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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Von Beförderung GOttes Wercks in uns.
[Spaltenumbruch] heiligen GOTTES sachen/ nach der wahl
seines beruffs und ewigen unveränderlichen
ordnung geschehen/ ob sichs wohl gantz anders
in und bey denjenigen/ da es am allersorglich-
sten stehet/ aus eigen-weißheit und selbst-gut-
dünckel befinden lässet und zug het/ nemlich
bey denjenigen/ die dem tage oder der zeit im-
mer näher kommen sind/ wie weit sie auch
an sich oder durch sich selbst noch davon
sind.

Woher kommt das? Fürwar nirgends als
von gutdünckel/ eigen-weißheit/ menschlicher
wissenschafft und eigner selbheit/ so man auff al-
le weise abzulegen und als von denen grösten
tödtlichsten gifften auszugehen/ zu meiden oder
sich davor zu scheuen hat.

Frage? Warum das jetzo mehr als vor zeiten?
Antwort. Das will ich euch sagen: Als Adam
gantz alleine/ die boßheit und schalckheit ihm un-
bewust und ihm kein gleichnis oder vorbild zu ei-
ner öffentlichen anschauung und warnung vor
augen war/ als ihn allein das einfältige gute
wort des glaubens GOttes/ so ihm vorgetra-
1. B. Mos.
II. 17.
gen über zeuget hat: Welches tages du von
dem bau missest/ solt du des todes sterben:

war er (solte man freyer heraus sagen mögen)
desto eher beyzubringen/ als da er zu seiner
schwachheit ein exempel und auffmercken an
diesen/ jene an dem (gleichwie wir nun an
ihm und viel unzehlich andern mehr) gehabt
hat.

Jsts nicht so? Daher könnt ihr dencken/ daß
der liebreiche/ gütige/ gnädige und barmhertzige
GOTT sich seiner desto mehr samt allen un-
wissenden zugleich in und mit ihm erbarmete.
Wohlan/ also auch derjenigen/ die nach ihm ge-
kommen/ und in dem anfange des tages oder
der zeit der gnaden und seligkeit angenommen und
begonnen/ indem der mensch/ weil er mit der
nacht/ finsternis und nebel umfangen/ und in
grosser unwissenheit/ blindheit/ irrthum und
finsternis stecket/ durch sich selbst verfallen ist/
daß sie alle solche straffe und urtheil in ihren
sünden/ schulden und missethaten (nach mei-
nem glauben und erkäntnis) nicht tragen wer-
den/ als diejenigen/ die nach ihm gekommen/
viel mehr muthwillen und hoffart getrieben
haben/ ohne alles an-oder auffsehen der war-
nung/ so vielfältig in den vorigen den nach-
kommenden nachgelassen oder gegeben ist/ das
ist sicher und gewiß mit guten ursachen und
verstand/ daß die letzten/ sage ich/ mehr
hoffart und eigenen muthwillen oder selbheit
über alle warnung und befindlichkeit gebrau-
Joh.
XIX. 11.
chen. Denn der HERR sagt: Der mich
dir überantwortet hat/ der hats grös-
sere sünde.
Das waren die Schrifftgelehr-
ten und Phariseer/ die Hohen-Priester und
Luc. XX.
47.
Verkehrt-Gelehrten. Darum sagt er an ei-
nen andern ort: Diese werden schwerere
verdammnis haben;
weil ihrer sünden
Matth. X.
15.
mehr war. Und noch: Es soll Sodoma
und Gomorrha erträglicher ergehen am
tage des urtheils/ denn diesem lande
oder stadt.
u. s. f. Wie das? Darum/
daß zu ihnen das licht/ der tag und das Reich
GOTTES näher/ als zu den vorigen ge-
kommen war.

