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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XXI. Theophrasti Paracelsi Secretum Magicum.
[Spaltenumbruch] daß sie GOTT gleich seyn möchte/ und nie-
mands unterthan seyn dörffte/ wohlgefallen/
und also aus eigener hoffart/ darem sie vom
teuffel durch die schlange betrüglicher weiß ge-
führet ward/ übertratt sie das gebott GOt-
tes und aß von dem apffel: so bald sie nun
von dem apffel gegessen/ hatte sie dardurch
von stund an erkänntnis des bösen bekom-
men/ die gnade GOTTES verlohren/
und in der liebe GOTTES angefangen
zu schwancken; hat also hernach auch betrug-
licher weiß durch falschheit und böses gemü-
the den Adam/ ihren eigenen mann/ verführet/
und zu dem biß des apffels/ und brechung
GOTTES gebotts/ überredet: Und
gleichwie Eva betrogen ward/ daß sie vermeyn-
te/ die schlange/ als das verständigste thier/
redete zu ihr/ und ihr derowegen folgete; Al-
so ward Adam hinwiederum von der Eva auch
betrogen/ daß er vermeynte/ sie wäre noch in
dem vorigen verstand und liebe zu GOTT
und ihme/ als dem sie nichts böses rathen wür-
de/ dann er noch nichts böses kannte oder wu-
ste. Es gedeyete ihm aber sehr übel/ und sahe
nachmahls wohl/ daß sie die erste Eva nicht/
sondern die durch den teuffel vergiffte Eva ihme
das gerathen hätte.

Da nun Adam GOttes gebott gebrochen
hatte/ und aus hoffart in ungnade gefallen
ware/ hatte er alsobald alle gnade GOT-
TES und die unsterblichkeit verlohren/ und
sich des ewigen todes und gefährnis theilhaff-
tig gemacht/ und ist die Göttliche grosse weiß-
heit und liebe seiner augen verdunckelt worden/
und hat nicht allein er/ sondern auch die gantze
machina mundi, die ewig-und unsterblichkeit
verlohren/ und den sterblichen ewigen fluch er-
langet/ wiewohl solches gäntzlichen wider die
natur ware; dieweil aber GOtt/ die warheit
selbst/ diß alles zu einer straff zu geschehen/ ge-
schworen/ muste es also geschehen/ nicht aus na-
türlicher ordnung/ sondern wegen des worts;
und damit Adam nicht etwa seine hand auß-
streckete/ und ässe vom baum deß lebens/ dadurch
er ewiglich hätte mögen leben/ so stieß ihn
GOtt aus dem Paradieß wieder in die welt/
von der er gemacht ward/ und leget für das Pa-
radeiß den Cherubin/ und zwar mit feurigen
gläntzenden schwerdtern zu bewahren den weg
zum baum des lebens/ damit nichts beflecktes
darein gienge/ es seye dann vorhin wohl gereini-
get/ durch die zween Cherubin/ und feuri-
ge schwerdter/ das ist/ durch glaube und hoff-
nung und brennende liebe/ gegen GOTT dem
Allerhöchsten/ welche mit schönen feuerflam-
men/ das ist/ mit Christlichen wercken gezieret
seyn müssen/ und vorhin wohl probieret: als-
dann ist mir aus lauter gnaden die frucht vom
baum des lebens im Paradeyß/ das ist/ das
theure blut JESU Christi/ damit der baum
des heiligen creutzes gezieret/ fruchtbarlichen zu
geniessen/ und dardurch alsodann wie-
derum mit CHRISTO ins himmlische
Paradeyß (darinn Adam und Eva erft-
lich gewest) zu kommen vergönnet; der
weg aber darzu zu gelangen/ ist dermassen
verwirret und verdunckelt/ daß nicht mög-
lich/ von wegen der höhe und anderer unge-
legenheit halber darzu zu kommen; Jtem/
[Spaltenumbruch] daß etliche meynen/ weil es nicht zu finden
