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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklärung.
[Spaltenumbruch] nerley weise mag empfangen werden/ und daß
auch nicht um solches worts willen weder der
H. Geist im tauffwasser/ als etliche fürgegeben/
noch der leib und blut CHristi im brod und
weine wesendlich seyn können.

Nun halten gleichwol diejenigen (die das
äusserliche wort mehr denn billig erheben/ in
deme/ so sie ihm Göttliche ehre zulegen) daß
der leib und blut CHristi in dieses wort verfas-
set sey worden/ oder auch noch verfasset werde;
und weil der HErr CHristus im Nachtmahl
gesagt/ wie geschrieben: Das ist mein leib etc.
so sey der leib CHristi/ wenn man diese worte
im handel redet oder lieset/ auch vonwegen sol-
cher worte sobald im brode/ und unter der ge-
stalt desselben allda leiblich gegenwärtig. Sol-
che opinion und fürgeben hat gar einen feinen
schein und ansehen/ so die wort CHristi ihrer
vernunfft nach allein fleischlich/ als eines men-
schen wort richte/ und bey dene/ welche sich nicht
höher um die Göttliche ewige wahrheit/ um
die art/ eigenschafft und natur GOttes wor-
tes/ denn nach dem buchstaben bekümmern/
und also allein das wort annehmen: Denn wie
gesaget/ sie lassen sich bedüncken/ weil die schrifft
überall GOttes wort so fast preiset/ und dem-
selbigen alle GOttes wercke/ als es wol billig
ist/ zueignet/ es solle dergleichen das wort in
buchstaben verfasset/ und also vom diener fürge-
tragen/ in diesem falle auch so viel vermögen oder
ausrichten können/ sonderlich dieweil so klare hel-
le worte/ die auch einem kinde ihres fleischlichen
bedünckens verständlich/ allda für augen stehen.

Zu deme hilfft denn meisterlich/ daß ihrer et-
liche sagen/ so bald man die worte des Nacht-
mals mit den augen sehe/ und mit den ohren
höre/ soll man sie also ins hertz und seele fassen/
wie sie lauten (vernimm nach ihrem irrigen ver-
stande und auslegung) und also denn soll man
augen und ohren zuschliessen/ sich nicht weiter
bekümmern/ auch nicht fragen/ sondern gleich-
sam dabey blind seyn/ und nur starck und fest
glauben/ man habe den leib und blut CHristi
aus krafft derselbigen worte im brod und wein
empfangen/ oder so bald sie übers brod gespro-
chen/ würde das brod verwandelt/ und unter
seiner gestalt der leib CHristi allda leiblich ge-
nossen; solches heissen sie denn auch den leib
CHristi beede leiblich mit dem munde/ und
geistlich mit der seelen essen. Und das ist alle
derjenige grund/ lehr und fürgeben/ damit sie
sich unterstehen das auffgehende licht Göttli-
cher wahrheit auszuleschen/ darneben auch ih-
ren irrthum beym geheimniß der menschwer-
dung CHristi/ mit einem gedichten glauben
zuzudecken/ wie sie den gedachten verstand und
auslegung der worte des Nachtmals nicht mit
dem minsten pünctlein der H. Schrifft haben zu
beweisen. Es wolte sich aber wol geziemen/
und wär auch fast das allernöthigste/ daß man
etwas mehr achtung darauff hätte/ und erforsch-
te im glauben/ was solches für ein wort sey/
dem die H. Schrifft so viel zugiebet/ ob es das
geschriebene äusserliche wort und laut sey/ oder
aber/ ob es nicht vielmehr ein ander höher herrli-
cher wort seyn müsse/ denn das ein jeglicher
natürlicher mensch vermöge zu erreichen/ aus-
zusprechen/ zu verstehen/ und seines gefallens
in sich zu fassen.

