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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. II. Num. XII. Von verfälschung der schrifften Lutheri.
[Spaltenumbruch] so Päbstlich einher/ die aller grösten lügen/ daß
die steine zittern und schwitzen möchten. Hab
acht auff ihr exempel-predigen/ so wirstu innen
werden, daß gemeiniglich nur weiber sind gewe-
sen/ die umb nachlassen der beicht verdammt
sind/ und nicht männer/ daß man greiffen mag/
es habe ein ertzbube dieselbe exempel er dacht/ der
da gerne der weiber hertz und heimlichkeit erfah-
ren hätte/ und gesehen/ wie das weiber-volck
aus natürlicher kleinmuth natürlich schamhaff-
tig ist mehr dann der mann/ hat er gedacht/ ich
will ihm recht rathen/ und durch schrecken der
beicht ihr hertz erfahren/ und ist ihme durch hülf-
fe deß Teuffels geglücket. Hat aber darneben
viel gewissen verstricket und verdammt/ die aus
unüberwindlicher scham und blödigkeit nicht
gebeichtet haben/ und doch wider ihr gewissen
damit gesündiget/ dieweil sie geglaubet haben/
es seye nöthig zu beichten/ und doch nicht ge-
than. Dann wie du glaubest/ so richtet dich
GOtt/ glaubstu/ daß du etwas zu thun schul-
dig bist/ und thusts nicht/ so sündigest du. Jch
sage mein urtheil/ daß ein solcher bube/ der mit
solchen exempeln die gewissen also mit falschem
glauben verstricket und verdammt/ würdig wä-
re/ daß nicht allein sein leib/ sondern auch seine
seele von allen Teuffeln in hundert tausend stü-
cken zurissen und zu pulver würde. Was greu-
lichen seelen-mord begehen die höllischen verrä-
ther in aller welt? O weine/ wer da weinen
kan/ über solches jämmerliche verderben der ar-
menseelen. ----

Wenn man aber die richtige freye strasse pre-
NB.digte/ und spräch also: Lieben weiber/ hat je-
mand sunde auff ihr/ mag sie beichten/
ob sie will/ sie beichte aber/ oder sie beichte
nicht/
so habe sie festen glauben/ daß ihr Chri-
stus die sünden vergebe/ und beichte sie demsel-
ben heimlich mit gantzer hertzlicher zuversicht
auff seine gnade/ die er allen denen verheissen/
die ihr begehren/ und nicht daran zweiffeln/ so
sind die sünden gewißlich vergeben/ lasse dann
auch davon/ und übe sich in guten wercken ge-
gen ihren nächsten/ die ihr bedürffen/ lade arme
leute/ wasche ihre füsse und diene ihnen demü-
thiglich. Siehe das wäre eine rechte weise ein
sündlich gewissen wieder zurechte zu bringen/
das gienge ohne beschwerung mit lust und wil-
len zu/ das GOtt wolgefällt.

Aber wo das geschehe/ so würde den seel-
mördern und geist ängstern der beichtpfen-
ning
entfallen/ die milch in der kirchen versie-
gen und das arme gewissen loß/ nicht mehr ge-
führt auff ihr unendlich lehren und predigen/
das wäre dem heiligen geistlichen stand zu na-
he/ solt wol hungers darob sterben. ----

Sie sagen viel/ man soll der geistlichen scho-
nen/ sie nicht schelten noch straffen/ sondern
ehren und entschuldigen. Ja/ wenn sie nur für
sich selbst böse wären/ und allein sich verderbten/
wolte ich auch baß schweigen. Aber ihr regi-
ment verderbt alle welt. Wer dazu schweiget
und nicht leib und leben darüber wagt/ der ist
kein rechter Christ/ liebt auch nicht seines näch-
sten seligkeit als seine eigene. Künt ich nur die
seelen aus ihrem höllen-rachen reissen/ ich wolte
sie wol mässiger schelten. Sie zünden die stadt
an und sprechen: Jch solte nicht feuer schreyen
noch leschen. Vermaledeyet sey der (spricht
[Spaltenumbruch] Jeremias) der GOttes werck trüglich thut/
und verhält sein schwerdt vom blut. GOTT
will/ man soll frisch drein hauen mit seinem
schwerdt/ daß das blut hernach gehe. Wer
das werck untreulich thut/ der ist vermaledeyet.
So wollen sie nur die federn gelesen haben und
mit fuchsschwäntzen überwedelt seyn. Nicht
also lieber mensch.