[Spaltenumbruch]

So nehme denn ein jeder den tag seiner vi-
sitation
oder heimsuchung und beruffung und
die zeit seiner wirckung in einem redlichen/
sanfft- und demüthigen und gedultigen her-
tzen recht genau und doch frölich wahr und be-
weiset rechte busse und besserung eurer selbst
an dem tage/ so lange er euch zu einem licht
dazu auffgegangen oder in gnaden zur besse-
rung gegeben ist/ denn er wird auffhören/
ein ende nehmen/ daß ihr ihn nicht mehr wer-
det wahrnehmen/ keine busse oder besserungNB.
mehr beweisen/ oder euch selbst nicht mehr ab-
legen und von euch ausgehen können. Denn
da wird kein werck noch weg der seligkeit/ wie-
der vor sich zu gehen/ mehr seyn/ nach dem
worte unsers HERRN JESU: Wir-Joh. IX.
4.

cket/ dieweil es tag ist/ es kommt
die nacht/ da niemand wircken kan.

Nun stehet uns allen hier zubedencken/ ehe
wir nach einem einigen wercke des menschen
auff erden uns umsehen und fragen/ wie groß
und nöthig es auch seyn möchte nach dem flei-
sche/ zu wissen/ zu erkennen und zu verste-
hen/ was vor ein werck es denn sey/ das
der HERR hier so ernstlich gemeinet und
benennet oder von uns gefordert hat. Alle
andere menschliche wercke/ die den menschen
auff erden/ oder in der welt zu handen stos-
sen/ sind diesen und jenen/ welche sie vor-
nehmen und durchführen/ wol bekandt/ wer-
den auch zu ihrer zeit nicht versäumet/ sondern
genau und wohl durch die einsehende gewisse
noth wahrgenommen/ daran man einen irr-
dischen wirckenden menschen mercken und recht
kennen lernen kan/ nemlich an seinem bauen/
pflantzen/ arbeit und wirckung oder sorgfäl-
tigkeit/ das er nicht so leicht versäumet oder
mehr vergisset/ als sich selbst. Aber aus al-
len diesen kan oder mag man keinen wah-
ren glaubigen oder Christen verspüren oder
darthun. Denn dieser ist von einer gantz an-
dern zuversicht und arbeit oder sorgfältigkeit/
welches wol zu glauben ist/ weil er Christlich
und nicht Adamisch/ d. i. irrdisch/ sondern
himmlisch gesinnet und gewillet ist/ welches ei-
nem rechten menschen von GOTT zukommt/
weil er sein leben nicht allein im brote/
sondern in allen worten hat/ welche da
kommen aus dem munde GOttes.

Was nun vor ein unterscheid hierinn (als
oben von den verschiedenen oder manchfalti-
gen gemeinen gemeldet) zu sehen sey/ daß ein je-
der seine besondere meinung/ eigensinn/ begriff
und verstand aus der schrifft/ nach jedes seinen
glauben einer vor den andern hat oder nimmet/
gehet uns vorjetzo (weil wirs nicht verbessern/
sondern vielmehr unsers kleinen ansehens und
achtung halben sie ärgern/ nicht aber gut machen
werden können) nichts an. Darum lassen wir
eines jeden glauben und opinion, grund/ sinn
und verstand/ willen und werck stehen und ihre
arbeit unbenennet/ auch GOTT und ihnen die
sache gantz befohlen bleiben/ und wollen unserm
einfältigem kleinem und wolberichtetem verstan-
de nach fortfahren und uns untereinander zu-
sammen der rechten wahren mutter der heiligen
kirchen/ gehorsamlich in dem einfältigem glau-
ben CHristi begeben und die ihr befohlen und
auch unterworffen sind/ alle vermahnet haben/
auff eines jeden sein eigen werck oder arbeit

acht

Von Befoͤrderung GOttes Wercks in uns.
[Spaltenumbruch] heiligen GOTTES ſachen/ nach der wahl
ſeines beruffs und ewigen unveraͤnderlichen
ordnung geſchehen/ ob ſichs wohl gantz anders
in und bey denjenigen/ da es am allerſorglich-
ſten ſtehet/ aus eigen-weißheit und ſelbſt-gut-
duͤnckel befinden laͤſſet und zug het/ nemlich
bey denjenigen/ die dem tage oder der zeit im-
mer naͤher kommen ſind/ wie weit ſie auch
an ſich oder durch ſich ſelbſt noch davon
ſind.