seye/ es müste durch den Sündfluß verstöret
seyn/ darauff sage ich zu beyden/ nein: spreche
erstlich/ daß das Paradeyß noch in seinem alten
wesen seye/ und nicht zerstöret; solches wird be-
wiesen aus heiliger Schrifft/ daß Christus
viel hundert jahr nach dem Sündfluß am
stamm des heiligen creutzes zum Schächer sag-
te/ heute wirstu bey mir seyn im Paradeyß; da
konte nicht vom himmlischen Paradeyß geredet
werden/ dann Christus ist der erste mensch im
himmel gewesen/ durch welchen der himmel den
nach kömmlingen ist geöffnet worden: Chri-
stus fuhre aber nach vielen tagen gen himmel/
konte derowegen nicht ein himmlisch/ sondern
irrdisches Paradeyß verstanden werden. Uber
diß ein anders/ Christus fuhre zur höllen/ erlöse-
te dielieben altväter: Nun hat er dieselben/
wie die schrifft sagt/ erst in seiner himmelfahrt
mit sich geführet: Et secum duxit captum ca-
ptivitate captivos,
und hat das gefängnis mit
sich gefangen geführet; wo sind sie nun die zeit
über biß zur auffahrt gewesen? Jm himmel
nicht/ in der hölle/ vorhölle/ noch auf erden nicht:
derowegen werden sie in dem irrdischen Para-
deyß biß zur auffahrt müssen geharret haben;
daraus nun beweißlich/ daß das Paradeyß
tempore passionis Christi noch vorhanden ge-
wesen. Wann aber jetzt einer sagen wolte; es
könte nach der auffahrt wohl zerstöret worden
seyn/ daß es jetzt nicht mehr vorhanden wäre:
Darauff frage ich: wo seynd dann jetzt Enoch und
Elias/ welche noch nicht gestorben seynd/ und
dannoch in der welt nicht seynd/ und nichts de-
stoweniger wieder kommen sollen auff erden/
dem Antichrist zu widersprechen; wie dann auch
etliche Kirchenlehrer ebenmässig vom Johanne
Evangelista
meynen. Erstlich können sie nicht
leugnen/ daß sie leib und seele noch bey einander
haben und nicht gestorben seynd. Sie werden
aber entgegen werffen und sprechen: Es stehet
geschrieben/ sie seynd mit leib und seele gen
himmel gefahren/ und vermeynen nicht/ daß sie
an einem andern ort seynd. Darauff antwor-
te ich also: daß das wörtlein himmel/ allhier
nicht dem blossen buchstaben nach zu verstehen
seye/ und nicht das himmlische Paradeyß/ son-
dern das irrdische verstanden werden muß/ aus
ursachen/ daß nichts beflecktes in das reich Got-
tes eingehen kan noch wird/ es seyen dann see-
len/ die durch das blut Christi wohl gereiniget:
dieweil aber der leib sich durch den zeitlichen
tod/ und durch die separation animae und spi-
ritus
reinigen muß/ wie einem jeglichen mensch-
lichen leib auffgeleget ist, so mag nicht zugege-
ben werden/ daß sie im himmlischen/ sondern im
irrdischen Paradeyß seyn müssen/ biß auff die
bestimmte zeit/ daß sie herwieder kehren sollen;
und weil sie wieder kommen sollen/ könten sie auch
im himmel nicht seyn; dann aus den zweyen ex-
tremis,
dem himmel und der höllen/ kommt niemand
wieder/ aber wohl aus den locis intermediis,
das ist/ dem irrdischen Paradeyß/ und dem Pur-
gatorio infernali.
Daraus folget/ daß das irr-
dische Paradeyß noch heutiges tages im alten
wesen seye; an welchem ort aber dasselbe seye/
darff sich niemands unterstehen solches in dieser
welt zu finden; dann es sagt die H. Schrifft/ wie
im Esdra zu finden: Du hast den Adam in das

Para-

Th. IV. Sect. II. Num. XXI. Theophraſti Paracelſi Secretum Magicum.
