Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Th. IV. Sect. I. Num. XI. Jodoci von Lodenstein gehaltene rede.
[Spaltenumbruch] um sage ich/ ein Reformirter Christ ohne
geist/ ist ein Atheist.
II. Die zweyte ur-
sach/ daß es bey dem leib ohne geist geblieben/
ist diese/ daß der teuffel bey gelegenheit/
daß man alles durch den geist wolte und
solte thun/ ein ander übel mit der geist-
treiberey erwecket.
Da kamen die geist-
treiber/ ein Johannes von Leyden/ ein
Knippertolling und andere/ an den tag;
Es lautete alles von einem innerlichen licht/ und
von dem funcken/ den man müsse anblasen und
erwecken/ und demselben folgen/ es möch-
te mit der Schrifft überein kommen
oder nicht!
Da nun die Reformirte auch an-
fiengen zu sprechen von dem geist/ da musten sie
geist-treiber heissen/ da gieng man gegen sie
an/ gleich wie es noch geschicht. Ja was sag ich?
Die Reformirten sollen geist-treiber seyn/
Röm. 8. v. 14. Gal. 5. v. 18. Dann alles was
sie thun/ soll durch den geist geschehen. III. Die
dritte ursach/ daß kein geist/ sondern ein stillstand
erfolget/ ist/ daß man die buchstabliche
erkäntniß oder erkantniß der buchstabe/
an statt des geistes annimmt/
und die davon
was wissen zu sprechen für wahre Christen und
glieder/ und für wahre GOttes-gelehrten und
Theologos hält/ die den geist hätten: Aber ach
leider/ der buchstaben tödtet sie/ ob sie schon mey-
nen/ daß sie leben; Dann ich schwöre euch vor
GOtt/ daß diß das geistliche leben nicht ist. Ach
es wird meistens den weisen und verständigen
verborgen/ und den geringen kindern offenba-
ret/ Matth. 11. v. 25. 26. Glaubt mir/ die
buchstaben-erkäntniß ist der geist nicht. Die
gelehrtesten seynd gemeiniglich die verkehrtesten;
Darum gebt acht auff euch selbsten/ und be-
trügt euch nicht/ wie ihrer viel gethan haben.
IV. Die vierte ursach/ daß ein stillstand und
kein geist erfolget/ ist/ dieweil man angefan-
gen leichtsinnig von dem geistlichen leben zu ur-
theilen/ und jemand vor einen guten Chri-
sten achtet/ wann er kein trunckenbold/
kein hurer/ kein flucher oder schwörer ist.

Man hält keinen menschen für böß/ wann er
das nicht mit vielen bösen thaten erweiset/ und
urtheilet viele hundert für gute Christen/ da
man doch nicht ein einiges kennzeichen des lebens
mercket. Sehet/ welche eine verkehrte sach ist
das! Dieses laufft gantz richtig wider unsere
lehr/ welche lehrt/ daß wir alle von natur böß
und verderbt seyn; Deme nach kan ich ehender
das böse/ als das gute schliessen/ und von einem
menschen/ in dem ich weder| gutes noch böses
sehe/ urtheilen/ daß er böse sey. Doch man muß/
sprichstu/ nach der liebe urtheilen. Aber ich
antworte/ daß dieses hier nicht zu paß komme.
Das liebes-urtheil kommt als dann zu passe/
wann man ein feindseliges hertz gegen einen
andern tragen/ und rachgierig seyn wolte/ aber
nicht/ wann ich jemanden heylen und genesen ma-
chen solte/ da wollen die stinckende wunden nicht
zugedeckt und beschönt seyn. V. Die fünffte
ursach/ daß es bey dem leib geblieben/ ist/ daß
die fürsteher
selbsten mit der zeit eben so ein
verkehrt urtheil gefället/ und alle solche (da
sie nemlich kein öffentliches böse gesehen/ ob sie
auch schonkein gutes gesehen) zu gliedern ge-
macht und angenommen.
Dann das war ge-
mächlich/ und dem interesse nicht zu wider. Sie
sehen/ daß die leute gantz weltlich seynd in ihren
[Spaltenumbruch] häusern und kleidern; sie sehen/ daß sie geitzig seind/
und gewinn-süchtig; oder/ daß sie böse maximen
und principia oder gründe haben; oder daß sie
leben in hader und zanck; würden sie bestrafft/
so würden sie zornig/ und flögen einem ins an-
gesicht/ etc. Aber du wirst sagen; dieses sey nur
eine vorbeygehende böse that/ ob man darum ei-
nen menschen verurtheilen solte? Wie nun?