Woher kommt das? Fuͤrwar nirgends als
von gutduͤnckel/ eigen-weißheit/ menſchlicher
wiſſenſchafft und eigner ſelbheit/ ſo man auff al-
le weiſe abzulegen und als von denen groͤſten
toͤdtlichſten gifften auszugehen/ zu meiden oder
ſich davor zu ſcheuen hat.

Frage? Warum das jetzo mehr als vor zeiten?
Antwort. Das will ich euch ſagen: Als Adam
gantz alleine/ die boßheit und ſchalckheit ihm un-
bewuſt und ihm kein gleichnis oder vorbild zu ei-
ner oͤffentlichen anſchauung und warnung vor
augen war/ als ihn allein das einfaͤltige gute
wort des glaubens GOttes/ ſo ihm vorgetra-
1. B. Moſ.
II. 17.
gen uͤber zeuget hat: Welches tages du von
dem bau miſſeſt/ ſolt du des todes ſterben:

war er (ſolte man freyer heraus ſagen moͤgen)
deſto eher beyzubringen/ als da er zu ſeiner
ſchwachheit ein exempel und auffmercken an
dieſen/ jene an dem (gleichwie wir nun an
ihm und viel unzehlich andern mehr) gehabt
hat.

Jſts nicht ſo? Daher koͤnnt ihr dencken/ daß
der liebreiche/ guͤtige/ gnaͤdige und barmhertzige
GOTT ſich ſeiner deſto mehr ſamt allen un-
wiſſenden zugleich in und mit ihm erbarmete.
Wohlan/ alſo auch derjenigen/ die nach ihm ge-
kommen/ und in dem anfange des tages oder
der zeit der gnaden und ſeligkeit angenom̃en und
begonnen/ indem der menſch/ weil er mit der
nacht/ finſternis und nebel umfangen/ und in
groſſer unwiſſenheit/ blindheit/ irrthum und
finſternis ſtecket/ durch ſich ſelbſt verfallen iſt/
daß ſie alle ſolche ſtraffe und urtheil in ihren
ſuͤnden/ ſchulden und miſſethaten (nach mei-
nem glauben und erkaͤntnis) nicht tragen wer-
den/ als diejenigen/ die nach ihm gekommen/
viel mehr muthwillen und hoffart getrieben
haben/ ohne alles an-oder auffſehen der war-
nung/ ſo vielfaͤltig in den vorigen den nach-
kommenden nachgelaſſen oder gegeben iſt/ das
iſt ſicher und gewiß mit guten urſachen und
verſtand/ daß die letzten/ ſage ich/ mehr
hoffart und eigenen muthwillen oder ſelbheit
uͤber alle warnung und befindlichkeit gebrau-
Joh.
XIX. 11.
chen. Denn der HERR ſagt: Der mich
dir uͤberantwortet hat/ der hats groͤſ-
ſere ſuͤnde.
Das waren die Schrifftgelehr-
ten und Phariſeer/ die Hohen-Prieſter und
Luc. XX.
47.
Verkehrt-Gelehrten. Darum ſagt er an ei-
nen andern ort: Dieſe werden ſchwerere
verdammnis haben;
weil ihrer ſuͤnden
Matth. X.
15.
mehr war. Und noch: Es ſoll Sodoma
und Gomorrha ertraͤglicher ergehen am
tage des urtheils/ denn dieſem lande
oder ſtadt.
u. ſ. f. Wie das? Darum/
daß zu ihnen das licht/ der tag und das Reich
GOTTES naͤher/ als zu den vorigen ge-
kommen war.