2. Was eigentlich GOttes wort sey/
was die art/ natur und eigenschafft
desselben vermöge.
[Spaltenumbruch]

Darum so ist nun diß die summa von GOt-
tes worte/ daß GOttes natürliches wahrhaff-
tiges wort/ darinn auch himmel und erde/ der
leib und blut JEsu CHristi getragen/ beschlos-
sen/ erkannt und empfangen werden/ dasselbige
ist das ewige allmächtige wort/ die weißheit/
die rechte hand/ der Sohn GOttes des himm-
lischen Vaters/ und wie vor gesagt/ es ist der
HErr CHristus/ durch welchen/ in welchem und
zu welchem alle dinge seynd geschaffen. Dieses
wort wird von niemanden geredet/ denn allein
von GOtt dem Vater in CHristo/ und es kan
nichts anders seyn/ denn das was er redt; es ist
geist/ licht und das ewige leben/ erleuchtet und
macht alles das lebendig/ darinn es wahrhafftig
ist und weset; es wird auch von niemanden ge-
hört oder verstanden/ denn von den geistlichen
neuen menschen und kindern GOttes/ denen al-
lein ist es hell und klar/ die von oben herab ge-
boren worden aus dem wasser Göttlicher gna-
den/ und aus dem H. Geist/ und allein aus dem
gehöre dieses wortes ist der wahre rechte lebedige
glaube. Rom. X. Vo solchem wort und sonst von
keinem andern redet GOtt der HErr durch den
Propheten Esaiam/ da er spricht: das wort/
das da abgehet von meinem munde/ wird nicht
leer wieder zu mir kehren/ sondern es wird alles
ausrichten/ was mich gelüstet/ und ihm wirds ge-
lingen in allem/ dazu ichs gesendet habe: Denn es
ist das wort voller krafft und bringet alle schätze
und reichthümer mit/ die es verheisset und da-
von es redet.

Jn diesem wort stehet das rechte lebendige
ewige Evangelium/ die krafft GOttes/ Christ-
liche freyheit/ friede und freude/ Göttliche ge-
rechtigkeit und alle geistliche güter des lebens.
Wer dieses wort mit dem Hertzen annimt/ dar-
innen bleibet/ und darauff bauet/ der wird ver-
gleichet einem klugen manne/ der sein haus auff
einen felsen bauet/ er ist ein rechter jünger Chri-
sti (welches man denn billig möchte einen Ev-
angelischen mann heissen) er erkennet die wahr-
heit/ und die warheit macht ihn frey/ rein und
heilig von allen sünden/ und beschützet ihn
für aller anfechtung der welt. Diese wahrheit
aber/ ist nichts anders/ denn der Sohn GOt-
tes unser HErr JEsus CHristus/ im H. Geiste.
Wer aber auff den buchstaben und auff das an-
dere äusserliche wort alleine bauet/ der wird ei-
nem thörichten manne vergleichet/ der sein hauß
auff den sand bauet/ und die einfallenden gewäs-
ser/ und webenden winde/ das ist/ die anfechtun-
gen der sünde/ und alle widerwärtigkeiten dieser
welt werden ihn überwältigen/ und sein fall wird
so groß werden/ daß er für GOtt endlich keinen
beystand mag haben. Das wort/ davon wir
allhie reden (nemlich das für uns ist mensch
worden/ unser HErr JEsus) ist die einige
grundfeste und der köstliche eckstein/ (aber ach
Gott! noch heute von vielen bauleuten verworf-
fen) auff welches waserley bau in einander ver-
fasset wird/ der wächst zum heiligen tempel im
HErrn/ auff welches denn auch allein die ge-
meine aller Christglaubigen menschen/ das ist
die heilige Christliche kirche wird gebauet/ und
dadurch regieret und erhalten im H. Geiste.

Dieses lebendige wort GOttes haben die
Apostel äusserlich verkündiget/ und durch ihr
predigamt nur darauff geweiset; wie es denn noch
heute in der gantzen Christenheit solte verkündi-

get

Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung.
[Spaltenumbruch] nerley weiſe mag empfangen werden/ und daß
auch nicht um ſolches worts willen weder der
H. Geiſt im tauffwaſſer/ als etliche fuͤrgegeben/
noch der leib und blut CHriſti im brod und
weine weſendlich ſeyn koͤnnen.