[Spaltenumbruch] daß ſie GOTT gleich ſeyn moͤchte/ und nie-
mands unterthan ſeyn doͤrffte/ wohlgefallen/
und alſo aus eigener hoffart/ darem ſie vom
teuffel durch die ſchlange betruͤglicher weiß ge-
fuͤhret ward/ uͤbertratt ſie das gebott GOt-
tes und aß von dem apffel: ſo bald ſie nun
von dem apffel gegeſſen/ hatte ſie dardurch
von ſtund an erkaͤnntnis des boͤſen bekom-
men/ die gnade GOTTES verlohren/
und in der liebe GOTTES angefangen
zu ſchwancken; hat alſo hernach auch betrug-
licher weiß durch falſchheit und boͤſes gemuͤ-
the den Adam/ ihren eigenen mann/ verfuͤhret/
und zu dem biß des apffels/ und brechung
GOTTES gebotts/ uͤberredet: Und
gleichwie Eva betrogen ward/ daß ſie vermeyn-
te/ die ſchlange/ als das verſtaͤndigſte thier/
redete zu ihr/ und ihr derowegen folgete; Al-
ſo ward Adam hinwiederum von der Eva auch
betrogen/ daß er vermeynte/ ſie waͤre noch in
dem vorigen verſtand und liebe zu GOTT
und ihme/ als dem ſie nichts boͤſes rathen wuͤr-
de/ dann er noch nichts boͤſes kannte oder wu-
ſte. Es gedeyete ihm aber ſehr uͤbel/ und ſahe
nachmahls wohl/ daß ſie die erſte Eva nicht/
ſondern die durch den teuffel vergiffte Eva ihme
das gerathen haͤtte.

Da nun Adam GOttes gebott gebrochen
hatte/ und aus hoffart in ungnade gefallen
ware/ hatte er alſobald alle gnade GOT-
TES und die unſterblichkeit verlohren/ und
ſich des ewigen todes und gefaͤhrnis theilhaff-
tig gemacht/ und iſt die Goͤttliche groſſe weiß-
heit und liebe ſeiner augen verdunckelt worden/
und hat nicht allein er/ ſondern auch die gantze
machina mundi, die ewig-und unſterblichkeit
verlohren/ und den ſterblichen ewigen fluch er-
langet/ wiewohl ſolches gaͤntzlichen wider die
natur ware; dieweil aber GOtt/ die warheit
ſelbſt/ diß alles zu einer ſtraff zu geſchehen/ ge-
ſchworen/ muſte es alſo geſchehen/ nicht aus na-
tuͤrlicher ordnung/ ſondern wegen des worts;
und damit Adam nicht etwa ſeine hand auß-
ſtreckete/ uñ aͤſſe vom baum deß lebens/ dadurch
er ewiglich haͤtte moͤgen leben/ ſo ſtieß ihn
GOtt aus dem Paradieß wieder in die welt/
von der er gemacht ward/ und leget fuͤr das Pa-
radeiß den Cherubin/ und zwar mit feurigen
glaͤntzenden ſchwerdtern zu bewahren den weg
zum baum des lebens/ damit nichts beflecktes
darein gienge/ es ſeye dann vorhin wohl gereini-
get/ durch die zween Cherubin/ und feuri-
ge ſchwerdter/ das iſt/ durch glaube und hoff-
nung und brennende liebe/ gegen GOTT dem
Allerhoͤchſten/ welche mit ſchoͤnen feuerflam-
men/ das iſt/ mit Chriſtlichen wercken gezieret
ſeyn muͤſſen/ und vorhin wohl probieret: als-
dann iſt mir aus lauter gnaden die frucht vom
baum des lebens im Paradeyß/ das iſt/ das
theure blut JESU Chriſti/ damit der baum
des heiligen creutzes gezieret/ fruchtbarlichen zu
genieſſen/ und dardurch alſodann wie-
derum mit CHRISTO ins himmliſche
Paradeyß (darinn Adam und Eva erft-
lich geweſt) zu kommen vergoͤnnet; der
weg aber darzu zu gelangen/ iſt dermaſſen
verwirret und verdunckelt/ daß nicht moͤg-
lich/ von wegen der hoͤhe und anderer unge-