Jst welt-und geld-gesinntheit eine vorbeyge-
hende that? und so ein mensch zanckt/ welches
geschicht/ weil er keine gelegenheit mehr darzu
hat/ solte ich darum urtheilen/ daß er gut sey?
und so ein mensch in allem die welt zeiget/ solte
ich wol urtheilen/ daß das geistliche leben in ihm
sey/ und ihm die gnade versiegeln? Damit wer-
den die seelen der menschen verdorben. Dann
sie gedencken/ wann das wahr wäre/ daß die
welt-gesinntheit eine solche sünde wäre/ als der
Prediger sagt/ so würde er ihnen das Sacra-
ment nicht reichen/ es müste demnach so arg
nicht seyn. Jch weiß wol/ daß man dieses will
schmücken und bedecken: Man spricht/ es ge-
schehe unter
condition und bedingung/
daß man es ihnen reiche. Aber es wäre viel von
dieser bedingung zu sagen. Man gibts ihnen
auff diese bedingung/ wann du inwendig bist/
wie du auswendig scheinest; nun aber scheint
mir der mensch nicht gut/ dann ich sehe ja kein
gutes/ und dergestalt böß/ wie soll ichs ihm
dann reichen? VI. Die sechste ursach ist/ daß
man sich betrogen mit der einbildung ei-
genen vermögens;
wir haben gemeint/ wir
könten etwas/ und dachten nicht/ daß wir todt
wären in sünden und missethaten/ gantz unkräff-
tig/ uns lebendig zu machen. O wann ihr
durch diese predigt dahin gelangetet/ daß ihr sä-
het/ wie ihr todten-beine wäret/ so hätte ich be-
reits viel damit von GOtt erhalten.

Wolt ihr nun sagen/ was sollen wir dann
thun? Hingehen und verzweiffeln? Nein/ zu
dem ende hab ich es nicht gesagt/ sondern
(a) daß ihr GOtt möchtet die ehre geben alles
des guten/ das ihr habt/ und noch bekommen
werdet. (b) Daß ihr euch in demuth nieder-
werffet/ und harret/ biß es dem HErrn gefället
zu kommen; gleichwie hier/ da war ein leib/
aber der geist muste erwartet werden. Ach wir
haben zu viel wesens und wirckens mit unsern
eignen kräfften/ biß wir uns endlich zu todt ge-
wühlet/ und was haben wir dann außgerichtet?
Sehet/ wohin uns JEsus weiset in dem Evan-
gelio/ ists nicht dahin/ daß der mensch sehe/ daß
er nichts vermöge? Ach/ daß ihr blind wä-
ret/ aber nun sagt ihr/ ihr seyd sehend/

Joh. 9. Selig seynd/ die da hungert und
dürstet/ selig seynd/ die geistlich arm/

oder arm im geist/ seynd/ Matth. 5. Aber
nun seynd wir/ als jener Sohn/ der da sagte:
Vater/ ich will hingehen/ und wissen nicht/
daß wir todt seynd. Kämen wir nur dahin/
daß wir sähen/ wie wir todte seynd! Könte ichs
dahin bringen/ daß ihr sähet/ wie ihr wäret
arm/ elend/ nacket/ blind und bloß/ und daß
wir dann mit einer stimm zusammen rieffen/ als
dorten jener blinde/ Luc. 18. v. 38. O JEsu/
du Sohn Davids/ erbarme dich unser!

Komm und eyle zu dieser blinden welt/ und gib
uns das gesicht; gewiß/ GOtt würde kommen
und uns sehend machen. O daß doch der tag
einmal da wäre/ den GOtt bestimmet hat/ daß

Babel

Th. IV. Sect. I. Num. XI. Jodoci von Lodenſtein gehaltene rede.
[Spaltenumbruch] um ſage ich/ ein Reformirter Chriſt ohne
geiſt/ iſt ein Atheiſt.
II. Die zweyte ur-
ſach/ daß es bey dem leib ohne geiſt geblieben/
iſt dieſe/ daß der teuffel bey gelegenheit/
daß man alles durch den geiſt wolte und
ſolte thun/ ein ander uͤbel mit der geiſt-
treiberey erwecket.
Da kamen die geiſt-
treiber/ ein Johannes von Leyden/ ein
Knippertolling und andere/ an den tag;
Es lautete alles von einem innerlichen licht/ und
von dem funcken/ den man muͤſſe anblaſen und
erwecken/ und demſelben folgen/ es moͤch-
te mit der Schrifft uͤberein kommen
oder nicht!
Da nun die Reformirte auch an-
fiengen zu ſprechen von dem geiſt/ da muſten ſie
geiſt-treiber heiſſen/ da gieng man gegen ſie
an/ gleich wie es noch geſchicht. Ja was ſag ich?
Die Reformirten ſollen geiſt-treiber ſeyn/
Roͤm. 8. v. 14. Gal. 5. v. 18. Dann alles was
ſie thun/ ſoll durch den geiſt geſchehen. III. Die
dritte urſach/ daß kein geiſt/ ſondeꝛn ein ſtillſtand
erfolget/ iſt/ daß man die buchſtabliche
erkaͤntniß oder erkantniß der buchſtabē/
an ſtatt des geiſtes annim̃t/
und die davon
was wiſſen zu ſprechen fuͤr wahre Chriſten und
glieder/ und fuͤr wahre GOttes-gelehrten und
Theologos haͤlt/ die den geiſt haͤtten: Aber ach
leider/ der buchſtaben toͤdtet ſie/ ob ſie ſchon mey-
nen/ daß ſie leben; Dann ich ſchwoͤre euch vor
GOtt/ daß diß das geiſtliche leben nicht iſt. Ach
es wird meiſtens den weiſen und verſtaͤndigen
verborgen/ und den geringen kindern offenba-
ret/ Matth. 11. v. 25. 26. Glaubt mir/ die
buchſtaben-erkaͤntniß iſt der geiſt nicht. Die
gelehrteſten ſeynd gemeiniglich die veꝛkehꝛteſten;
Darum gebt acht auff euch ſelbſten/ und be-
truͤgt euch nicht/ wie ihrer viel gethan haben.