Weiter spricht St. Paulus: Gleichwie
Jannes und Jambres Mosi widerstunden/
also widerstehen auch diese der warheit. Das
redet er von allen vorigen geistlichen/ wie die
der warheit widerstehen/ und nicht leiden wol-
len/ daß die leute aus ihrem ängstlichen regi-
ment zur erkäntnis des freyen glaubens kom-
men. Das sihet jedermann jetzt wol/ sie fürch-
ten/ ihr regiment und tyranney werde vergehen.
Also da das volck von Jsrael in Egypten vom
König Pharao unterdrucket war/ und Moses
von GOtt geschickt/ daß er sie erlösete/ thäte
er zuerst zwey wunderzeichen/ zu beweisen/ daß
er von GOtt geschickt wäre. Da thäten die
zwey zauberer des Königs Pharao/ Jannes
und Jambres/ eben dergleichen wunderzeichen/
hielten damit den König auff/ und machten
Mosis wunderzeichen zunichte/ daß das volck
bleiben muste biß an das dritte wunderzeichen/
da kunten sie nimmer/ da ward erkant/ daß
ihr ding nicht recht war/ und Mosis ding recht.
Also gehet es NB. allezeit/ die tyrannen (die
geistlichen) in GOttes volck haben allezeit den
schein/ und fahren als die rechten heiligen in
geberden/ damit hindern sie und halten auff die
einfältigen/ daß sie nicht können loß werden.
Denn sie sind schwach im gewissen/ und kön-
nen nicht frey zwischen dem schein und grund/
zwischen der warheit und dem gleissen urthei-
len. Also muß allezeit der arme hauffen durch
das scheinen und gleissen gefangen und an der
warheit gehindert und auffgehalten werden.
Weiter: Es sind menschen von zerrütteten sin-
nen und zum glauben kein Nutz. Da hastu/
was sie im grunde sind/ ihre meinung und dün-
ckel ist verrückt/ dann sie stehen darauff/ daß
solches ihr wesen recht sey/ und seye kein anders/
wissen nichts vom glauben. Der glaub allein
macht unverrückte sinnen und geistliche Jung-
frauen/ das lehret einen rechten dünckel und
gute meinung/ die darauff stehet/ daß GOt-
tes gnade allein unser trost sey. Wer den sinn
nicht hat/ der ist ein Christ/ wie eine hure ei-
ne jungfrau ist/ ob er gleich aller Heiligen wer-
cke thät. Und wo solche verrückte meinung
ist/ da ist wenig hoffnung/ daß sie immer zum
rechten glauben kommen/ sonderlich/ wann sie
so ferne kommen/ daß sie darwider fechten/ und
zuvor durch die Tauffe darein gesetzt sind/ und
sich darnach verrücken lassen. Weiter: Aber sie
werden die länge nicht bestehen/ ihre unweißheit
wird jedermann offenbahr werden. Also wirds
dem Pabst und unsern geistlichen auch gehen/
die warheit wird bleiben/ und ihnen zu starck
seyn/ ihr gleissen und büberey muß offenbahr
werden/ da hilfft kein wüten noch toben für/
wann sie gleich vier tausend Türckischer Käyser
auff ihrer seiten hätten. Schein und lügen
können endlich nicht bestehen/ es ist nicht müg-
lich/ ob sie sich gleich eine zeitlang erretten und
währen.

