Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Th. IV. Sect. II. Num. IX. Magdeburgische streit-händel. [Spaltenumbruch]
des ausschusses und Ministerii Christlich undwol bestellet/ und geordnet/ wiederum gantz schändlich zerfallen. Und wiewol man offt dar- um angehalten und gebeten/ daß es um vieler/ großwichtiger und nothwendigen ursachen wil- len wiederum bestellet/ und angerichtet würde/ und also in seinem esse seyn und bleiben möch- te/ hat man doch beymerbarn Rath nichts kön- nen erheben/ noch erhalten/ und ist also/ wie man sagt/ im dreck oder asche liegen blieben. Darnach ist auch das Ministerium gantz schändlich zertrennet und zertheilet gewesen; denn die fünff falsche verbannete brüder hatten sich selbst muthwillig und trotzig ohne alle billi- ge ursachen von ihrem Superintendenten und Ministerio abgesondert/ und hatten sich an den Rath gehenget; die beyden heuchler/ augen-und bauch-knechte/ Herr Bastian und David/ wur- den zu Neutralisten/ Periculisten und wetter- hanen/ trugen den baum auf beyden achseln/ und warteten des glücks/ und aus welchem loch der wind herblasen würde/ auff daß sie den mantel dahin hengen möchten; wenn keine gefahr zu besorgen/ stunden sie uns bey/ wenns aber kap- pen geben solte/ nahmen sie das refugium, und blieben daheim; wolten zwar gerne den namen haben/ wie alle heuchler/ daß sie rechtschaffen wären/ aber in der that und wahrheit befand sichs viel anders. Der achtbare HErr D. Ti- lemannus Heshusius unser Superintendens war seines amts entsetzet und dazu eingelegt. Dem Herrn Wilhelmo war auch sein dienst vom erbaren Rath auffgesagt/ und in wenig ta- gen die stadt zu räumen ernstlich geboten; wir andern waren auch dermassen zertrennet/ und von einander gerissen/ daß wir sämtlich unser amt nicht also führen konten/ wie wir wol sol- ten und vonnöthen war. Die Seniores und an- dere sagten nichts sonderlichs dawieder/ daß ein erbarer Rath wider alles recht und billigkeit/ zusage/ bestallung/ ja eigen siegel und briefe dem Herrn Superintendenten so gantz unor- dentlich unerkanter sachen die Superintendentz und amt erlegt und auffgekündiget/ und uns der angelobten und zugesagten schuldigen ehr- erbietung und gehorsams benommen/ und uns davon frey/ ledig und loß sprachen. Jch und Herr Jacobus Bulderberg Capellan zum Heil. Geist protestirten und baten/ ver- mahneten und fleheten/ man wolte doch or- dentlicher und Christlicher mit solchen hohen und wichtigen sachen umgehen/ und nicht also geschwinde fortfahren/ wie man ange- fangen/ auff daß ein erbarer Rath nicht selbst bey den unterthanen und allen nachkommen schimpff/ schande/ hohn und spott einlegten/ und in unüberwindlichen schaden führen möch- ten. Aber was hats geholffen/ wer hat ge- folgt? Nullus & nemo. Darum so stehet und gehet es auch/ wie man für augen siehet/ und mit schmertzen erfähret. Uber das/ so stunde es also/ daß schier niemand ohne gefahr dawieder mucken durffte/ was die Tyrannen und verfol- ger fürnahmen und thaten/ und war auch/ wie ich glaubwürdig berichtet/ des dienstages zu- vor/ ehe der Christliche bann von mir erkläret/ über mich berathschlagt und auch beschlossen/ daß ich nicht wiederum solte auff die cantzel kommen/ sondern meines amtes entsetzet wer- den/ darum daß ich des Montages nach Mi- [Spaltenumbruch] chaelis die letzte vermahnung/ das dic Ecclesiae- oder buß-predigt zu scharff gemacht/ und ihnen die bittere wahrheit öffentlich gesagt/ und sie da- durch noch zur Christlichen busse vermahnet hatte. Und gieng in summa allenthalben im geistlichen regiment also jämmerlich zu/ daß es zu erbarmen/ und war nun an dem/ daß nie- mand mehr durffte auff einen andern sehen/ was der thäte/ oder wie er sich hielte/ oder nicht/ sondern stund einem jeden darauff/ daß er sein amt also führen und verrichten muste/ daß er sein gewissen nicht beschwerete/ und seinen eiden und pflichten/ so er GOtt dem allmächtigen und der gemeine in der ordination gethan/ zu- gesagt und angelobt/ auf seine eigene gefahr und ebentheuer muste nachsetzen/ und also handeln/ wie ers für GOtt und allen