IV. Die vierte urſach/ daß ein ſtillſtand und
kein geiſt erfolget/ iſt/ dieweil man angefan-
gen leichtſinnig von dem geiſtlichen leben zu ur-
theilen/ und jemand vor einen guten Chri-
ſten achtet/ wann er kein trunckenbold/
kein hurer/ kein flucher oder ſchwoͤrer iſt.

Man haͤlt keinen menſchen fuͤr boͤß/ wann er
das nicht mit vielen boͤſen thaten erweiſet/ und
urtheilet viele hundert fuͤr gute Chriſten/ da
man doch nicht ein einiges keñzeichen des lebens
mercket. Sehet/ welche eine verkehrte ſach iſt
das! Dieſes laufft gantz richtig wider unſere
lehr/ welche lehrt/ daß wir alle von natur boͤß
und verderbt ſeyn; Deme nach kan ich ehender
das boͤſe/ als das gute ſchlieſſen/ und von einem
menſchen/ in dem ich weder| gutes noch boͤſes
ſehe/ urtheilen/ daß er boͤſe ſey. Doch man muß/
ſprichſtu/ nach der liebe urtheilen. Aber ich
antworte/ daß dieſes hier nicht zu paß komme.
Das liebes-urtheil kommt als dann zu paſſe/
wann man ein feindſeliges hertz gegen einen
andern tragen/ und rachgierig ſeyn wolte/ aber
nicht/ wañ ich jemanden heylen und geneſen ma-
chen ſolte/ da wollen die ſtinckende wunden nicht
zugedeckt und beſchoͤnt ſeyn. V. Die fuͤnffte
urſach/ daß es bey dem leib geblieben/ iſt/ daß
die fuͤrſteher
ſelbſten mit der zeit eben ſo ein
verkehrt urtheil gefaͤllet/ und alle ſolche (da
ſie nemlich kein oͤffentliches boͤſe geſehen/ ob ſie
auch ſchonkein gutes geſehen) zu gliedern ge-
macht und angenommen.
Dañ das war ge-
maͤchlich/ und dem intereſſe nicht zu wider. Sie
ſehen/ daß die leute gantz weltlich ſeynd in ihren
[Spaltenumbruch] haͤuſeꝛn uñ kleideꝛn; ſie ſehen/ daß ſie geitzig ſeind/
und gewiñ-ſuͤchtig; oder/ daß ſie boͤſe maximen
und principia oder gruͤnde haben; oder daß ſie
leben in hader und zanck; wuͤrden ſie beſtrafft/
ſo wuͤrden ſie zornig/ und floͤgen einem ins an-
geſicht/ ꝛc. Aber du wirſt ſagen; dieſes ſey nur
eine vorbeygehende boͤſe that/ ob man darum ei-
nen menſchen verurtheilen ſolte? Wie nun?
Jſt welt-und geld-geſinntheit eine vorbeyge-
hende that? und ſo ein menſch zanckt/ welches
geſchicht/ weil er keine gelegenheit mehr darzu
hat/ ſolte ich darum urtheilen/ daß er gut ſey?
und ſo ein menſch in allem die welt zeiget/ ſolte
ich wol urtheilen/ daß das geiſtliche leben in ihm
ſey/ und ihm die gnade verſiegeln? Damit wer-
den die ſeelen der menſchen verdorben. Dann
ſie gedencken/ wann das wahr waͤre/ daß die
welt-geſinntheit eine ſolche ſuͤnde waͤre/ als der
Prediger ſagt/ ſo wuͤrde er ihnen das Sacra-
ment nicht reichen/ es muͤſte demnach ſo arg
nicht ſeyn. Jch weiß wol/ daß man dieſes will
ſchmuͤcken und bedecken: Man ſpricht/ es ge-
ſchehe unter
condition und bedingung/
daß man es ihnen reiche. Aber es waͤre viel von
dieſer bedingung zu ſagen. Man gibts ihnen
auff dieſe bedingung/ wann du inwendig biſt/
wie du auswendig ſcheineſt; nun aber ſcheint
mir der menſch nicht gut/ dann ich ſehe ja kein
gutes/ und dergeſtalt boͤß/ wie ſoll ichs ihm
dann reichen? VI. Die ſechſte urſach iſt/ daß
man ſich betrogen mit der einbildung ei-
genen vermoͤgens;
wir haben gemeint/ wir
koͤnten etwas/ und dachten nicht/ daß wir todt
waͤren in ſuͤnden und miſſethaten/ gantz unkraͤff-
tig/ uns lebendig zu machen. O wann ihr
durch dieſe predigt dahin gelangetet/ daß ihr ſaͤ-
het/ wie ihr todten-beine waͤret/ ſo haͤtte ich be-
reits viel damit von GOtt erhalten.

Wolt ihr nun ſagen/ was ſollen wir dann
thun? Hingehen und verzweiffeln? Nein/ zu
dem ende hab ich es nicht geſagt/ ſondern
(a) daß ihr GOtt moͤchtet die ehre geben alles
des guten/ das ihr habt/ und noch bekommen
werdet. (b) Daß ihr euch in demuth nieder-
werffet/ und harret/ biß es dem HErꝛn gefaͤllet
zu kommen; gleichwie hier/ da war ein leib/
aber der geiſt muſte erwartet werden. Ach wir
haben zu viel weſens und wirckens mit unſern
eignen kraͤfften/ biß wir uns endlich zu todt ge-
wuͤhlet/ und was haben wir dann außgerichtet?