Ibid.
A. K. H. Vierter Theil. Q 2

Th. IV. Sect. II. Num. XII. Von verfaͤlſchung der ſchrifften Lutheri.
[Spaltenumbruch] ſo Paͤbſtlich einher/ die aller groͤſten luͤgen/ daß
die ſteine zittern und ſchwitzen moͤchten. Hab
acht auff ihr exempel-predigen/ ſo wirſtu innen
werden, daß gemeiniglich nur weiber ſind gewe-
ſen/ die umb nachlaſſen der beicht verdam̃t
ſind/ und nicht maͤnner/ daß man greiffen mag/
es habe ein ertzbube dieſelbe exempel er dacht/ der
da gerne der weiber hertz und heimlichkeit erfah-
ren haͤtte/ und geſehen/ wie das weiber-volck
aus natuͤrlicher kleinmuth natuͤrlich ſchamhaff-
tig iſt mehr dann der mann/ hat er gedacht/ ich
will ihm recht rathen/ und durch ſchrecken der
beicht ihr hertz erfahren/ und iſt ihme durch huͤlf-
fe deß Teuffels gegluͤcket. Hat aber darneben
viel gewiſſen verſtricket und verdam̃t/ die aus
unuͤberwindlicher ſcham und bloͤdigkeit nicht
gebeichtet haben/ und doch wider ihr gewiſſen
damit geſuͤndiget/ dieweil ſie geglaubet haben/
es ſeye noͤthig zu beichten/ und doch nicht ge-
than. Dann wie du glaubeſt/ ſo richtet dich
GOtt/ glaubſtu/ daß du etwas zu thun ſchul-
dig biſt/ und thuſts nicht/ ſo ſuͤndigeſt du. Jch
ſage mein urtheil/ daß ein ſolcher bube/ der mit
ſolchen exempeln die gewiſſen alſo mit falſchem
glauben verſtricket und verdam̃t/ wuͤrdig waͤ-
re/ daß nicht allein ſein leib/ ſondern auch ſeine
ſeele von allen Teuffeln in hundert tauſend ſtuͤ-
cken zuriſſen und zu pulver wuͤrde. Was greu-
lichen ſeelen-mord begehen die hoͤlliſchen verraͤ-
ther in aller welt? O weine/ wer da weinen
kan/ uͤber ſolches jaͤmmerliche verderben der ar-
menſeelen. ——

Wenn man aber die richtige freye ſtraſſe pre-
NB.digte/ und ſpraͤch alſo: Lieben weiber/ hat je-
mand ſunde auff ihr/ mag ſie beichten/
ob ſie will/ ſie beichte aber/ oder ſie beichte
nicht/
ſo habe ſie feſten glauben/ daß ihr Chri-
ſtus die ſuͤnden vergebe/ und beichte ſie demſel-
ben heimlich mit gantzer hertzlicher zuverſicht
auff ſeine gnade/ die er allen denen verheiſſen/
die ihr begehren/ und nicht daran zweiffeln/ ſo
ſind die ſuͤnden gewißlich vergeben/ laſſe dann
auch davon/ und uͤbe ſich in guten wercken ge-
gen ihren naͤchſten/ die ihr beduͤrffen/ lade arme
leute/ waſche ihre fuͤſſe und diene ihnen demuͤ-
thiglich. Siehe das waͤre eine rechte weiſe ein
ſuͤndlich gewiſſen wieder zurechte zu bringen/
das gienge ohne beſchwerung mit luſt und wil-
len zu/ das GOtt wolgefaͤllt.

Aber wo das geſchehe/ ſo wuͤrde den ſeel-
moͤrdern und geiſt aͤngſtern der beichtpfen-
ning
entfallen/ die milch in der kirchen verſie-
gen und das arme gewiſſen loß/ nicht mehr ge-
fuͤhrt auff ihr unendlich lehren und predigen/
das waͤre dem heiligen geiſtlichen ſtand zu na-
he/ ſolt wol hungers darob ſterben. ——

Sie ſagen viel/ man ſoll der geiſtlichen ſcho-
nen/ ſie nicht ſchelten noch ſtraffen/ ſondern
ehren und entſchuldigen. Ja/ wenn ſie nur fuͤr
ſich ſelbſt boͤſe waͤren/ und allein ſich verderbten/
wolte ich auch baß ſchweigen. Aber ihr regi-
ment verderbt alle welt. Wer dazu ſchweiget
und nicht leib und leben daruͤber wagt/ der iſt
kein rechter Chriſt/ liebt auch nicht ſeines naͤch-
ſten ſeligkeit als ſeine eigene. Kuͤnt ich nur die
ſeelen aus ihrem hoͤllen-rachen reiſſen/ ich wolte
ſie wol maͤſſiger ſchelten. Sie zuͤnden die ſtadt
an und ſprechen: Jch ſolte nicht feuer ſchreyen
noch leſchen. Vermaledeyet ſey der (ſpricht
[Spaltenumbruch] Jeremias) der GOttes werck truͤglich thut/
und verhaͤlt ſein ſchwerdt vom blut. GOTT
will/ man ſoll friſch drein hauen mit ſeinem
ſchwerdt/ daß das blut hernach gehe. Wer
das werck untreulich thut/ der iſt vermaledeyet.
So wollen ſie nur die federn geleſen haben und
mit fuchsſchwaͤntzen uͤberwedelt ſeyn. Nicht
alſo lieber menſch.