Nun halten gleichwol diejenigen (die das
aͤuſſerliche wort mehr denn billig erheben/ in
deme/ ſo ſie ihm Goͤttliche ehre zulegen) daß
der leib und blut CHriſti in dieſes wort verfaſ-
ſet ſey worden/ oder auch noch verfaſſet werde;
und weil der HErꝛ CHriſtus im Nachtmahl
geſagt/ wie geſchrieben: Das iſt mein leib ꝛc.
ſo ſey der leib CHriſti/ wenn man dieſe worte
im handel redet oder lieſet/ auch vonwegen ſol-
cher worte ſobald im brode/ und unter der ge-
ſtalt deſſelben allda leiblich gegenwaͤrtig. Sol-
che opinion und fuͤrgeben hat gar einen feinen
ſchein und anſehen/ ſo die wort CHriſti ihrer
vernunfft nach allein fleiſchlich/ als eines men-
ſchen wort richtē/ und bey denē/ welche ſich nicht
hoͤher um die Goͤttliche ewige wahrheit/ um
die art/ eigenſchafft und natur GOttes wor-
tes/ denn nach dem buchſtaben bekuͤmmern/
und alſo allein das wort annehmen: Denn wie
geſaget/ ſie laſſen ſich beduͤncken/ weil die ſchrifft
uͤberall GOttes wort ſo faſt preiſet/ und dem-
ſelbigen alle GOttes wercke/ als es wol billig
iſt/ zueignet/ es ſolle dergleichen das wort in
buchſtaben verfaſſet/ und alſo vom diener fuͤrge-
tragen/ in dieſem falle auch ſo viel veꝛmoͤgen odeꝛ
ausrichten koͤnnen/ ſondeꝛlich dieweil ſo klaꝛe hel-
le worte/ die auch einem kinde ihres fleiſchlichen
beduͤnckens verſtaͤndlich/ allda fuͤr augen ſtehen.

Zu deme hilfft denn meiſterlich/ daß ihrer et-
liche ſagen/ ſo bald man die worte des Nacht-
mals mit den augen ſehe/ und mit den ohren
hoͤre/ ſoll man ſie alſo ins hertz und ſeele faſſen/
wie ſie lauten (vernimm nach ihrem irrigen ver-
ſtande und auslegung) und alſo denn ſoll man
augen und ohren zuſchlieſſen/ ſich nicht weiter
bekuͤmmern/ auch nicht fragen/ ſondern gleich-
ſam dabey blind ſeyn/ und nur ſtarck und feſt
glauben/ man habe den leib und blut CHriſti
aus krafft derſelbigen worte im brod und wein
empfangen/ oder ſo bald ſie uͤbers brod geſpro-
chen/ wuͤrde das brod verwandelt/ und unter
ſeiner geſtalt der leib CHriſti allda leiblich ge-
noſſen; ſolches heiſſen ſie denn auch den leib
CHriſti beede leiblich mit dem munde/ und
geiſtlich mit der ſeelen eſſen. Und das iſt alle
derjenige grund/ lehr und fuͤrgeben/ damit ſie
ſich unterſtehen das auffgehende licht Goͤttli-
cher wahrheit auszuleſchen/ darneben auch ih-
ren irꝛthum beym geheimniß der menſchwer-
dung CHriſti/ mit einem gedichten glauben
zuzudecken/ wie ſie den gedachten verſtand und
auslegung der worte des Nachtmals nicht mit
dem minſten puͤnctlein der H. Schrifft haben zu
beweiſen. Es wolte ſich aber wol geziemen/
und waͤr auch faſt das allernoͤthigſte/ daß man
etwas mehr achtung darauff haͤtte/ und erforſch-
te im glauben/ was ſolches fuͤr ein wort ſey/
dem die H. Schrifft ſo viel zugiebet/ ob es das
geſchriebene aͤuſſerliche wort und laut ſey/ oder
aber/ ob es nicht vielmehr ein ander hoͤher herꝛli-
cher wort ſeyn muͤſſe/ denn das ein jeglicher
natuͤrlicher menſch vermoͤge zu erreichen/ aus-
zuſprechen/ zu verſtehen/ und ſeines gefallens
in ſich zu faſſen.