Sehet/ wohin uns JEſus weiſet in dem Evan-
gelio/ iſts nicht dahin/ daß der menſch ſehe/ daß
er nichts vermoͤge? Ach/ daß ihr blind waͤ-
ret/ aber nun ſagt ihr/ ihr ſeyd ſehend/

Joh. 9. Selig ſeynd/ die da hungert und
duͤrſtet/ ſelig ſeynd/ die geiſtlich arm/

oder arm im geiſt/ ſeynd/ Matth. 5. Aber
nun ſeynd wir/ als jener Sohn/ der da ſagte:
Vater/ ich will hingehen/ und wiſſen nicht/
daß wir todt ſeynd. Kaͤmen wir nur dahin/
daß wir ſaͤhen/ wie wir todte ſeynd! Koͤnte ichs
dahin bringen/ daß ihr ſaͤhet/ wie ihr waͤret
arm/ elend/ nacket/ blind und bloß/ und daß
wir dann mit einer ſtimm zuſammen rieffen/ als
dorten jener blinde/ Luc. 18. v. 38. O JEſu/
du Sohn Davids/ erbarme dich unſer!

Komm und eyle zu dieſer blinden welt/ und gib
uns das geſicht; gewiß/ GOtt wuͤrde kommen
und uns ſehend machen. O daß doch der tag
einmal da waͤre/ den GOtt beſtimmet hat/ daß

Babel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0412" n="116"/><fw place="top" type="header">Th. <hi rendition="#aq">IV. Sect. I. Num. XI. Jodoci</hi> von Loden&#x017F;tein gehaltene rede.</fw><lb/><cb/>
um &#x017F;age ich/ <hi rendition="#fr">ein Reformirter Chri&#x017F;t ohne<lb/>
gei&#x017F;t/ i&#x017F;t ein Athei&#x017F;t.</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> Die zweyte ur-<lb/>
&#x017F;ach/ daß es bey dem leib ohne gei&#x017F;t geblieben/<lb/>
i&#x017F;t die&#x017F;e/ <hi rendition="#fr">daß der teuffel bey gelegenheit/<lb/>
daß man alles durch den gei&#x017F;t wolte und<lb/>
&#x017F;olte thun/ ein ander u&#x0364;bel mit der gei&#x017F;t-<lb/>
treiberey erwecket.</hi> Da kamen die gei&#x017F;t-<lb/>
treiber/ ein <hi rendition="#fr">Johannes von Leyden/</hi> ein<lb/><hi rendition="#fr">Knippertolling</hi> und andere/ an den tag;<lb/>
Es lautete alles von einem innerlichen licht/ und<lb/>
von dem funcken/ den man mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e anbla&#x017F;en und<lb/>
erwecken/ <hi rendition="#fr">und dem&#x017F;elben folgen/ es mo&#x0364;ch-<lb/>
te mit der Schrifft u&#x0364;berein kommen<lb/>
oder nicht!</hi> Da nun die Reformirte auch an-<lb/>
fiengen zu &#x017F;prechen von dem gei&#x017F;t/ da mu&#x017F;ten &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#fr">gei&#x017F;t-treiber</hi> hei&#x017F;&#x017F;en/ da gieng man gegen &#x017F;ie<lb/>
an/ gleich wie es noch ge&#x017F;chicht. Ja was &#x017F;ag ich?<lb/>
Die Reformirten &#x017F;ollen gei&#x017F;t-treiber &#x017F;eyn/<lb/>
Ro&#x0364;m. 8. v. 14. Gal. 5. v. 18. Dann alles was<lb/>
&#x017F;ie thun/ &#x017F;oll durch den gei&#x017F;t ge&#x017F;chehen. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die<lb/>
dritte ur&#x017F;ach/ daß kein gei&#x017F;t/ &#x017F;onde&#xA75B;n ein &#x017F;till&#x017F;tand<lb/>
erfolget/ i&#x017F;t/ <hi rendition="#fr">daß man die buch&#x017F;tabliche<lb/>
erka&#x0364;ntniß oder erkantniß der buch&#x017F;tab&#x0113;/<lb/>
an &#x017F;tatt des gei&#x017F;tes annim&#x0303;t/</hi> und die davon<lb/>
was wi&#x017F;&#x017F;en zu &#x017F;prechen fu&#x0364;r wahre Chri&#x017F;ten und<lb/>
glieder/ und fu&#x0364;r wahre GOttes-gelehrten und<lb/><hi rendition="#aq">Theologos</hi> ha&#x0364;lt/ die den gei&#x017F;t ha&#x0364;tten: Aber ach<lb/>
leider/ der buch&#x017F;taben to&#x0364;dtet &#x017F;ie/ ob &#x017F;ie &#x017F;chon mey-<lb/>
nen/ daß &#x017F;ie leben; Dann ich &#x017F;chwo&#x0364;re euch vor<lb/>
GOtt/ daß diß das gei&#x017F;tliche leben nicht i&#x017F;t. Ach<lb/>
es wird mei&#x017F;tens den wei&#x017F;en und ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen<lb/>
verborgen/ und den geringen kindern offenba-<lb/>
ret/ Matth. 11. v. 25. 26. Glaubt mir/ die<lb/>