Weiter ſpricht St. Paulus: Gleichwie
Jannes und Jambres Moſi widerſtunden/
alſo widerſtehen auch dieſe der warheit. Das
redet er von allen vorigen geiſtlichen/ wie die
der warheit widerſtehen/ und nicht leiden wol-
len/ daß die leute aus ihrem aͤngſtlichen regi-
ment zur erkaͤntnis des freyen glaubens kom-
men. Das ſihet jedermann jetzt wol/ ſie fuͤrch-
ten/ ihr regiment und tyranney werde vergehen.
Alſo da das volck von Jſrael in Egypten vom
Koͤnig Pharao unterdrucket war/ und Moſes
von GOtt geſchickt/ daß er ſie erloͤſete/ thaͤte
er zuerſt zwey wunderzeichen/ zu beweiſen/ daß
er von GOtt geſchickt waͤre. Da thaͤten die
zwey zauberer des Koͤnigs Pharao/ Jannes
und Jambres/ eben dergleichen wunderzeichen/
hielten damit den Koͤnig auff/ und machten
Moſis wunderzeichen zunichte/ daß das volck
bleiben muſte biß an das dritte wunderzeichen/
da kunten ſie nimmer/ da ward erkant/ daß
ihr ding nicht recht war/ und Moſis ding recht.
Alſo gehet es NB. allezeit/ die tyrannen (die
geiſtlichen) in GOttes volck haben allezeit den
ſchein/ und fahren als die rechten heiligen in
geberden/ damit hindern ſie und halten auff die
einfaͤltigen/ daß ſie nicht koͤnnen loß werden.
Denn ſie ſind ſchwach im gewiſſen/ und koͤn-
nen nicht frey zwiſchen dem ſchein und grund/
zwiſchen der warheit und dem gleiſſen urthei-
len. Alſo muß allezeit der arme hauffen durch
das ſcheinen und gleiſſen gefangen und an der
warheit gehindert und auffgehalten werden.
Weiter: Es ſind menſchen von zerruͤtteten ſin-
nen und zum glauben kein Nutz. Da haſtu/
was ſie im grunde ſind/ ihre meinung und duͤn-
ckel iſt verruͤckt/ dann ſie ſtehen darauff/ daß
ſolches ihr weſen recht ſey/ und ſeye kein anders/
wiſſen nichts vom glauben. Der glaub allein
macht unverruͤckte ſinnen und geiſtliche Jung-
frauen/ das lehret einen rechten duͤnckel und
gute meinung/ die darauff ſtehet/ daß GOt-
tes gnade allein unſer troſt ſey. Wer den ſinn
nicht hat/ der iſt ein Chriſt/ wie eine hure ei-
ne jungfrau iſt/ ob er gleich aller Heiligen wer-
cke thaͤt. Und wo ſolche verruͤckte meinung
iſt/ da iſt wenig hoffnung/ daß ſie immer zum
rechten glauben kommen/ ſonderlich/ wann ſie
ſo ferne kommen/ daß ſie darwider fechten/ und
zuvor durch die Tauffe darein geſetzt ſind/ und
ſich darnach verruͤcken laſſen. Weiter: Aber ſie
werden die laͤnge nicht beſtehen/ ihre unweißheit
wird jedermann offenbahr werden. Alſo wirds
dem Pabſt und unſern geiſtlichen auch gehen/
die warheit wird bleiben/ und ihnen zu ſtarck
ſeyn/ ihr gleiſſen und buͤberey muß offenbahr
werden/ da hilfft kein wuͤten noch toben fuͤr/
wann ſie gleich vier tauſend Tuͤrckiſcher Kaͤyſer
auff ihrer ſeiten haͤtten. Schein und luͤgen
koͤnnen endlich nicht beſtehen/ es iſt nicht muͤg-
lich/ ob ſie ſich gleich eine zeitlang erretten und
waͤhren.

