ den weg zum leben und frie- de nicht? Huͤtet euch vor der Rhetoriſchen und Dialectiſchen wiſſenſchafft. NB. Laſſet weit von euch die feine menſchliche eh- re/ lob/ preiß und glorie/ deßgleichen eigen-gut- duͤnckel/ weißheit und ſelbſt-verſtand/ denn ſie luͤgen und betriegen/ und halten euch in allerley liſt/ luͤgen und betrug/ in aller blindheit/ irr- thum und finſterniß gefangen; Darum ſtehet euch ſelbſt darinn entgegen; arbeitet mit krafft euch ſelbſt in ſolchem toͤdtlichen ſinn und teuf- fliſchen geburt unterzutretten/ und ohne anſe- hen euch ſelbſt gefaͤllig oder anmuthig zu ſeyn; Was vor leiden euch hieruͤber zukomt von euch ſelbſt/ deß getroͤſtet euch/ und leidet es gantz und gar mit dem verſtande von hertzen aus/ auff daß ihr GOttes werck und krafft an euch zur ſeligkeit erleiden/ und warhafftig mit danck annehmen/ und wuͤrdig ſeyn moͤget. Dazu muͤſſe euch/ und uns allen/ GOtt verhelffen/ Amen. Welche euch hierzu in liebe rathen und helf- fen/ die ſollt ihr hoͤren/ glauben/ und ohne be- trug oder ſorge nachfolgen/ aber nicht denen/ die euch ſchmeicheln/ nach euren gefallen reden/ oder mit ſich ſelbſt liebkoſen/ und in einigen aͤuſ- ſerlichen dienſt-worten oder wercken helffen/ oder ſelig machen wollen/ die luͤgen und betrie- gen euch; ſchlaget hier ſelbſt hand an/ glau- bet keinem freund oder bruder darinn/ ob er euch hierinn noch ſo ſehr entgegen/ oder mit euch im fleiſche eins waͤre/ und mit ſchoͤnen worten/ als die ſchlange bethoͤren/ beſtreichen/ oder falſchen frieden geben koͤnte. Sehet vor euch/ wer ſich al- A. K. H. Vierter Theil. A a a 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/667>, abgerufen am 22.12.2024.