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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklärung.
[Spaltenumbruch] mehr verdunckclt und unterdrucket/ deßgleichen
auch ein böses unstätig gewissen auffrichtet.

Auff daß man aber diß alles gründlicher ver-
stehen möge/ und den wahren Christlichen glau-
ben von solchem gedichteten vernunfft-glauben
eigentlicher unterscheiden lerne/ auch den H.
Geist um den rechten glauben desto fleißiger zu
bitten ursach gewinne/ so will vonnöthen seyn
etwas weiter davon zureden. Darum sollen wir
kürtzlich mercken/ daß zu gleicher weise/ wie man
in Göttlichen sachen von zweyerley wort unter-
schiedlich redet/ davon wir nun geschrieben/
nemlich vom innerlichen worte des geistes/ und
vom äusserlichen wort des buchstabens: Also re-
det man auch von zweyerley glauben/ der sich
aus solchem zweyerley wort unterschiedlich
gebieret/ denn aus dem innerlichen wort des
geistes kommt ein geistlicher innerlicher le-
bendiger glaube/ dadurch wir in Christo allein
mit Gott handeln/ im hertzen seine Göttliche
gnade und barmhertzigkeit erkennen und anneh-
men/ und aus dem äusserlichen wort des buchsta-
bens kommt auch ein äusserlicher buchstabischer
historischer glaube von GOtt und Christo/ und
von allen wercken und äusserlichen geschichten/
wie die verkündiget und in H. Schrifft geschrie-
ben stehen.

Der äusserliche historische glaube in Göttli-
chen sachen ist das/ so der mensch den buchsta-
ben der H. Schrifft lieset/ oder das äusserliche
wort der predigt höret/ offt an der person des
Predigers hanget/ und ihm dasselbige allein
durch seinen fleiß und übung/ witz und kräffte
einbildet/ daraus er von Gott und Christo ei-
nen verstand oder erkäntniß schöpffet/ ein gewis-
sen machet/ gläubet also äusserlich/ daß die H.
Schrifft wahr/ und solchersein eingebildeter ver-
stand recht sey/ fassets ins gedächtniß/ gewinnet
lust und liebe dazu und hafftet daran/ welches
denn alles ein natürlicher mensch ohne dem geist
Gottes/ auch durch das licht der vernunfft oder
kräffte der natur eben als wol hiebey/ als in an-
dern menschlichen händeln thun kan/ ja auch so
fern/ daß er ihm etliche promission nach dem
buchstaben kan einbilden/ damit er sich kan trö-
sten/ eine zeitlang darauff verlassen/ auff Gottes
barmhertzigkeit hoffen/ trauen und wagen. So
er aber nichts erneuert/ noch frömmer im hertzen
wird/ so er in der liebe GOttes und absterbung
sein selbst nicht täglich zunimmt/ so er das wort
der gnaden nicht im hertzen fühlet/ und demsel-
ben im gehorsam nachlebet/ sondern stäts kalt im
alten wesen und fleischlichen begierden bleibet/
ists gewiß/ ob er auch die Bibel auswendig wü-
ste/ ob er alle promissiones hätte in sich gefasset/
ja mit Engel-zungen von Gott reden oder predi-
gen könnte/ und alle tage des H. Sacraments ge-
brauchte/ daß er doch noch für Gottkeinen rech-
ten glauben noch gewissen hat/ und nichts mehr
dann ein gemahltes bild/ ein thönend ertz oder
klingende schelle ist/ wie Paulus sagt 1. Cor.
XIII.

Dieses natürlichen vernunffts-glaubens art
und eigenschafft ist/ daß er Gott/ Christum und
das ewige leben in creaturen und äusserlichen
leiblichen dingen/ in zeit und stätte dieses wesens
hie und da suchet/ er kannun Gott und Chri-
stum ausser diesem irrdischen wesen/ ausser zeit
und leiblicher stelle/ im geist und in der wahrheit
nicht erreichen/ kürtzlich/ er muß an etwas äusser-
[Spaltenumbruch] lich blicken/ daran hafften/ und die seligkeit dar-
inn suchen/ es sey gleich was es wolle; wie er
denn auch so ferner allewege in den elementen
dieser welt/ brieff und siegel/ äusserlichen zeichen/
buch staben und dergleichen seine stärcke/ krafft
und versicherung pflegt zu suchen/ welchem aber
der Herr Christus die seligkeit durch sein urtheil
klar abgeschlagen/ und hat sie dem innerlichen
geistlichen glauben zugelegt/ da er zu dem Tho-
ma/ sagt: Dieweil du mich gesehen hast/ Tho-
ma so gläubest du/ selig seynd/ die da nicht sehen
(vernimm in solchem äusserlichen anblick) und
doch gläuben. Und aber Joh. IV. strafft er solchen
geschicht-oder mirackel-glauben/ da er zu dem
Königischen spricht: Wenn ihr nicht zeichen
und wunder schet/ so glaubet ihr nicht etc. Alle
diejenigen aber/ so dieses glaubens alleine sind/
die suchen allewege zeichen/ das ist/ sie wollen
durch andere äusserliche weise im gewissen ver-
sichert werden/ denn innerlich allein durch das
lebendige allmächtige wort JEsum CHristum
im H. Geiste.