2. Was eigentlich GOttes wort ſey/
was die art/ natur und eigenſchafft
deſſelben vermoͤge.
[Spaltenumbruch]

Darum ſo iſt nun diß die ſumma von GOt-
tes worte/ daß GOttes natuͤrliches wahrhaff-
tiges wort/ darinn auch himmel und erde/ der
leib und blut JEſu CHriſti getragen/ beſchloſ-
ſen/ erkannt und empfangen werden/ daſſelbige
iſt das ewige allmaͤchtige wort/ die weißheit/
die rechte hand/ der Sohn GOttes des himm-
liſchen Vaters/ und wie vor geſagt/ es iſt der
HErꝛ CHriſtus/ durch welchen/ in welchem und
zu welchem alle dinge ſeynd geſchaffen. Dieſes
wort wird von niemanden geredet/ denn allein
von GOtt dem Vater in CHriſto/ und es kan
nichts anders ſeyn/ denn das was er redt; es iſt
geiſt/ licht und das ewige leben/ erleuchtet und
macht alles das lebendig/ darinn es wahrhafftig
iſt und weſet; es wird auch von niemanden ge-
hoͤrt oder verſtanden/ denn von den geiſtlichen
neuen menſchen und kindern GOttes/ denen al-
lein iſt es hell und klar/ die von oben herab ge-
boren worden aus dem waſſer Goͤttlicher gna-
den/ und aus dem H. Geiſt/ und allein aus dem
gehoͤꝛe dieſes woꝛtes iſt deꝛ wahre ꝛechte lebēdige
glaube. Rom. X. Võ ſolchem wort uñ ſonſt von
keinem andern redet GOtt der HErꝛ durch den
Propheten Eſaiam/ da er ſpricht: das wort/
das da abgehet von meinem munde/ wird nicht
leer wieder zu mir kehren/ ſondern es wird alles
ausꝛichten/ was mich geluͤſtet/ uñ ihm wiꝛds ge-
lingen in allem/ dazu ichs geſendet habe: Denn es
iſt das wort voller krafft und bringet alle ſchaͤtze
und reichthuͤmer mit/ die es verheiſſet und da-
von es redet.

Jn dieſem wort ſtehet das rechte lebendige
ewige Evangelium/ die krafft GOttes/ Chriſt-
liche freyheit/ friede und freude/ Goͤttliche ge-
rechtigkeit und alle geiſtliche guͤter des lebens.
Wer dieſes wort mit dem Hertzen annimt/ dar-
innen bleibet/ und darauff bauet/ der wird ver-
gleichet einem klugen manne/ der ſein haus auff
einen felſen bauet/ er iſt ein rechter juͤnger Chri-
ſti (welches man denn billig moͤchte einen Ev-
angeliſchen mann heiſſen) er erkennet die wahr-
heit/ und die warheit macht ihn frey/ rein und
heilig von allen ſuͤnden/ und beſchuͤtzet ihn
fuͤr aller anfechtung der welt. Dieſe wahrheit
aber/ iſt nichts anders/ denn der Sohn GOt-
tes unſer HErꝛ JEſus CHriſtus/ im H. Geiſte.
Wer aber auff den buchſtaben und auff das an-
dere aͤuſſerliche wort alleine bauet/ der wird ei-
nem thoͤrichten manne vergleichet/ der ſein hauß
auff den ſand bauet/ und die einfallenden gewaͤſ-
ſer/ und webenden winde/ das iſt/ die anfechtun-
gen der ſuͤnde/ und alle widerwaͤrtigkeiten dieſer
welt weꝛden ihn uͤbeꝛwaͤltigen/ und ſein fall wiꝛd
ſo groß werden/ daß er fuͤr GOtt endlich keinen
beyſtand mag haben. Das wort/ davon wir
allhie reden (nemlich das fuͤr uns iſt menſch
worden/ unſer HErꝛ JEſus) iſt die einige
grundfeſte und der koͤſtliche eckſtein/ (aber ach
Gott! noch heute von vielen bauleuten verworf-
fen) auff welches waſerley bau in einander ver-
faſſet wird/ der waͤchſt zum heiligen tempel im
HErrn/ auff welches denn auch allein die ge-
meine aller Chriſtglaubigen menſchen/ das iſt
die heilige Chriſtliche kirche wird gebauet/ und
dadurch regieret und erhalten im H. Geiſte.