Ibid.
A. K. H. Vierter Theil. Q 2
<TEI>
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[123/0419] Th. IV. Sect. II. Num. XII. Von verfaͤlſchung der ſchrifften Lutheri. ſo Paͤbſtlich einher/ die aller groͤſten luͤgen/ daß die ſteine zittern und ſchwitzen moͤchten. Hab acht auff ihr exempel-predigen/ ſo wirſtu innen werden, daß gemeiniglich nur weiber ſind gewe- ſen/ die umb nachlaſſen der beicht verdam̃t ſind/ und nicht maͤnner/ daß man greiffen mag/ es habe ein ertzbube dieſelbe exempel er dacht/ der da gerne der weiber hertz und heimlichkeit erfah- ren haͤtte/ und geſehen/ wie das weiber-volck aus natuͤrlicher kleinmuth natuͤrlich ſchamhaff- tig iſt mehr dann der mann/ hat er gedacht/ ich will ihm recht rathen/ und durch ſchrecken der beicht ihr hertz erfahren/ und iſt ihme durch huͤlf- fe deß Teuffels gegluͤcket. Hat aber darneben viel gewiſſen verſtricket und verdam̃t/ die aus unuͤberwindlicher ſcham und bloͤdigkeit nicht gebeichtet haben/ und doch wider ihr gewiſſen damit geſuͤndiget/ dieweil ſie geglaubet haben/ es ſeye noͤthig zu beichten/ und doch nicht ge- than. Dann wie du glaubeſt/ ſo richtet dich GOtt/ glaubſtu/ daß du etwas zu thun ſchul- dig biſt/ und thuſts nicht/ ſo ſuͤndigeſt du. Jch ſage mein urtheil/ daß ein ſolcher bube/ der mit ſolchen exempeln die gewiſſen alſo mit falſchem glauben verſtricket und verdam̃t/ wuͤrdig waͤ- re/ daß nicht allein ſein leib/ ſondern auch ſeine ſeele von allen Teuffeln in hundert tauſend ſtuͤ- cken zuriſſen und zu pulver wuͤrde. Was greu- lichen ſeelen-mord begehen die hoͤlliſchen verraͤ- ther in aller welt? O weine/ wer da weinen kan/ uͤber ſolches jaͤmmerliche verderben der ar- menſeelen. —— Wenn man aber die richtige freye ſtraſſe pre- digte/ und ſpraͤch alſo: Lieben weiber/ hat je- mand ſunde auff ihr/ mag ſie beichten/ ob ſie will/ ſie beichte aber/ oder ſie beichte nicht/ ſo habe ſie feſten glauben/ daß ihr Chri- ſtus die ſuͤnden vergebe/ und beichte ſie demſel- ben heimlich mit gantzer hertzlicher zuverſicht auff ſeine gnade/ die er allen denen verheiſſen/ die ihr begehren/ und nicht daran zweiffeln/ ſo ſind die ſuͤnden gewißlich vergeben/ laſſe dann auch davon/ und uͤbe ſich in guten wercken ge- gen ihren naͤchſten/ die ihr beduͤrffen/ lade arme leute/ waſche ihre fuͤſſe und diene ihnen demuͤ- thiglich. Siehe das waͤre eine rechte weiſe ein ſuͤndlich gewiſſen wieder zurechte zu bringen/ das gienge ohne beſchwerung mit luſt und wil- len zu/ das GOtt wolgefaͤllt. NB. Aber wo das geſchehe/ ſo wuͤrde den ſeel- moͤrdern und geiſt aͤngſtern der beichtpfen- ning entfallen/ die milch in der kirchen verſie- gen und das arme gewiſſen loß/ nicht mehr ge- fuͤhrt auff ihr unendlich lehren und predigen/ das waͤre dem heiligen geiſtlichen ſtand zu na- he/ ſolt wol hungers darob ſterben. —— Sie ſagen viel/ man ſoll der geiſtlichen ſcho- nen/ ſie nicht ſchelten noch ſtraffen/ ſondern ehren und entſchuldigen. Ja/ wenn ſie nur fuͤr ſich ſelbſt boͤſe waͤren/ und allein ſich verderbten/ wolte ich auch baß ſchweigen. Aber ihr regi- ment verderbt alle welt. Wer dazu ſchweiget und nicht leib und leben daruͤber wagt/ der iſt kein rechter Chriſt/ liebt auch nicht ſeines naͤch- ſten ſeligkeit als ſeine eigene. Kuͤnt ich nur die ſeelen aus ihrem hoͤllen-rachen reiſſen/ ich wolte ſie wol maͤſſiger ſchelten. Sie zuͤnden die