Die menschen/ so in den tagen des fleisches
Christinur an seiner person/ mirackel oder äus-
serlichem wort hafften/ und allein darauff blick-
ten/ die nicht das ewige wort Gottes im fleische
wohnend erkannten/ und ihren glauben darauff
richteten/ die haben alle in der zeit des leidens
Christi abfallen und sich ärgern müssen/ war-
um? sie hatten nureinen fleischlichen Christum/
mit welche ihr fleischlicher glaube muste unterge-
hen/ und durch die aufferstehung ein gantz geist-
licher neuer Christus und glaube erwecket und
auffgerichtet werden. Item Joh. II. da er zu
Jerusalem auff dem feste war/ glaubten viel an
ihn/ da sie die zeichen sahen/ die er thät/ aber Je-
sus vertrauete sich ihnen nicht/ denn er kannte sie
alle/ und bedurffte nicht/ daß jemand zeugniß ge-
be von einem menschen/ denn er wuste wol was
im menschen war. Solchen äusserlichen glau-
ben haben auch gemeiniglich die Phariseer und
Schrifftgelehrten/ so allein in buchstäbischer er-
kantniß/ in menschlicher gerechtigkeit und wis-
sen/ in ihnen selbst vermessen und aufgeblasen ste-
hen/ und es heist schrifft-glaube/ welcher aus der
schriftohne Christo ist/ und am äusserlichen buch-
staben hafftet/ daraus er seinen grund und gewis-
sen hat geschöpffet; einen solchen glauben und ge-
wissen hat auch Paulus im Judenthum gehabt/
2. Tim. I. Daraus er die Christen verfolgte/ ach-
tete/ daß er Gott einen dienst daran thäte/ wie
noch heute etliche mehr thunkönnen. Wie aber
der Herrzu den Jüngern sagt: Es sey denn eure
gerechtigkeit überflüßiger/ denn der Schrifft-
gelehrten und Phariseer/ so werdet ihr nicht in
das himmelreich kommen; also muß auch der
wahren Christen glaube überflüßiger/ besser
und mehr seyn/ er muß nicht allein aus dem äus-
serlichen wort des Göttlichen buchstabens ge-
lernet seyn/ sondern vielmehr aus dem innerli-
chen lebendigen wort/ das Gott selber ist/ her-
fliessen/ von GOtt gehöret/ empfangen und
zum ewigen leben gefasset werden. Darum
so ist es viel ein anders an Gottes natürlichem le-
bendigem worte mit dem hertze hafften/ denn am
wort des Göttlichen buchstabens alleine haff-
ten/ und daran glauben/ wie wir nun zum theil
gehöret/ und/ wills Gott/ noch weiter hören wer-
den.

Dieser äusserliche historische glaube wird

gleich-
A. K. H. Vierter Theil. Z

Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung.
[Spaltenumbruch] mehr verdunckclt und unterdrucket/ deßgleichen
auch ein boͤſes unſtaͤtig gewiſſen auffrichtet.