Dieſes lebendige wort GOttes haben die
Apoſtel aͤuſſerlich verkuͤndiget/ und durch ihr
pꝛedigamt nuꝛ daꝛauff geweiſet; wie es denn noch
heute in der gantzen Chriſtenheit ſolte verkuͤndi-

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[174/0470] Th. IV. Sect. II. Num. XXIV. Schwenckfelds fernere erklaͤrung. nerley weiſe mag empfangen werden/ und daß auch nicht um ſolches worts willen weder der H. Geiſt im tauffwaſſer/ als etliche fuͤrgegeben/ noch der leib und blut CHriſti im brod und weine weſendlich ſeyn koͤnnen. Nun halten gleichwol diejenigen (die das aͤuſſerliche wort mehr denn billig erheben/ in deme/ ſo ſie ihm Goͤttliche ehre zulegen) daß der leib und blut CHriſti in dieſes wort verfaſ- ſet ſey worden/ oder auch noch verfaſſet werde; und weil der HErꝛ CHriſtus im Nachtmahl geſagt/ wie geſchrieben: Das iſt mein leib ꝛc. ſo ſey der leib CHriſti/ wenn man dieſe worte im handel redet oder lieſet/ auch vonwegen ſol- cher worte ſobald im brode/ und unter der ge- ſtalt deſſelben allda leiblich gegenwaͤrtig. Sol- che opinion und fuͤrgeben hat gar einen feinen ſchein und anſehen/ ſo die wort CHriſti ihrer vernunfft nach allein fleiſchlich/ als eines men- ſchen wort richtē/ und bey denē/ welche ſich nicht hoͤher um die Goͤttliche ewige wahrheit/ um die art/ eigenſchafft und natur GOttes wor- tes/ denn nach dem buchſtaben bekuͤmmern/ und alſo allein das wort annehmen: Denn wie geſaget/ ſie laſſen ſich beduͤncken/ weil die ſchrifft uͤberall GOttes wort ſo faſt preiſet/ und dem- ſelbigen alle GOttes wercke/ als es wol billig iſt/ zueignet/ es ſolle dergleichen das wort in buchſtaben verfaſſet/ und alſo vom diener fuͤrge- tragen/ in dieſem falle auch ſo viel veꝛmoͤgen odeꝛ ausrichten koͤnnen/ ſondeꝛlich dieweil ſo klaꝛe hel- le worte/ die auch einem kinde ihres fleiſchlichen beduͤnckens verſtaͤndlich/ allda fuͤr augen ſtehen. Zu deme hilfft denn meiſterlich/ daß ihrer et- liche ſagen/ ſo bald man die worte des Nacht- mals mit den augen ſehe/ und mit den ohren hoͤre/ ſoll man ſie alſo ins hertz und ſeele faſſen/ wie ſie lauten (vernimm nach ihrem irrigen ver- ſtande und auslegung) und alſo denn ſoll man augen und ohren zuſchlieſſen/ ſich nicht weiter bekuͤmmern/ auch nicht fragen/ ſondern gleich- ſam dabey blind ſeyn/ und nur ſtarck und feſt glauben/ man habe den leib und blut CHriſti aus krafft derſelbigen worte im brod und wein empfangen/ oder ſo bald ſie uͤbers brod geſpro- chen/ wuͤrde das brod verwandelt/ und unter ſeiner geſtalt der leib CHriſti allda leiblich ge- noſſen; ſolches heiſſen ſie denn auch den leib CHriſti beede leiblich mit dem munde/ und geiſtlich mit der ſeelen eſſen. Und das iſt alle derjenige grund/ lehr und fuͤrgeben/ damit ſie ſich unterſtehen das auffgehende licht Goͤttli- cher wahrheit auszuleſchen/ darneben auch ih- ren irꝛthum beym geheimniß der menſchwer- dung CHriſti/ mit einem gedichten glauben zuzudecken/ wie ſie den gedachten verſtand und auslegung der worte des Nachtmals nicht mit dem minſten puͤnctlein der H. Schrifft haben zu beweiſen. Es wolte ſich aber wol geziemen/ und waͤr auch faſt das allernoͤthigſte/ daß man etwas mehr achtung darauff haͤtte/ und erforſch- te im glauben/ was ſolches fuͤr ein wort ſey/ dem die H. Schrifft ſo viel zugiebet/ ob es das geſchriebene aͤuſſerliche wort und laut ſey/ oder aber/ ob es nicht vielmehr ein ander hoͤher herꝛli- cher wort ſeyn muͤſſe/ denn das ein jeglicher natuͤrlicher menſch vermoͤge zu erreichen/ aus- zuſprechen/ zu verſtehen/ und ſeines gefallens in ſich zu faſſen. 