[Spaltenumbruch]

So nehme denn ein jeder den tag ſeiner vi-
ſitation
oder heimſuchung und beruffung und
die zeit ſeiner wirckung in einem redlichen/
ſanfft- und demuͤthigen und gedultigen her-
tzen recht genau und doch froͤlich wahr und be-
weiſet rechte buſſe und beſſerung eurer ſelbſt
an dem tage/ ſo lange er euch zu einem licht
dazu auffgegangen oder in gnaden zur beſſe-
rung gegeben iſt/ denn er wird auffhoͤren/
ein ende nehmen/ daß ihr ihn nicht mehr wer-
det wahrnehmen/ keine buſſe oder beſſerungNB.
mehr beweiſen/ oder euch ſelbſt nicht mehr ab-
legen und von euch ausgehen koͤnnen. Denn
da wird kein werck noch weg der ſeligkeit/ wie-
der vor ſich zu gehen/ mehr ſeyn/ nach dem
worte unſers HERRN JESU: Wir-Joh. IX.
4.

cket/ dieweil es tag iſt/ es kommt
die nacht/ da niemand wircken kan.

Nun ſtehet uns allen hier zubedencken/ ehe
wir nach einem einigen wercke des menſchen
auff erden uns umſehen und fragen/ wie groß
und noͤthig es auch ſeyn moͤchte nach dem flei-
ſche/ zu wiſſen/ zu erkennen und zu verſte-
hen/ was vor ein werck es denn ſey/ das
der HERR hier ſo ernſtlich gemeinet und
benennet oder von uns gefordert hat. Alle
andere menſchliche wercke/ die den menſchen
auff erden/ oder in der welt zu handen ſtoſ-
ſen/ ſind dieſen und jenen/ welche ſie vor-
nehmen und durchfuͤhren/ wol bekandt/ wer-
den auch zu ihrer zeit nicht verſaͤumet/ ſondern
genau und wohl durch die einſehende gewiſſe
noth wahrgenommen/ daran man einen irr-
diſchen wirckenden menſchen mercken und recht
kennen lernen kan/ nemlich an ſeinem bauen/
pflantzen/ arbeit und wirckung oder ſorgfaͤl-
tigkeit/ das er nicht ſo leicht verſaͤumet oder
mehr vergiſſet/ als ſich ſelbſt. Aber aus al-
len dieſen kan oder mag man keinen wah-
ren glaubigen oder Chriſten verſpuͤren oder
darthun. Denn dieſer iſt von einer gantz an-
dern zuverſicht und arbeit oder ſorgfaͤltigkeit/
welches wol zu glauben iſt/ weil er Chriſtlich
und nicht Adamiſch/ d. i. irrdiſch/ ſondern
himmliſch geſinnet und gewillet iſt/ welches ei-
nem rechten menſchen von GOTT zukommt/
weil er ſein leben nicht allein im brote/
ſondern in allen worten hat/ welche da
kommen aus dem munde GOttes.

Was nun vor ein unterſcheid hierinn (als
oben von den verſchiedenen oder manchfalti-
gen gemeinen gemeldet) zu ſehen ſey/ daß ein je-
der ſeine beſondere meinung/ eigenſinn/ begriff
und verſtand aus der ſchrifft/ nach jedes ſeinen
glauben einer vor den andern hat oder nimmet/
gehet uns vorjetzo (weil wirs nicht verbeſſern/
ſondern vielmehr unſers kleinen anſehens und
achtung halben ſie aͤrgeꝛn/ nicht aber gut machen
werden koͤnnen) nichts an. Darum laſſen wir
eines jeden glauben und opinion, grund/ ſinn
und verſtand/ willen und werck ſtehen und ihre
arbeit unbenennet/ auch GOTT und ihnen die
ſache gantz befohlen bleiben/ und wollen unſerm
einfaͤltigem kleinem uñ wolberichtetem verſtan-
de nach fortfahren und uns untereinander zu-
ſammen der rechten wahren mutter der heiligen
kirchen/ gehorſamlich in dem einfaͤltigem glau-
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auff eines jeden ſein eigen werck oder arbeit