Auff daß man aber diß alles gruͤndlicher ver-
ſtehen moͤge/ und den wahren Chriſtlichen glau-
ben von ſolchem gedichteten vernunfft-glauben
eigentlicher unterſcheiden lerne/ auch den H.
Geiſt um den rechten glauben deſto fleißiger zu
bitten urſach gewinne/ ſo will vonnoͤthen ſeyn
etwas weiter davon zureden. Darum ſollen wir
kuͤrtzlich mercken/ daß zu gleicher weiſe/ wie man
in Goͤttlichen ſachen von zweyerley wort unter-
ſchiedlich redet/ davon wir nun geſchrieben/
nemlich vom innerlichen worte des geiſtes/ und
vom aͤuſſerlichen wort des buchſtabens: Alſo re-
det man auch von zweyerley glauben/ der ſich
aus ſolchem zweyerley wort unterſchiedlich
gebieret/ denn aus dem innerlichen wort des
geiſtes kommt ein geiſtlicher innerlicher le-
bendiger glaube/ dadurch wir in Chriſto allein
mit Gott handeln/ im hertzen ſeine Goͤttliche
gnade und barmhertzigkeit erkennen und anneh-
men/ und aus dem aͤuſſerlichen wort des buchſta-
bens kommt auch ein aͤuſſerlicher buchſtabiſcher
hiſtoriſcher glaube von GOtt und Chriſto/ und
von allen wercken und aͤuſſerlichen geſchichten/
wie die verkuͤndiget und in H. Schrifft geſchrie-
ben ſtehen.

Der aͤuſſerliche hiſtoriſche glaube in Goͤttli-
chen ſachen iſt das/ ſo der menſch den buchſta-
ben der H. Schrifft lieſet/ oder das aͤuſſerliche
wort der predigt hoͤret/ offt an der perſon des
Predigers hanget/ und ihm daſſelbige allein
durch ſeinen fleiß und uͤbung/ witz und kraͤffte
einbildet/ daraus er von Gott und Chriſto ei-
nen verſtand oder erkaͤntniß ſchoͤpffet/ ein gewiſ-
ſen machet/ glaͤubet alſo aͤuſſerlich/ daß die H.
Schꝛifft wahr/ und ſolcheꝛſein eingebildeter ver-
ſtand recht ſey/ faſſets ins gedaͤchtniß/ gewinnet
luſt und liebe dazu und hafftet daran/ welches
denn alles ein natuͤrlicher menſch ohne dem geiſt
Gottes/ auch durch das licht der vernunfft oder
kraͤffte der natur eben als wol hiebey/ als in an-
dern menſchlichen haͤndeln thun kan/ ja auch ſo
fern/ daß er ihm etliche promiſſion nach dem
buchſtaben kan einbilden/ damit er ſich kan troͤ-
ſten/ eine zeitlang darauff verlaſſen/ auff Gottes
barmhertzigkeit hoffen/ trauen und wagen. So
er aber nichts erneuert/ noch froͤmmer im hertzen
wird/ ſo er in der liebe GOttes und abſterbung
ſein ſelbſt nicht taͤglich zunimmt/ ſo er das wort
der gnaden nicht im hertzen fuͤhlet/ und demſel-
ben im gehorſam nachlebet/ ſondern ſtaͤts kalt im
alten weſen und fleiſchlichen begierden bleibet/
iſts gewiß/ ob er auch die Bibel auswendig wuͤ-
ſte/ ob er alle promiſſiones haͤtte in ſich gefaſſet/
ja mit Engel-zungen von Gott reden oder predi-
gen koͤnnte/ und alle tage des H. Sacraments ge-
brauchte/ daß er doch noch fuͤr Gottkeinen rech-
ten glauben noch gewiſſen hat/ und nichts mehr
dann ein gemahltes bild/ ein thoͤnend ertz oder
klingende ſchelle iſt/ wie Paulus ſagt 1. Cor.
XIII.

Dieſes natuͤrlichen vernunffts-glaubens art
und eigenſchafft iſt/ daß er Gott/ Chriſtum und
das ewige leben in creaturen und aͤuſſerlichen
leiblichen dingen/ in zeit und ſtaͤtte dieſes weſens
hie und da ſuchet/ er kannun Gott und Chri-
ſtum auſſer dieſem irꝛdiſchen weſen/ auſſer zeit
und leiblicher ſtelle/ im geiſt und in der wahrheit
nicht erreichen/ kuͤrtzlich/ er muß an etwas aͤuſſer-
[Spaltenumbruch] lich blicken/ daran hafften/ und die ſeligkeit dar-
inn ſuchen/ es ſey gleich was es wolle; wie er
denn auch ſo ferner allewege in den elementen
dieſer welt/ brieff und ſiegel/ aͤuſſerlichen zeichen/
buch ſtaben und dergleichen ſeine ſtaͤrcke/ krafft
und verſicherung pflegt zu ſuchen/ welchem aber
der Herꝛ Chriſtus die ſeligkeit durch ſein urtheil
klar abgeſchlagen/ und hat ſie dem innerlichen
geiſtlichen glauben zugelegt/ da er zu dem Tho-
ma/ ſagt: Dieweil du mich geſehen haſt/ Tho-
ma ſo glaͤubeſt du/ ſelig ſeynd/ die da nicht ſehen
(vernimm in ſolchem aͤuſſerlichen anblick) und
doch glaͤuben. Und aber Joh. IV. ſtrafft er ſolchen
geſchicht-oder mirackel-glauben/ da er zu dem
Koͤnigiſchen ſpricht: Wenn ihr nicht zeichen
und wunder ſchet/ ſo glaubet ihr nicht ꝛc. Alle
diejenigen aber/ ſo dieſes glaubens alleine ſind/
die ſuchen allewege zeichen/ das iſt/ ſie wollen
durch andere aͤuſſerliche weiſe im gewiſſen ver-
ſichert werden/ denn innerlich allein durch das
lebendige allmaͤchtige wort JEſum CHriſtum
im H. Geiſte.