frommen Christen wüste zu verantworten. Darnach so stund es auch im weltlichen regiment nicht allzuwol; denn da wolte sich niemand mehr weisen/ ra- then/ vermahnen/ warnen/ straffen/ noch sagen lassen/ sondern jedermann that was ihm gelüste- te/ und was er wolte/ und trotz/ daß einer ein wort dazu gesagt hätte/ das ihnen zuwider ge- wesen wäre; und wurden also die Regenten je länger je ärger/ und halsstarriger/ begingen eine sünde über die andere/ legten die hände an die gesalbte des Herrn/ nahmen etliche gefangen/ et- liche entsetzten sie vom amte und dienste/ und bestri- cktten sie dazu in den häusern/ etliche entsetzten sie vom amte und geboten ihnen ernstlich/ die stadt in wenig tagen zu räume/ unerkanter sachen/ wider alles recht und billigkeit/ daß sie alsodem H. Geist einen knebel ins maul legten/ und sie ohn allen scheu und hinderniß ihren muthwillenüben/ und ihr böses und gottloses fürnehmen ausrichten möchten. Und war solches alles öffentlich und stadt-und land-rüchtig/ und betrübte alle from- me Christen in Magdeburg/ und brachte groß ärgerniß auch bey allen frommen. Jn des Matthaei Judicis schrifft stehen folgen- tig
Th. IV. Sect. II. Num. IX. Magdeburgiſche ſtreit-haͤndel. [Spaltenumbruch]
des ausſchuſſes und Miniſterii Chriſtlich undwol beſtellet/ und geordnet/ wiederum gantz ſchaͤndlich zerfallen. Und wiewol man offt dar- um angehalten und gebeten/ daß es um vieler/ großwichtiger und nothwendigen urſachen wil- len wiederum beſtellet/ und angerichtet wuͤrde/ und alſo in ſeinem eſſe ſeyn und bleiben moͤch- te/ hat man doch beymerbarn Rath nichts koͤn- nen erheben/ noch erhalten/ und iſt alſo/ wie man ſagt/ im dreck oder aſche liegen blieben. Darnach iſt auch das Miniſterium gantz ſchaͤndlich zertrennet und zertheilet geweſen; denn die fuͤnff falſche verbannete bruͤder hatten ſich ſelbſt muthwillig und trotzig ohne alle billi- ge urſachen von ihrem Superintendenten und Miniſterio abgeſondert/ und hatten ſich an den Rath gehenget; die beyden heuchler/ augen-und bauch-knechte/ Herꝛ Baſtian und David/ wur- den zu Neutraliſten/ Periculiſten und wetter- hanen/ trugen den baum auf beyden achſeln/ und warteten des gluͤcks/ und aus welchem loch der wind herblaſen wuͤrde/ auff daß ſie den mantel dahin hengen moͤchten; wenn keine gefahr zu beſorgen/ ſtunden ſie uns bey/ wenns aber kap- pen geben ſolte/ nahmen ſie das refugium, und blieben daheim; wolten zwar gerne den namen haben/ wie alle heuchler/ daß ſie rechtſchaffen waͤren/ aber in der that und wahrheit befand ſichs viel anders. Der achtbare HErꝛ D. Ti- lemannus Heshuſius unſer Superintendens war ſeines amts entſetzet und dazu eingelegt. Dem Herꝛn Wilhelmo war auch ſein dienſt vom erbaren Rath auffgeſagt/ und in wenig ta- gen die ſtadt zu raͤumen ernſtlich geboten; wir andern waren auch dermaſſen zertrennet/ und von einander geriſſen/ daß wir ſaͤmtlich unſer amt nicht alſo fuͤhꝛen konten/ wie wir wol ſol- ten und vonnoͤthen war. Die Seniores und an- dere ſagten nichts ſonderlichs dawieder/ daß ein erbarer Rath wider alles recht und billigkeit/ zuſage/ beſtallung/ ja eigen ſiegel und briefe dem Herꝛn Superintendenten ſo gantz unor- dentlich unerkanter ſachen die Superintendentz und amt erlegt und auffgekuͤndiget/ und uns der angelobten und zugeſagten ſchuldigen ehr- erbietung und gehorſams benommen/ und uns davon frey/ ledig und loß ſprachen. Jch und Herꝛ Jacobus Bulderberg Capellan zum Heil. Geiſt proteſtirten und baten/ ver- mahneten und fleheten/ man wolte doch or- dentlicher und Chriſtlicher mit ſolchen hohen und wichtigen ſachen umgehen/ und nicht alſo geſchwinde fortfahren/ wie man ange- fangen/ auff daß ein erbarer Rath nicht ſelbſt bey den unterthanen und allen nachkommen ſchimpff/ ſchande/ hohn und ſpott einlegten/ und in unuͤberwindlichen ſchaden fuͤhren moͤch- ten. Aber was hats geholffen/ wer hat ge- folgt? Nullus & nemo. Darum ſo ſtehet und gehet es auch/ wie man fuͤr augen ſiehet/ und mit ſchmertzen erfaͤhret. Uber das/ ſo ſtunde es alſo/ daß ſchier niemand ohne gefahr dawieder mucken durffte/ was die Tyrannen und