buch&#x017F;taben-erka&#x0364;ntniß i&#x017F;t der gei&#x017F;t nicht. Die<lb/>
gelehrte&#x017F;ten &#x017F;eynd gemeiniglich die ve&#xA75B;keh&#xA75B;te&#x017F;ten;<lb/>
Darum gebt acht auff euch &#x017F;elb&#x017F;ten/ und be-<lb/>
tru&#x0364;gt euch nicht/ wie ihrer viel gethan haben.<lb/><hi rendition="#aq">IV.</hi> Die vierte ur&#x017F;ach/ daß ein &#x017F;till&#x017F;tand und<lb/>
kein gei&#x017F;t erfolget/ i&#x017F;t/ <hi rendition="#fr">dieweil man</hi> angefan-<lb/>
gen leicht&#x017F;innig von dem gei&#x017F;tlichen leben zu ur-<lb/>
theilen/ und <hi rendition="#fr">jemand vor einen guten Chri-<lb/>
&#x017F;ten achtet/ wann er kein trunckenbold/<lb/>
kein hurer/ kein flucher oder &#x017F;chwo&#x0364;rer i&#x017F;t.</hi><lb/>
Man ha&#x0364;lt keinen men&#x017F;chen fu&#x0364;r bo&#x0364;ß/ wann er<lb/>
das nicht mit vielen bo&#x0364;&#x017F;en thaten erwei&#x017F;et/ und<lb/>
urtheilet viele hundert fu&#x0364;r gute Chri&#x017F;ten/ da<lb/>
man doch nicht ein einiges ken&#x0303;zeichen des lebens<lb/>
mercket. Sehet/ welche eine verkehrte &#x017F;ach i&#x017F;t<lb/>
das! Die&#x017F;es laufft gantz richtig wider un&#x017F;ere<lb/>
lehr/ welche lehrt/ daß wir alle von natur bo&#x0364;ß<lb/>
und verderbt &#x017F;eyn; Deme nach kan ich ehender<lb/>
das bo&#x0364;&#x017F;e/ als das gute &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ und von einem<lb/>
men&#x017F;chen/ in dem ich weder| gutes noch bo&#x0364;&#x017F;es<lb/>
&#x017F;ehe/ urtheilen/ daß er bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;ey. Doch man muß/<lb/>
&#x017F;prich&#x017F;tu/ nach der liebe urtheilen. Aber ich<lb/>
antworte/ daß die&#x017F;es hier nicht zu paß komme.<lb/>
Das liebes-urtheil kommt als dann zu pa&#x017F;&#x017F;e/<lb/>
wann man ein feind&#x017F;eliges hertz gegen einen<lb/>
andern tragen/ und rachgierig &#x017F;eyn wolte/ aber<lb/>
nicht/ wan&#x0303; ich jemanden heylen und gene&#x017F;en ma-<lb/>
chen &#x017F;olte/ da wollen die &#x017F;tinckende wunden nicht<lb/>
zugedeckt und be&#x017F;cho&#x0364;nt &#x017F;eyn. <hi rendition="#aq">V.</hi> Die fu&#x0364;nffte<lb/>
ur&#x017F;ach/ daß es bey dem leib geblieben/ i&#x017F;t/ <hi rendition="#fr">daß<lb/>
die fu&#x0364;r&#x017F;teher</hi> &#x017F;elb&#x017F;ten mit der zeit eben &#x017F;o ein<lb/>
verkehrt urtheil gefa&#x0364;llet/ und <hi rendition="#fr">alle &#x017F;olche</hi> (da<lb/>
&#x017F;ie nemlich kein o&#x0364;ffentliches bo&#x0364;&#x017F;e ge&#x017F;ehen/ ob &#x017F;ie<lb/>
auch &#x017F;chonkein gutes ge&#x017F;ehen) <hi rendition="#fr">zu gliedern ge-<lb/>
macht und angenommen.</hi> Dan&#x0303; das war ge-<lb/>
ma&#x0364;chlich/ und dem <hi rendition="#aq">intere&#x017F;&#x017F;e</hi> nicht zu wider. Sie<lb/>
&#x017F;ehen/ daß die leute gantz weltlich &#x017F;eynd in ihren<lb/><cb/>
ha&#x0364;u&#x017F;e&#xA75B;n un&#x0303; kleide&#xA75B;n; &#x017F;ie &#x017F;ehen/ daß &#x017F;ie geitzig &#x017F;eind/<lb/>
und gewin&#x0303;-&#x017F;u&#x0364;chtig; oder/ daß &#x017F;ie bo&#x0364;&#x017F;e <hi rendition="#aq">maxim</hi>en<lb/>
und <hi rendition="#aq">principia</hi> oder gru&#x0364;nde haben; oder daß &#x017F;ie<lb/>
leben in hader und zanck; wu&#x0364;rden &#x017F;ie be&#x017F;trafft/<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ie zornig/ und flo&#x0364;gen einem ins an-<lb/>
ge&#x017F;icht/ &#xA75B;c. Aber du wir&#x017F;t &#x017F;agen; die&#x017F;es &#x017F;ey nur<lb/>
eine vorbeygehende bo&#x0364;&#x017F;e that/ ob man darum ei-<lb/>
nen men&#x017F;chen verurtheilen &#x017F;olte? Wie nun?<lb/>
J&#x017F;t welt-und geld-ge&#x017F;inntheit eine vorbeyge-<lb/>