Die menſchen/ ſo in den tagen des fleiſches
Chriſtinur an ſeiner perſon/ mirackel oder aͤuſ-
ſerlichem wort hafften/ und allein darauff blick-
ten/ die nicht das ewige wort Gottes im fleiſche
wohnend erkannten/ und ihren glauben darauff
richteten/ die haben alle in der zeit des leidens
Chriſti abfallen und ſich aͤrgern muͤſſen/ war-
um? ſie hatten nureinen fleiſchlichen Chriſtum/
mit welchē ihr fleiſchlicher glaube muſte unterge-
hen/ und durch die aufferſtehung ein gantz geiſt-
licher neuer Chriſtus und glaube erwecket und
auffgerichtet werden. Item Joh. II. da er zu
Jeruſalem auff dem feſte war/ glaubten viel an
ihn/ da ſie die zeichen ſahen/ die er thaͤt/ aber Je-
ſus veꝛtrauete ſich ihnen nicht/ denn er kannte ſie
alle/ und bedurffte nicht/ daß jemand zeugniß ge-
be von einem menſchen/ denn er wuſte wol was
im menſchen war. Solchen aͤuſſerlichen glau-
ben haben auch gemeiniglich die Phariſeer und
Schrifftgelehrten/ ſo allein in buchſtaͤbiſcher er-
kantniß/ in menſchlicher gerechtigkeit und wiſ-
ſen/ in ihnen ſelbſt vermeſſen und aufgeblaſen ſte-
hen/ und es heiſt ſchrifft-glaube/ welcher aus der
ſchriftohne Chriſto iſt/ und am aͤuſſeꝛlichen buch-
ſtaben hafftet/ daraus er ſeinen grund und gewiſ-
ſen hat geſchoͤpffet; einen ſolchen glauben und ge-
wiſſen hat auch Paulus im Judenthum gehabt/
2. Tim. I. Daraus er die Chriſten verfolgte/ ach-
tete/ daß er Gott einen dienſt daran thaͤte/ wie
noch heute etliche mehr thunkoͤnnen. Wie aber
der Herꝛzu den Juͤngern ſagt: Es ſey denn eure
gerechtigkeit uͤberfluͤßiger/ denn der Schrifft-
gelehrten und Phariſeer/ ſo werdet ihr nicht in
das himmelreich kommen; alſo muß auch der
wahren Chriſten glaube uͤberfluͤßiger/ beſſer
und mehr ſeyn/ er muß nicht allein aus dem aͤuſ-
ſerlichen wort des Goͤttlichen buchſtabens ge-
lernet ſeyn/ ſondern vielmehr aus dem innerli-
chen lebendigen wort/ das Gott ſelber iſt/ her-
flieſſen/ von GOtt gehoͤret/ empfangen und
zum ewigen leben gefaſſet werden. Darum
ſo iſt es viel ein andeꝛs an Gottes natuͤꝛlichem le-
bendigem worte mit dem hertzē hafften/ denn am
wort des Goͤttlichen buchſtabens alleine haff-
ten/ und daran glauben/ wie wir nun zum theil
gehoͤret/ und/ wills Gott/ noch weiter hoͤren wer-
den.