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[367/0663] Von Befoͤrderung GOttes Wercks in uns. heiligen GOTTES ſachen/ nach der wahl ſeines beruffs und ewigen unveraͤnderlichen ordnung geſchehen/ ob ſichs wohl gantz anders in und bey denjenigen/ da es am allerſorglich- ſten ſtehet/ aus eigen-weißheit und ſelbſt-gut- duͤnckel befinden laͤſſet und zug het/ nemlich bey denjenigen/ die dem tage oder der zeit im- mer naͤher kommen ſind/ wie weit ſie auch an ſich oder durch ſich ſelbſt noch davon ſind. Woher kommt das? Fuͤrwar nirgends als von gutduͤnckel/ eigen-weißheit/ menſchlicher wiſſenſchafft und eigner ſelbheit/ ſo man auff al- le weiſe abzulegen und als von denen groͤſten toͤdtlichſten gifften auszugehen/ zu meiden oder ſich davor zu ſcheuen hat. Frage? Warum das jetzo mehr als vor zeiten? Antwort. Das will ich euch ſagen: Als Adam gantz alleine/ die boßheit und ſchalckheit ihm un- bewuſt und ihm kein gleichnis oder vorbild zu ei- ner oͤffentlichen anſchauung und warnung vor augen war/ als ihn allein das einfaͤltige gute wort des glaubens GOttes/ ſo ihm vorgetra- gen uͤber zeuget hat: Welches tages du von dem bau miſſeſt/ ſolt du des todes ſterben: war er (ſolte man freyer heraus ſagen moͤgen) deſto eher beyzubringen/ als da er zu ſeiner ſchwachheit ein exempel und auffmercken an dieſen/ jene an dem (gleichwie wir nun an ihm und viel unzehlich andern mehr) gehabt hat. 1. B. Moſ. II. 17. Jſts nicht ſo? Daher koͤnnt ihr dencken/ daß der liebreiche/ guͤtige/ gnaͤdige und barmhertzige GOTT ſich ſeiner deſto mehr ſamt allen un- wiſſenden zugleich in und mit ihm erbarmete. Wohlan/ alſo auch derjenigen/ die nach ihm ge- kommen/ und in dem anfange des tages oder der zeit der gnaden und ſeligkeit angenom̃en und begonnen/ indem der menſch/ weil er mit der nacht/ finſternis und nebel umfangen/ und in groſſer unwiſſenheit/ blindheit/ irrthum und finſternis ſtecket/ durch ſich ſelbſt verfallen iſt/ daß ſie alle ſolche ſtraffe und urtheil in ihren ſuͤnden/ ſchulden und miſſethaten (nach mei- nem glauben und erkaͤntnis) nicht tragen wer- den/ als diejenigen/ die nach ihm gekommen/ viel mehr muthwillen und hoffart getrieben haben/ ohne alles an-oder auffſehen der war- nung/ ſo vielfaͤltig in den vorigen den nach- kommenden nachgelaſſen oder gegeben iſt/ das iſt ſicher und gewiß mit guten urſachen und verſtand/ daß die letzten/ ſage ich/ mehr hoffart und eigenen muthwillen oder ſelbheit uͤber alle warnung und befindlichkeit gebrau- chen. Denn der HERR ſagt: Der mich dir uͤberantwortet hat/ der hats groͤſ- ſere ſuͤnde. Das waren die Schrifftgelehr- ten und Phariſeer/ die Hohen-Prieſter und Verkehrt-Gelehrten. Darum ſagt er an ei- nen andern ort: Dieſe werden ſchwerere verdammnis haben; weil ihrer ſuͤnden mehr war. Und noch: Es ſoll Sodoma und Gomorrha ertraͤglicher ergehen am tage des urtheils/ denn dieſem lande oder ſtadt. u. ſ. f. Wie das? Darum/ daß zu ihnen das licht/ der tag und das Reich GOTTES naͤher/ als zu den vorigen ge- kommen war. Joh. XIX. 11. Luc. XX. 47. Matth. X. 15. So nehme denn ein jeder den tag ſeiner vi- ſitation oder heimſuchung und beruffung