2. Was eigentlich GOttes wort ſey/ was die art/ natur und eigenſchafft deſſelben vermoͤge. Darum ſo iſt nun diß die ſumma von GOt- tes worte/ daß GOttes natuͤrliches wahrhaff- tiges wort/ darinn auch himmel und erde/ der leib und blut JEſu CHriſti getragen/ beſchloſ- ſen/ erkannt und empfangen werden/ daſſelbige iſt das ewige allmaͤchtige wort/ die weißheit/ die rechte hand/ der Sohn GOttes des himm- liſchen Vaters/ und wie vor geſagt/ es iſt der HErꝛ CHriſtus/ durch welchen/ in welchem und zu welchem alle dinge ſeynd geſchaffen. Dieſes wort wird von niemanden geredet/ denn allein von GOtt dem Vater in CHriſto/ und es kan nichts anders ſeyn/ denn das was er redt; es iſt geiſt/ licht und das ewige leben/ erleuchtet und macht alles das lebendig/ darinn es wahrhafftig iſt und weſet; es wird auch von niemanden ge- hoͤrt oder verſtanden/ denn von den geiſtlichen neuen menſchen und kindern GOttes/ denen al- lein iſt es hell und klar/ die von oben herab ge- boren worden aus dem waſſer Goͤttlicher gna- den/ und aus dem H. Geiſt/ und allein aus dem gehoͤꝛe dieſes woꝛtes iſt deꝛ wahre ꝛechte lebēdige glaube. Rom. X. Võ ſolchem wort uñ ſonſt von keinem andern redet GOtt der HErꝛ durch den Propheten Eſaiam/ da er ſpricht: das wort/ das da abgehet von meinem munde/ wird nicht leer wieder zu mir kehren/ ſondern es wird alles ausꝛichten/ was mich geluͤſtet/ uñ ihm wiꝛds ge- lingen in allem/ dazu ichs geſendet habe: Denn es iſt das wort voller krafft und bringet alle ſchaͤtze und reichthuͤmer mit/ die es verheiſſet und da- von es redet. Jn dieſem wort ſtehet das rechte lebendige ewige Evangelium/ die krafft GOttes/ Chriſt- liche freyheit/ friede und freude/ Goͤttliche ge- rechtigkeit und alle geiſtliche guͤter des lebens. Wer dieſes wort mit dem Hertzen annimt/ dar- innen bleibet/ und darauff bauet/ der wird ver- gleichet einem klugen manne/ der ſein haus auff einen felſen bauet/ er iſt ein rechter juͤnger Chri- ſti (welches man denn billig moͤchte einen Ev- angeliſchen mann heiſſen) er erkennet die wahr- heit/ und die warheit macht ihn frey/ rein und heilig von allen ſuͤnden/ und beſchuͤtzet ihn fuͤr aller anfechtung der welt. Dieſe wahrheit aber/ iſt nichts anders/ denn der Sohn GOt- tes unſer HErꝛ JEſus CHriſtus/ im H. Geiſte. Wer aber auff den buchſtaben und auff das an- dere aͤuſſerliche wort alleine bauet/ der wird ei- nem thoͤrichten manne vergleichet/ der ſein hauß auff den ſand bauet/ und die einfallenden gewaͤſ- ſer/ und webenden winde/ das iſt/ die anfechtun- gen der ſuͤnde/ und alle widerwaͤrtigkeiten dieſer welt weꝛden ihn uͤbeꝛwaͤltigen/ und ſein fall wiꝛd ſo groß werden/ daß er fuͤr GOtt endlich keinen beyſtand mag haben. Das wort/ davon wir allhie reden (nemlich das fuͤr uns iſt menſch worden/ unſer HErꝛ JEſus) iſt die einige grundfeſte und der koͤſtliche eckſtein/ (aber ach Gott! noch heute von vielen bauleuten verworf- fen) auff welches waſerley bau in einander ver- faſſet wird/ der waͤchſt zum heiligen tempel im HErrn/ auff welches denn auch allein die ge- meine aller Chriſtglaubigen menſchen/ das iſt die heilige Chriſtliche kirche wird gebauet/ und dadurch regieret und erhalten im H. Geiſte. Dieſes lebendige wort GOttes haben die Apoſtel aͤuſſerlich verkuͤndiget/ und durch ihr pꝛedigamt nuꝛ daꝛauff geweiſet; wie es denn noch heute in der gantzen Chriſtenheit ſolte verkuͤndi- get

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/470>, abgerufen am 23.11.2024.