ſtadt an und ſprechen: Jch ſolte nicht feuer ſchreyen noch leſchen. Vermaledeyet ſey der (ſpricht Jeremias) der GOttes werck truͤglich thut/ und verhaͤlt ſein ſchwerdt vom blut. GOTT will/ man ſoll friſch drein hauen mit ſeinem ſchwerdt/ daß das blut hernach gehe. Wer das werck untreulich thut/ der iſt vermaledeyet. So wollen ſie nur die federn geleſen haben und mit fuchsſchwaͤntzen uͤberwedelt ſeyn. Nicht alſo lieber menſch. Weiter ſpricht St. Paulus: Gleichwie Jannes und Jambres Moſi widerſtunden/ alſo widerſtehen auch dieſe der warheit. Das redet er von allen vorigen geiſtlichen/ wie die der warheit widerſtehen/ und nicht leiden wol- len/ daß die leute aus ihrem aͤngſtlichen regi- ment zur erkaͤntnis des freyen glaubens kom- men. Das ſihet jedermann jetzt wol/ ſie fuͤrch- ten/ ihr regiment und tyranney werde vergehen. Alſo da das volck von Jſrael in Egypten vom Koͤnig Pharao unterdrucket war/ und Moſes von GOtt geſchickt/ daß er ſie erloͤſete/ thaͤte er zuerſt zwey wunderzeichen/ zu beweiſen/ daß er von GOtt geſchickt waͤre. Da thaͤten die zwey zauberer des Koͤnigs Pharao/ Jannes und Jambres/ eben dergleichen wunderzeichen/ hielten damit den Koͤnig auff/ und machten Moſis wunderzeichen zunichte/ daß das volck bleiben muſte biß an das dritte wunderzeichen/ da kunten ſie nimmer/ da ward erkant/ daß ihr ding nicht recht war/ und Moſis ding recht. Alſo gehet es NB. allezeit/ die tyrannen (die geiſtlichen) in GOttes volck haben allezeit den ſchein/ und fahren als die rechten heiligen in geberden/ damit hindern ſie und halten auff die einfaͤltigen/ daß ſie nicht koͤnnen loß werden. Denn ſie ſind ſchwach im gewiſſen/ und koͤn- nen nicht frey zwiſchen dem ſchein und grund/ zwiſchen der warheit und dem gleiſſen urthei- len. Alſo muß allezeit der arme hauffen durch das ſcheinen und gleiſſen gefangen und an der warheit gehindert und auffgehalten werden. Weiter: Es ſind menſchen von zerruͤtteten ſin- nen und zum glauben kein Nutz. Da haſtu/ was ſie im grunde ſind/ ihre meinung und duͤn- ckel iſt verruͤckt/ dann ſie ſtehen darauff/ daß ſolches ihr weſen recht ſey/ und ſeye kein anders/ wiſſen nichts vom glauben. Der glaub allein macht unverruͤckte ſinnen und geiſtliche Jung- frauen/ das lehret einen rechten duͤnckel und gute meinung/ die darauff ſtehet/ daß GOt- tes gnade allein unſer troſt ſey. Wer den ſinn nicht hat/ der iſt ein Chriſt/ wie eine hure ei- ne jungfrau iſt/ ob er gleich aller Heiligen wer- cke thaͤt. Und wo ſolche verruͤckte meinung iſt/ da iſt wenig hoffnung/ daß ſie immer zum rechten glauben kommen/ ſonderlich/ wann ſie ſo ferne kommen/ daß ſie darwider fechten/ und zuvor durch die Tauffe darein geſetzt ſind/ und ſich darnach verruͤcken laſſen. Weiter: Aber ſie werden die laͤnge nicht beſtehen/ ihre unweißheit wird jedermann offenbahr werden. Alſo wirds dem Pabſt und unſern geiſtlichen auch gehen/ die warheit wird bleiben/ und ihnen zu ſtarck ſeyn/ ihr gleiſſen und buͤberey muß offenbahr werden/ da hilfft kein wuͤten noch toben fuͤr/ wann ſie gleich vier tauſend Tuͤrckiſcher Kaͤyſer auff ihrer ſeiten haͤtten. Schein und luͤgen koͤnnen endlich nicht beſtehen/ es iſt nicht muͤg- lich/ ob ſie ſich gleich eine zeitlang erretten und waͤhren. Ibid. A. K. H. Vierter Theil. Q 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/419>, abgerufen am 22.12.2024.