hende that? und &#x017F;o ein men&#x017F;ch zanckt/ welches<lb/>
ge&#x017F;chicht/ weil er keine gelegenheit mehr darzu<lb/>
hat/ &#x017F;olte ich darum urtheilen/ daß er gut &#x017F;ey?<lb/>
und &#x017F;o ein men&#x017F;ch in allem die welt zeiget/ &#x017F;olte<lb/>
ich wol urtheilen/ daß das gei&#x017F;tliche leben in ihm<lb/>
&#x017F;ey/ und ihm die gnade ver&#x017F;iegeln? Damit wer-<lb/>
den die &#x017F;eelen der men&#x017F;chen verdorben. Dann<lb/>
&#x017F;ie gedencken/ wann das wahr wa&#x0364;re/ daß die<lb/>
welt-ge&#x017F;inntheit eine &#x017F;olche &#x017F;u&#x0364;nde wa&#x0364;re/ als der<lb/>
Prediger &#x017F;agt/ &#x017F;o wu&#x0364;rde er ihnen das Sacra-<lb/>
ment nicht reichen/ es mu&#x0364;&#x017F;te demnach &#x017F;o arg<lb/>
nicht &#x017F;eyn. Jch weiß wol/ daß man die&#x017F;es will<lb/>
&#x017F;chmu&#x0364;cken und bedecken: Man &#x017F;pricht/ <hi rendition="#fr">es ge-<lb/>
&#x017F;chehe unter</hi> <hi rendition="#aq">condition</hi> <hi rendition="#fr">und bedingung/</hi><lb/>
daß man es ihnen reiche. Aber es wa&#x0364;re viel von<lb/>
die&#x017F;er bedingung zu &#x017F;agen. Man gibts ihnen<lb/>
auff die&#x017F;e bedingung/ wann du inwendig bi&#x017F;t/<lb/>
wie du auswendig &#x017F;cheine&#x017F;t; nun aber &#x017F;cheint<lb/>
mir der men&#x017F;ch nicht gut/ dann ich &#x017F;ehe ja kein<lb/>
gutes/ und derge&#x017F;talt bo&#x0364;ß/ wie &#x017F;oll ichs ihm<lb/>
dann reichen? <hi rendition="#aq">VI.</hi> Die &#x017F;ech&#x017F;te ur&#x017F;ach i&#x017F;t/ daß<lb/><hi rendition="#fr">man &#x017F;ich betrogen mit der einbildung ei-<lb/>
genen vermo&#x0364;gens;</hi> wir haben gemeint/ wir<lb/>
ko&#x0364;nten etwas/ und dachten nicht/ daß wir todt<lb/>
wa&#x0364;ren in &#x017F;u&#x0364;nden und mi&#x017F;&#x017F;ethaten/ gantz unkra&#x0364;ff-<lb/>
tig/ uns lebendig zu machen. O wann ihr<lb/>
durch die&#x017F;e predigt dahin gelangetet/ daß ihr &#x017F;a&#x0364;-<lb/>
het/ wie ihr todten-beine wa&#x0364;ret/ &#x017F;o ha&#x0364;tte ich be-<lb/>
reits viel damit von GOtt erhalten.</p><lb/>
            <p>Wolt ihr nun &#x017F;agen/ was &#x017F;ollen wir dann<lb/>
thun? Hingehen und verzweiffeln? Nein/ zu<lb/>
dem ende hab ich es nicht ge&#x017F;agt/ &#x017F;ondern<lb/>
(<hi rendition="#aq">a</hi>) daß ihr GOtt mo&#x0364;chtet die ehre geben alles<lb/>
des guten/ das ihr habt/ und noch bekommen<lb/>
werdet. (<hi rendition="#aq">b</hi>) Daß ihr euch in demuth nieder-<lb/>
werffet/ und harret/ biß es dem HEr&#xA75B;n gefa&#x0364;llet<lb/>
zu kommen; gleichwie hier/ da war ein leib/<lb/>
aber der gei&#x017F;t mu&#x017F;te erwartet werden. Ach wir<lb/>
haben zu viel we&#x017F;ens und wirckens mit un&#x017F;ern<lb/>
eignen kra&#x0364;fften/ biß wir uns endlich zu todt ge-<lb/>
wu&#x0364;hlet/ und was haben wir dann außgerichtet?<lb/>
Sehet/ wohin uns JE&#x017F;us wei&#x017F;et in dem Evan-<lb/>
gelio/ i&#x017F;ts nicht dahin/ daß der men&#x017F;ch &#x017F;ehe/ daß<lb/>
er nichts vermo&#x0364;ge? <hi rendition="#fr">Ach/ daß ihr blind wa&#x0364;-<lb/>
ret/ aber nun &#x017F;agt ihr/ ihr &#x017F;eyd &#x017F;ehend/</hi><lb/>
Joh. 9. <hi rendition="#fr">Selig &#x017F;eynd/ die da hungert und<lb/>
du&#x0364;r&#x017F;tet/ &#x017F;elig &#x017F;eynd/ die gei&#x017F;tlich arm/</hi><lb/>
oder arm im gei&#x017F;t/ <hi rendition="#fr">&#x017F;eynd/</hi> Matth. 5. Aber<lb/>
nun &#x017F;eynd wir/ als jener Sohn/ der da &#x017F;agte:<lb/><hi rendition="#fr">Vater/ ich will hingehen/</hi> und wi&#x017F;&#x017F;en nicht/<lb/>
daß wir todt &#x017F;eynd. Ka&#x0364;men wir nur dahin/<lb/>
daß wir &#x017F;a&#x0364;hen/ wie wir todte &#x017F;eynd! Ko&#x0364;nte ichs<lb/>