legenheit halber darzu zu kommen; Jtem/
[Spaltenumbruch] daß etliche meynen/ weil es nicht zu finden
ſeye/ es muͤſte durch den Suͤndfluß verſtoͤret
ſeyn/ darauff ſage ich zu beyden/ nein: ſpreche
erſtlich/ daß das Paradeyß noch in ſeinem alten
weſen ſeye/ und nicht zerſtoͤret; ſolches wird be-
wieſen aus heiliger Schrifft/ daß Chriſtus
viel hundert jahr nach dem Suͤndfluß am
ſtamm des heiligen creutzes zum Schaͤcher ſag-
te/ heute wirſtu bey mir ſeyn im Paradeyß; da
konte nicht vom himmliſchen Paradeyß geredet
werden/ dann Chriſtus iſt der erſte menſch im
himmel geweſen/ durch welchen der himmel den
nach koͤmmlingen iſt geoͤffnet worden: Chri-
ſtus fuhre aber nach vielen tagen gen himmel/
konte derowegen nicht ein himmliſch/ ſondern
irrdiſches Paradeyß verſtanden werden. Uber
diß ein anders/ Chriſtus fuhre zur hoͤllen/ erloͤſe-
te dielieben altvaͤter: Nun hat er dieſelben/
wie die ſchrifft ſagt/ erſt in ſeiner himmelfahrt
mit ſich gefuͤhret: Et ſecum duxit captum ca-
ptivitate captivos,
und hat das gefaͤngnis mit
ſich gefangen gefuͤhret; wo ſind ſie nun die zeit
uͤber biß zur auffahrt geweſen? Jm himmel
nicht/ in der hoͤlle/ vorhoͤlle/ noch auf erden nicht:
derowegen werden ſie in dem irrdiſchen Para-
deyß biß zur auffahrt muͤſſen geharret haben;
daraus nun beweißlich/ daß das Paradeyß
tempore paſſionis Chriſti noch vorhanden ge-
weſen. Wann aber jetzt einer ſagen wolte; es
koͤnte nach der auffahrt wohl zerſtoͤret worden
ſeyn/ daß es jetzt nicht mehr vorhanden waͤre:
Darauff frage ich: wo ſeynd dañ jetzt Enoch uñ
Elias/ welche noch nicht geſtorben ſeynd/ und
dannoch in der welt nicht ſeynd/ und nichts de-
ſtoweniger wieder kommen ſollen auff erden/
dem Antichriſt zu widerſprechen; wie dann auch
etliche Kirchenlehrer ebenmaͤſſig vom Johanne
Evangeliſta
meynen. Erſtlich koͤnnen ſie nicht
leugnen/ daß ſie leib und ſeele noch bey einander
haben und nicht geſtorben ſeynd. Sie werden
aber entgegen werffen und ſprechen: Es ſtehet
geſchrieben/ ſie ſeynd mit leib und ſeele gen
himmel gefahren/ und vermeynen nicht/ daß ſie
an einem andern ort ſeynd. Darauff antwor-
te ich alſo: daß das woͤrtlein himmel/ allhier
nicht dem bloſſen buchſtaben nach zu verſtehen
ſeye/ und nicht das himmliſche Paradeyß/ ſon-
dern das irrdiſche verſtanden werden muß/ aus
urſachen/ daß nichts beflecktes in das reich Got-
tes eingehen kan noch wird/ es ſeyen dann ſee-
len/ die durch das blut Chriſti wohl gereiniget:
dieweil aber der leib ſich durch den zeitlichen
tod/ und durch die ſeparation animæ und ſpi-
ritus
reinigen muß/ wie einem jeglichen menſch-
lichen leib auffgeleget iſt, ſo mag nicht zugege-
ben werden/ daß ſie im himmliſchen/ ſondern im
irrdiſchen Paradeyß ſeyn muͤſſen/ biß auff die
beſtimmte zeit/ daß ſie herwieder kehren ſollen;
und weil ſie wieder kom̃en ſollen/ koͤnten ſie auch
im himmel nicht ſeyn; dann aus den zweyen ex-
tremis,
dem him̃el und deꝛ hoͤllen/ kom̃t niemand
wieder/ aber wohl aus den locis intermediis,
das iſt/ dem irrdiſchen Paradeyß/ und dem Pur-
gatorio infernali.