Dieſer aͤuſſerliche hiſtoriſche glaube wird

gleich-
A. K. H. Vierter Theil. Z
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[177/0473] Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung. mehr verdunckclt und unterdrucket/ deßgleichen auch ein boͤſes unſtaͤtig gewiſſen auffrichtet. Auff daß man aber diß alles gruͤndlicher ver- ſtehen moͤge/ und den wahren Chriſtlichen glau- ben von ſolchem gedichteten vernunfft-glauben eigentlicher unterſcheiden lerne/ auch den H. Geiſt um den rechten glauben deſto fleißiger zu bitten urſach gewinne/ ſo will vonnoͤthen ſeyn etwas weiter davon zureden. Darum ſollen wir kuͤrtzlich mercken/ daß zu gleicher weiſe/ wie man in Goͤttlichen ſachen von zweyerley wort unter- ſchiedlich redet/ davon wir nun geſchrieben/ nemlich vom innerlichen worte des geiſtes/ und vom aͤuſſerlichen wort des buchſtabens: Alſo re- det man auch von zweyerley glauben/ der ſich aus ſolchem zweyerley wort unterſchiedlich gebieret/ denn aus dem innerlichen wort des geiſtes kommt ein geiſtlicher innerlicher le- bendiger glaube/ dadurch wir in Chriſto allein mit Gott handeln/ im hertzen ſeine Goͤttliche gnade und barmhertzigkeit erkennen und anneh- men/ und aus dem aͤuſſerlichen wort des buchſta- bens kommt auch ein aͤuſſerlicher buchſtabiſcher hiſtoriſcher glaube von GOtt und Chriſto/ und von allen wercken und aͤuſſerlichen geſchichten/ wie die verkuͤndiget und in H. Schrifft geſchrie- ben ſtehen. Der aͤuſſerliche hiſtoriſche glaube in Goͤttli- chen ſachen iſt das/ ſo der menſch den buchſta- ben der H. Schrifft lieſet/ oder das aͤuſſerliche wort der predigt hoͤret/ offt an der perſon des Predigers hanget/ und ihm daſſelbige allein durch ſeinen fleiß und uͤbung/ witz und kraͤffte einbildet/ daraus er von Gott und Chriſto ei- nen verſtand oder erkaͤntniß ſchoͤpffet/ ein gewiſ- ſen machet/ glaͤubet alſo aͤuſſerlich/ daß die H. Schꝛifft wahr/ und ſolcheꝛſein eingebildeter ver- ſtand recht ſey/ faſſets ins gedaͤchtniß/ gewinnet luſt und liebe dazu und hafftet daran/ welches denn alles ein natuͤrlicher menſch ohne dem geiſt Gottes/ auch durch das licht der vernunfft oder kraͤffte der natur eben als wol hiebey/ als in an- dern menſchlichen haͤndeln thun kan/ ja auch ſo fern/ daß er ihm etliche promiſſion nach dem buchſtaben kan einbilden/ damit er ſich kan troͤ- ſten/ eine zeitlang darauff verlaſſen/ auff Gottes barmhertzigkeit hoffen/ trauen und wagen. So er aber nichts erneuert/ noch froͤmmer im hertzen wird/ ſo er in der liebe GOttes und abſterbung ſein ſelbſt nicht taͤglich zunimmt/ ſo er das wort der gnaden nicht im hertzen fuͤhlet/ und demſel- ben im gehorſam nachlebet/ ſondern ſtaͤts kalt im alten weſen und fleiſchlichen begierden bleibet/ iſts gewiß/ ob er auch die Bibel auswendig wuͤ- ſte/ ob er alle promiſſiones haͤtte in ſich gefaſſet/ ja mit Engel-zungen von Gott reden oder predi- gen koͤnnte/ und alle tage des H. Sacraments ge- brauchte/ daß er doch noch fuͤr Gottkeinen rech- ten glauben noch gewiſſen hat/ und nichts mehr dann ein gemahltes bild/ ein thoͤnend ertz oder klingende ſchelle iſt/ wie Paulus ſagt 1. Cor. XIII. Dieſes natuͤrlichen vernunffts-glaubens art und eigenſchafft iſt/ daß er Gott/ Chriſtum und das ewige leben in creaturen und aͤuſſerlichen leiblichen dingen/ in zeit und ſtaͤtte dieſes weſens hie und da ſuchet/ er kannun Gott und Chri- ſtum auſſer dieſem irꝛdiſchen weſen/ auſſer zeit und leiblicher ſtelle/ im geiſt und in der wahrheit nicht erreichen/ kuͤrtzlich/ er muß an etwas aͤuſſer- lich blicken/ daran hafften/ und die ſeligkeit dar- inn ſuchen/ es ſey gleich was es wolle; wie er denn auch ſo ferner allewege in den elementen dieſer welt/ brieff und ſiegel/ aͤuſſerlichen zeichen/ buch ſtaben und dergleichen ſeine ſtaͤrcke/ krafft und verſicherung pflegt zu ſuchen/ welchem aber der Herꝛ Chriſtus die ſeligkeit durch ſein urtheil klar abgeſchlagen/ und hat ſie dem innerlichen geiſtlichen glauben zugelegt/ da er zu dem Tho- ma/ ſagt: Dieweil du mich geſehen haſt/ Tho- ma ſo glaͤubeſt du/ ſelig ſeynd/ die da nicht ſehen (vernimm in ſolchem aͤuſſerlichen anblick) und doch glaͤuben. Und aber Joh. IV. ſtrafft er ſolchen geſchicht-oder mirackel-glauben/ da er zu dem Koͤnigiſchen ſpricht: Wenn ihr nicht zeichen und wunder ſchet/ ſo glaubet ihr nicht ꝛc. Alle diejenigen aber/ ſo dieſes glaubens alleine ſind/ die ſuchen allewege zeichen/ das iſt/ ſie wollen durch andere aͤuſſerliche weiſe im gewiſſen ver- ſichert werden/ denn innerlich allein durch das lebendige allmaͤchtige wort JEſum CHriſtum im H. Geiſte. Die menſchen/ ſo in den tagen des fleiſches Chriſtinur an ſeiner perſon/ mirackel oder aͤuſ- ſerlichem wort hafften/ und allein darauff blick- ten/ die nicht das ewige wort Gottes im fleiſche wohnend erkannten/ und ihren glauben darauff richteten/ die haben alle in der zeit des leidens Chriſti abfallen und ſich aͤrgern muͤſſen/ war- um? ſie hatten nureinen fleiſchlichen Chriſtum/ mit welchē ihr fleiſchlicher glaube muſte unterge- hen/ und durch die aufferſtehung ein gantz geiſt- licher neuer Chriſtus und glaube erwecket und auffgerichtet werden. Item Joh. II. da er zu Jeruſalem auff dem feſte war/ glaubten viel an ihn/ da ſie die zeichen ſahen/ die er thaͤt/ aber Je- ſus veꝛtrauete ſich ihnen nicht/ denn er kannte ſie alle/ und bedurffte nicht/ daß jemand zeugniß ge- be von einem menſchen/ denn er wuſte wol was im menſchen war. Solchen aͤuſſerlichen glau- ben haben auch gemeiniglich die Phariſeer und Schrifftgelehrten/ ſo allein in buchſtaͤbiſcher er- kantniß/ in menſchlicher gerechtigkeit und wiſ- ſen/ in ihnen ſelbſt vermeſſen und aufgeblaſen ſte- hen/ und es heiſt ſchrifft-glaube/ welcher aus der ſchriftohne Chriſto iſt/ und am aͤuſſeꝛlichen buch- ſtaben hafftet/ daraus er ſeinen grund und gewiſ- ſen hat geſchoͤpffet; einen ſolchen glauben und ge- wiſſen hat auch Paulus im Judenthum gehabt/ 2. Tim. I. Daraus er die Chriſten verfolgte/ ach- tete/ daß er Gott einen dienſt daran thaͤte/ wie noch heute etliche mehr thunkoͤnnen. Wie aber der Herꝛzu den Juͤngern ſagt: Es ſey denn eure gerechtigkeit uͤberfluͤßiger/ denn der Schrifft- gelehrten und Phariſeer/ ſo werdet ihr nicht in das himmelreich kommen; alſo muß auch der wahren Chriſten glaube uͤberfluͤßiger/ beſſer und mehr ſeyn/ er muß nicht allein aus dem aͤuſ- ſerlichen wort des Goͤttlichen buchſtabens ge- lernet ſeyn/ ſondern vielmehr aus dem innerli- chen lebendigen wort/ das Gott ſelber iſt/ her- flieſſen/ von GOtt gehoͤret/ empfangen und zum ewigen leben gefaſſet werden. Darum ſo iſt es viel ein andeꝛs an Gottes natuͤꝛlichem le- bendigem worte mit dem hertzē hafften/ denn am wort des Goͤttlichen buchſtabens alleine haff- ten/ und daran glauben/ wie wir nun zum theil gehoͤret/ und/ wills Gott/ noch weiter hoͤren wer- den. Dieſer aͤuſſerliche hiſtoriſche glaube wird gleich- A. K. H. Vierter Theil. Z

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/473>, abgerufen am 24.11.2024.