dahin bringen/ daß ihr &#x017F;a&#x0364;het/ wie ihr wa&#x0364;ret<lb/>
arm/ elend/ nacket/ blind und bloß/ und daß<lb/>
wir dann mit einer &#x017F;timm zu&#x017F;ammen rieffen/ als<lb/>
dorten jener blinde/ Luc. 18. v. 38. <hi rendition="#fr">O JE&#x017F;u/<lb/>
du Sohn Davids/ erbarme dich un&#x017F;er!</hi><lb/>
Komm und eyle zu die&#x017F;er blinden welt/ und gib<lb/>
uns das ge&#x017F;icht; gewiß/ GOtt wu&#x0364;rde kommen<lb/>
und uns &#x017F;ehend machen. O daß doch der tag<lb/>
einmal da wa&#x0364;re/ den GOtt be&#x017F;timmet hat/ daß<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Babel</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0412] Th. IV. Sect. I. Num. XI. Jodoci von Lodenſtein gehaltene rede. um ſage ich/ ein Reformirter Chriſt ohne geiſt/ iſt ein Atheiſt. II. Die zweyte ur- ſach/ daß es bey dem leib ohne geiſt geblieben/ iſt dieſe/ daß der teuffel bey gelegenheit/ daß man alles durch den geiſt wolte und ſolte thun/ ein ander uͤbel mit der geiſt- treiberey erwecket. Da kamen die geiſt- treiber/ ein Johannes von Leyden/ ein Knippertolling und andere/ an den tag; Es lautete alles von einem innerlichen licht/ und von dem funcken/ den man muͤſſe anblaſen und erwecken/ und demſelben folgen/ es moͤch- te mit der Schrifft uͤberein kommen oder nicht! Da nun die Reformirte auch an- fiengen zu ſprechen von dem geiſt/ da muſten ſie geiſt-treiber heiſſen/ da gieng man gegen ſie an/ gleich wie es noch geſchicht. Ja was ſag ich? Die Reformirten ſollen geiſt-treiber ſeyn/ Roͤm. 8. v. 14. Gal. 5. v. 18. Dann alles was ſie thun/ ſoll durch den geiſt geſchehen. III. Die dritte urſach/ daß kein geiſt/ ſondeꝛn ein ſtillſtand erfolget/ iſt/ daß man die buchſtabliche erkaͤntniß oder erkantniß der buchſtabē/ an ſtatt des geiſtes annim̃t/ und die davon was wiſſen zu ſprechen fuͤr wahre Chriſten und glieder/ und fuͤr wahre GOttes-gelehrten und Theologos haͤlt/ die den geiſt haͤtten: Aber ach leider/ der buchſtaben toͤdtet ſie/ ob ſie ſchon mey- nen/ daß ſie leben; Dann ich ſchwoͤre euch vor GOtt/ daß diß das geiſtliche leben nicht iſt. Ach es wird meiſtens den weiſen und verſtaͤndigen verborgen/ und den geringen kindern offenba- ret/ Matth. 11. v. 25. 26. Glaubt mir/ die buchſtaben-erkaͤntniß iſt der geiſt nicht. Die gelehrteſten ſeynd gemeiniglich die veꝛkehꝛteſten; Darum gebt acht auff euch ſelbſten/ und be- truͤgt euch nicht/ wie ihrer viel gethan haben. IV. Die vierte urſach/ daß ein ſtillſtand und kein geiſt erfolget/ iſt/ dieweil man angefan- gen leichtſinnig von dem geiſtlichen leben zu ur- theilen/ und jemand vor einen guten Chri- ſten achtet/ wann er kein trunckenbold/ kein hurer/ kein flucher oder ſchwoͤrer iſt. Man haͤlt keinen menſchen fuͤr boͤß/ wann er das nicht mit vielen boͤſen thaten erweiſet/ und urtheilet viele hundert fuͤr gute Chriſten/ da man doch nicht ein einiges keñzeichen des lebens mercket. Sehet/ welche eine verkehrte ſach iſt das! Dieſes laufft gantz richtig wider unſere lehr/ welche lehrt/ daß wir alle von natur boͤß und verderbt ſeyn; Deme nach kan ich ehender das boͤſe/ als das gute ſchlieſſen/ und von einem menſchen/ in dem ich weder| gutes noch boͤſes ſehe/ urtheilen/ daß er boͤſe ſey. Doch man muß/ ſprichſtu/ nach der liebe urtheilen. Aber ich antworte/ daß dieſes hier nicht zu paß komme. Das liebes-urtheil kommt als dann zu paſſe/ wann man ein feindſeliges hertz gegen einen andern tragen/ und rachgierig ſeyn wolte/ aber nicht/ wañ ich jemanden heylen und geneſen ma- chen ſolte/ da wollen die ſtinckende wunden nicht zugedeckt und beſchoͤnt ſeyn. V. Die fuͤnffte urſach/ daß es bey dem leib geblieben/ iſt/ daß die fuͤrſteher ſelbſten