Daraus folget/ daß das irr-
diſche Paradeyß noch heutiges tages im alten
weſen ſeye; an welchem ort aber daſſelbe ſeye/
darff ſich niemands unterſtehen ſolches in dieſer
welt zu finden; dann es ſagt die H. Schrifft/ wie
im Eſdra zu finden: Du haſt den Adam in das

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[152/0448] Th. IV. Sect. II. Num. XXI. Theophraſti Paracelſi Secretum Magicum. daß ſie GOTT gleich ſeyn moͤchte/ und nie- mands unterthan ſeyn doͤrffte/ wohlgefallen/ und alſo aus eigener hoffart/ darem ſie vom teuffel durch die ſchlange betruͤglicher weiß ge- fuͤhret ward/ uͤbertratt ſie das gebott GOt- tes und aß von dem apffel: ſo bald ſie nun von dem apffel gegeſſen/ hatte ſie dardurch von ſtund an erkaͤnntnis des boͤſen bekom- men/ die gnade GOTTES verlohren/ und in der liebe GOTTES angefangen zu ſchwancken; hat alſo hernach auch betrug- licher weiß durch falſchheit und boͤſes gemuͤ- the den Adam/ ihren eigenen mann/ verfuͤhret/ und zu dem biß des apffels/ und brechung GOTTES gebotts/ uͤberredet: Und gleichwie Eva betrogen ward/ daß ſie vermeyn- te/ die ſchlange/ als das verſtaͤndigſte thier/ redete zu ihr/ und ihr derowegen folgete; Al- ſo ward Adam hinwiederum von der Eva auch betrogen/ daß er vermeynte/ ſie waͤre noch in dem vorigen verſtand und liebe zu GOTT und ihme/ als dem ſie nichts boͤſes rathen wuͤr- de/ dann er noch nichts boͤſes kannte oder wu- ſte. Es gedeyete ihm aber ſehr uͤbel/ und ſahe nachmahls wohl/ daß ſie die erſte Eva nicht/ ſondern die durch den teuffel vergiffte Eva ihme das gerathen haͤtte. Da nun Adam GOttes gebott gebrochen hatte/ und aus hoffart in ungnade gefallen ware/ hatte er alſobald alle gnade GOT- TES und die unſterblichkeit verlohren/ und ſich des ewigen todes und gefaͤhrnis theilhaff- tig gemacht/ und iſt die Goͤttliche groſſe weiß- heit und liebe ſeiner augen verdunckelt worden/ und hat nicht allein er/ ſondern auch die gantze machina mundi, die ewig-und unſterblichkeit verlohren/ und den ſterblichen ewigen fluch er- langet/ wiewohl ſolches gaͤntzlichen wider die natur ware; dieweil aber GOtt/ die warheit ſelbſt/ diß alles zu einer ſtraff zu geſchehen/ ge- ſchworen/ muſte es alſo geſchehen/ nicht aus na- tuͤrlicher ordnung/ ſondern wegen des worts; und damit Adam nicht etwa ſeine hand auß- ſtreckete/ uñ aͤſſe vom baum deß lebens/ dadurch er ewiglich haͤtte moͤgen leben/ ſo ſtieß ihn GOtt aus dem Paradieß wieder in die welt/ von der er gemacht ward/ und leget fuͤr das Pa- radeiß den Cherubin/ und zwar mit feurigen glaͤntzenden ſchwerdtern zu bewahren den weg zum baum des lebens/ damit nichts beflecktes darein gienge/ es ſeye dann vorhin wohl gereini- get/ durch die zween Cherubin/ und feuri- ge ſchwerdter/ das iſt/ durch glaube und hoff- nung und brennende liebe/ gegen GOTT dem Allerhoͤchſten/ welche mit ſchoͤnen feuerflam- men/ das iſt/ mit Chriſtlichen wercken gezieret ſeyn muͤſſen/ und vorhin wohl probieret: als- dann iſt mir aus lauter gnaden die frucht vom baum des lebens im Paradeyß/ das iſt/ das theure blut JESU Chriſti/ damit der baum des heiligen creutzes gezieret/ fruchtbarlichen zu genieſſen/ und dardurch alſodann wie- derum mit CHRISTO ins himmliſche Paradeyß (darinn Adam und Eva erft- lich geweſt) zu kommen vergoͤnnet; der weg aber darzu zu gelangen/ iſt dermaſſen verwirret und verdunckelt/ daß nicht moͤg- lich/ von wegen der hoͤhe und