und die zeit ſeiner wirckung in einem redlichen/ ſanfft- und demuͤthigen und gedultigen her- tzen recht genau und doch froͤlich wahr und be- weiſet rechte buſſe und beſſerung eurer ſelbſt an dem tage/ ſo lange er euch zu einem licht dazu auffgegangen oder in gnaden zur beſſe- rung gegeben iſt/ denn er wird auffhoͤren/ ein ende nehmen/ daß ihr ihn nicht mehr wer- det wahrnehmen/ keine buſſe oder beſſerung mehr beweiſen/ oder euch ſelbſt nicht mehr ab- legen und von euch ausgehen koͤnnen. Denn da wird kein werck noch weg der ſeligkeit/ wie- der vor ſich zu gehen/ mehr ſeyn/ nach dem worte unſers HERRN JESU: Wir- cket/ dieweil es tag iſt/ es kommt die nacht/ da niemand wircken kan. Nun ſtehet uns allen hier zubedencken/ ehe wir nach einem einigen wercke des menſchen auff erden uns umſehen und fragen/ wie groß und noͤthig es auch ſeyn moͤchte nach dem flei- ſche/ zu wiſſen/ zu erkennen und zu verſte- hen/ was vor ein werck es denn ſey/ das der HERR hier ſo ernſtlich gemeinet und benennet oder von uns gefordert hat. Alle andere menſchliche wercke/ die den menſchen auff erden/ oder in der welt zu handen ſtoſ- ſen/ ſind dieſen und jenen/ welche ſie vor- nehmen und durchfuͤhren/ wol bekandt/ wer- den auch zu ihrer zeit nicht verſaͤumet/ ſondern genau und wohl durch die einſehende gewiſſe noth wahrgenommen/ daran man einen irr- diſchen wirckenden menſchen mercken und recht kennen lernen kan/ nemlich an ſeinem bauen/ pflantzen/ arbeit und wirckung oder ſorgfaͤl- tigkeit/ das er nicht ſo leicht verſaͤumet oder mehr vergiſſet/ als ſich ſelbſt. Aber aus al- len dieſen kan oder mag man keinen wah- ren glaubigen oder Chriſten verſpuͤren oder darthun. Denn dieſer iſt von einer gantz an- dern zuverſicht und arbeit oder ſorgfaͤltigkeit/ welches wol zu glauben iſt/ weil er Chriſtlich und nicht Adamiſch/ d. i. irrdiſch/ ſondern himmliſch geſinnet und gewillet iſt/ welches ei- nem rechten menſchen von GOTT zukommt/ weil er ſein leben nicht allein im brote/ ſondern in allen worten hat/ welche da kommen aus dem munde GOttes. NB. Joh. IX. 4. Was nun vor ein unterſcheid hierinn (als oben von den verſchiedenen oder manchfalti- gen gemeinen gemeldet) zu ſehen ſey/ daß ein je- der ſeine beſondere meinung/ eigenſinn/ begriff und verſtand aus der ſchrifft/ nach jedes ſeinen glauben einer vor den andern hat oder nimmet/ gehet uns vorjetzo (weil wirs nicht verbeſſern/ ſondern vielmehr unſers kleinen anſehens und achtung halben ſie aͤrgeꝛn/ nicht aber gut machen werden koͤnnen) nichts an. Darum laſſen wir eines jeden glauben und opinion, grund/ ſinn und verſtand/ willen und werck ſtehen und ihre arbeit unbenennet/ auch GOTT und ihnen die ſache gantz befohlen bleiben/ und wollen unſerm einfaͤltigem kleinem uñ wolberichtetem verſtan- de nach fortfahren und uns untereinander zu- ſammen der rechten wahren mutter der heiligen kirchen/ gehorſamlich in dem einfaͤltigem glau- ben CHriſti begeben und die ihr befohlen und auch unterworffen ſind/ alle vermahnet haben/ auff eines jeden ſein eigen werck oder arbeit acht

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/663>, abgerufen am 21.12.2024.