mit der zeit eben ſo ein verkehrt urtheil gefaͤllet/ und alle ſolche (da ſie nemlich kein oͤffentliches boͤſe geſehen/ ob ſie auch ſchonkein gutes geſehen) zu gliedern ge- macht und angenommen. Dañ das war ge- maͤchlich/ und dem intereſſe nicht zu wider. Sie ſehen/ daß die leute gantz weltlich ſeynd in ihren haͤuſeꝛn uñ kleideꝛn; ſie ſehen/ daß ſie geitzig ſeind/ und gewiñ-ſuͤchtig; oder/ daß ſie boͤſe maximen und principia oder gruͤnde haben; oder daß ſie leben in hader und zanck; wuͤrden ſie beſtrafft/ ſo wuͤrden ſie zornig/ und floͤgen einem ins an- geſicht/ ꝛc. Aber du wirſt ſagen; dieſes ſey nur eine vorbeygehende boͤſe that/ ob man darum ei- nen menſchen verurtheilen ſolte? Wie nun? Jſt welt-und geld-geſinntheit eine vorbeyge- hende that? und ſo ein menſch zanckt/ welches geſchicht/ weil er keine gelegenheit mehr darzu hat/ ſolte ich darum urtheilen/ daß er gut ſey? und ſo ein menſch in allem die welt zeiget/ ſolte ich wol urtheilen/ daß das geiſtliche leben in ihm ſey/ und ihm die gnade verſiegeln? Damit wer- den die ſeelen der menſchen verdorben. Dann ſie gedencken/ wann das wahr waͤre/ daß die welt-geſinntheit eine ſolche ſuͤnde waͤre/ als der Prediger ſagt/ ſo wuͤrde er ihnen das Sacra- ment nicht reichen/ es muͤſte demnach ſo arg nicht ſeyn. Jch weiß wol/ daß man dieſes will ſchmuͤcken und bedecken: Man ſpricht/ es ge- ſchehe unter condition und bedingung/ daß man es ihnen reiche. Aber es waͤre viel von dieſer bedingung zu ſagen. Man gibts ihnen auff dieſe bedingung/ wann du inwendig biſt/ wie du auswendig ſcheineſt; nun aber ſcheint mir der menſch nicht gut/ dann ich ſehe ja kein gutes/ und dergeſtalt boͤß/ wie ſoll ichs ihm dann reichen? VI. Die ſechſte urſach iſt/ daß man ſich betrogen mit der einbildung ei- genen vermoͤgens; wir haben gemeint/ wir koͤnten etwas/ und dachten nicht/ daß wir todt waͤren in ſuͤnden und miſſethaten/ gantz unkraͤff- tig/ uns lebendig zu machen. O wann ihr durch dieſe predigt dahin gelangetet/ daß ihr ſaͤ- het/ wie ihr todten-beine waͤret/ ſo haͤtte ich be- reits viel damit von GOtt erhalten. Wolt ihr nun ſagen/ was ſollen wir dann thun? Hingehen und verzweiffeln? Nein/ zu dem ende hab ich es nicht geſagt/ ſondern (a) daß ihr GOtt moͤchtet die ehre geben alles des guten/ das ihr habt/ und noch bekommen werdet. (b) Daß ihr euch in demuth nieder- werffet/ und harret/ biß es dem HErꝛn gefaͤllet zu kommen; gleichwie hier/ da war ein leib/ aber der geiſt muſte erwartet werden. Ach wir haben zu viel weſens und wirckens mit unſern eignen kraͤfften/ biß wir uns endlich zu todt ge- wuͤhlet/ und was haben wir dann außgerichtet? Sehet/ wohin uns JEſus weiſet in dem Evan- gelio/ iſts nicht dahin/ daß der menſch ſehe/ daß er nichts vermoͤge? Ach/ daß ihr blind waͤ- ret/ aber nun ſagt ihr/ ihr ſeyd ſehend/ Joh. 9. Selig ſeynd/ die da hungert und duͤrſtet/ ſelig ſeynd/ die geiſtlich arm/ oder arm im geiſt/ ſeynd/ Matth. 5. Aber nun ſeynd wir/ als jener Sohn/ der da ſagte: Vater/ ich will hingehen/ und wiſſen nicht/ daß wir todt ſeynd. Kaͤmen wir nur dahin/ daß wir ſaͤhen/ wie wir todte ſeynd! Koͤnte ichs dahin bringen/ daß ihr ſaͤhet/ wie ihr waͤret arm/ elend/ nacket/ blind und bloß/ und daß wir dann mit einer ſtimm zuſammen rieffen/ als dorten jener blinde/ Luc. 18. v. 38. O JEſu/ du Sohn Davids/ erbarme dich unſer! Komm und eyle zu dieſer blinden welt/ und gib uns das geſicht; gewiß/ GOtt wuͤrde kommen und uns ſehend machen. O daß doch der tag einmal da waͤre/ den GOtt beſtimmet hat/ daß Babel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/412
Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/412>, abgerufen am 22.12.2024.