anderer unge- legenheit halber darzu zu kommen; Jtem/ daß etliche meynen/ weil es nicht zu finden ſeye/ es muͤſte durch den Suͤndfluß verſtoͤret ſeyn/ darauff ſage ich zu beyden/ nein: ſpreche erſtlich/ daß das Paradeyß noch in ſeinem alten weſen ſeye/ und nicht zerſtoͤret; ſolches wird be- wieſen aus heiliger Schrifft/ daß Chriſtus viel hundert jahr nach dem Suͤndfluß am ſtamm des heiligen creutzes zum Schaͤcher ſag- te/ heute wirſtu bey mir ſeyn im Paradeyß; da konte nicht vom himmliſchen Paradeyß geredet werden/ dann Chriſtus iſt der erſte menſch im himmel geweſen/ durch welchen der himmel den nach koͤmmlingen iſt geoͤffnet worden: Chri- ſtus fuhre aber nach vielen tagen gen himmel/ konte derowegen nicht ein himmliſch/ ſondern irrdiſches Paradeyß verſtanden werden. Uber diß ein anders/ Chriſtus fuhre zur hoͤllen/ erloͤſe- te dielieben altvaͤter: Nun hat er dieſelben/ wie die ſchrifft ſagt/ erſt in ſeiner himmelfahrt mit ſich gefuͤhret: Et ſecum duxit captum ca- ptivitate captivos, und hat das gefaͤngnis mit ſich gefangen gefuͤhret; wo ſind ſie nun die zeit uͤber biß zur auffahrt geweſen? Jm himmel nicht/ in der hoͤlle/ vorhoͤlle/ noch auf erden nicht: derowegen werden ſie in dem irrdiſchen Para- deyß biß zur auffahrt muͤſſen geharret haben; daraus nun beweißlich/ daß das Paradeyß tempore paſſionis Chriſti noch vorhanden ge- weſen. Wann aber jetzt einer ſagen wolte; es koͤnte nach der auffahrt wohl zerſtoͤret worden ſeyn/ daß es jetzt nicht mehr vorhanden waͤre: Darauff frage ich: wo ſeynd dañ jetzt Enoch uñ Elias/ welche noch nicht geſtorben ſeynd/ und dannoch in der welt nicht ſeynd/ und nichts de- ſtoweniger wieder kommen ſollen auff erden/ dem Antichriſt zu widerſprechen; wie dann auch etliche Kirchenlehrer ebenmaͤſſig vom Johanne Evangeliſta meynen. Erſtlich koͤnnen ſie nicht leugnen/ daß ſie leib und ſeele noch bey einander haben und nicht geſtorben ſeynd. Sie werden aber entgegen werffen und ſprechen: Es ſtehet geſchrieben/ ſie ſeynd mit leib und ſeele gen himmel gefahren/ und vermeynen nicht/ daß ſie an einem andern ort ſeynd. Darauff antwor- te ich alſo: daß das woͤrtlein himmel/ allhier nicht dem bloſſen buchſtaben nach zu verſtehen ſeye/ und nicht das himmliſche Paradeyß/ ſon- dern das irrdiſche verſtanden werden muß/ aus urſachen/ daß nichts beflecktes in das reich Got- tes eingehen kan noch wird/ es ſeyen dann ſee- len/ die durch das blut Chriſti wohl gereiniget: dieweil aber der leib ſich durch den zeitlichen tod/ und durch die ſeparation animæ und ſpi- ritus reinigen muß/ wie einem jeglichen menſch- lichen leib auffgeleget iſt, ſo mag nicht zugege- ben werden/ daß ſie im himmliſchen/ ſondern im irrdiſchen Paradeyß ſeyn muͤſſen/ biß auff die beſtimmte zeit/ daß ſie herwieder kehren ſollen; und weil ſie wieder kom̃en ſollen/ koͤnten ſie auch im himmel nicht ſeyn; dann aus den zweyen ex- tremis, dem him̃el und deꝛ hoͤllen/ kom̃t niemand wieder/ aber wohl aus den locis intermediis, das iſt/ dem irrdiſchen Paradeyß/ und dem Pur- gatorio infernali. Daraus folget/ daß das irr- diſche Paradeyß noch heutiges tages im alten weſen ſeye; an welchem ort aber daſſelbe ſeye/ darff ſich niemands unterſtehen ſolches in dieſer welt zu finden; dann es ſagt die H. Schrifft/ wie im Eſdra zu finden: Du haſt den Adam in das Para-

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/448>, abgerufen am 28.11.2024.