verfol- ger fuͤrnahmen und thaten/ und war auch/ wie ich glaubwuͤrdig berichtet/ des dienſtages zu- vor/ ehe der Chriſtliche bann von mir erklaͤret/ uͤber mich berathſchlagt und auch beſchloſſen/ daß ich nicht wiederum ſolte auff die cantzel kommen/ ſondern meines amtes entſetzet wer- den/ darum daß ich des Montages nach Mi- [Spaltenumbruch] chaëlis die letzte vermahnung/ das dic Eccleſiæ- oder buß-predigt zu ſcharff gemacht/ und ihnen die bittere wahrheit oͤffentlich geſagt/ und ſie da- durch noch zur Chriſtlichen buſſe vermahnet hatte. Und gieng in ſumma allenthalben im geiſtlichen regiment alſo jaͤmmerlich zu/ daß es zu erbarmen/ und war nun an dem/ daß nie- mand mehr durffte auff einen andern ſehen/ was der thaͤte/ oder wie er ſich hielte/ oder nicht/ ſondern ſtund einem jeden darauff/ daß er ſein amt alſo fuͤhren und verrichten muſte/ daß er ſein gewiſſen nicht beſchwerete/ und ſeinen eiden und pflichten/ ſo er GOtt dem allmaͤchtigen und der gemeine in der ordination gethan/ zu- geſagt und angelobt/ auf ſeine eigene gefahr und ebentheuer muſte nachſetzen/ und alſo handeln/ wie ers fuͤr GOtt und allen frommen Chriſten wuͤſte zu verantworten. Darnach ſo ſtund es auch im weltlichen regiment nicht allzuwol; denn da wolte ſich niemand mehr weiſen/ ra- then/ vermahnen/ warnen/ ſtraffen/ noch ſagen laſſen/ ſondern jedermañ that was ihm geluͤſte- te/ und was er wolte/ und trotz/ daß einer ein wort dazu geſagt haͤtte/ das ihnen zuwider ge- weſen waͤre; und wurden alſo die Regenten je laͤnger je aͤrger/ und halsſtarriger/ begingen eine ſuͤnde uͤber die andere/ legten die haͤnde an die geſalbtē des Herꝛn/ nahmen etliche gefangen/ et- liche entſetzten ſie vom amte uñ dienſte/ und beſtꝛi- cktten ſie dazu in den haͤuſern/ etliche entſetzten ſie vom amte uñ geboten ihnen ernſtlich/ die ſtadt in wenig tagen zu raͤumē/ unerkanter ſachen/ wider alles recht uñ billigkeit/ daß ſie alſodem H. Geiſt einen knebel ins maul legten/ und ſie ohn allen ſcheu und hindeꝛniß ihren muthwillenuͤben/ und ihr boͤſes und gottloſes fuͤrnehmen ausrichten moͤchten. Und war ſolches alles oͤffentlich und ſtadt-und land-ruͤchtig/ und betruͤbte alle from- me Chriſten in Magdeburg/ und brachte groß aͤrgerniß auch bey allen frommen. Jn des Matthæi Judicis ſchrifft ſtehen folgen- tig
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Th. IV. Sect. II. Num. IX. Magdeburgiſche ſtreit-haͤndel.
des ausſchuſſes und Miniſterii Chriſtlich und
wol beſtellet/ und geordnet/ wiederum gantz
ſchaͤndlich zerfallen. Und wiewol man offt dar-
um angehalten und gebeten/ daß es um vieler/
großwichtiger und nothwendigen urſachen wil-
len wiederum beſtellet/ und angerichtet wuͤrde/
und alſo in ſeinem eſſe ſeyn und bleiben moͤch-
te/ hat man doch beymerbarn Rath nichts koͤn-
nen erheben/ noch erhalten/ und iſt alſo/ wie
man ſagt/ im dreck oder aſche liegen blieben.
Darnach iſt auch das Miniſterium gantz
ſchaͤndlich zertrennet und zertheilet geweſen;
denn die fuͤnff falſche verbannete bruͤder hatten
ſich ſelbſt muthwillig und trotzig ohne alle billi-
ge urſachen von ihrem Superintendenten und
Miniſterio abgeſondert/ und hatten ſich an den
Rath gehenget; die beyden heuchler/ augen-und
bauch-knechte/ Herꝛ Baſtian und David/ wur-
den zu Neutraliſten/ Periculiſten und wetter-
hanen/ trugen den baum auf beyden achſeln/ und
warteten des gluͤcks/ und aus welchem loch der
wind herblaſen wuͤrde/ auff daß ſie den mantel
dahin hengen moͤchten; wenn keine gefahr zu
beſorgen/ ſtunden ſie uns bey/ wenns aber kap-
pen geben ſolte/ nahmen ſie das refugium, und
blieben daheim; wolten zwar gerne den namen
haben/ wie alle heuchler/ daß ſie rechtſchaffen
waͤren/ aber in der that und wahrheit befand
ſichs viel anders. Der achtbare HErꝛ D. Ti-
lemannus Heshuſius unſer Superintendens
war ſeines amts entſetzet und dazu eingelegt.
Dem Herꝛn Wilhelmo war auch ſein dienſt
vom erbaren Rath auffgeſagt/ und in wenig ta-
gen die ſtadt zu raͤumen ernſtlich geboten; wir
andern waren auch dermaſſen zertrennet/ und
von einander geriſſen/ daß wir ſaͤmtlich unſer
amt nicht alſo fuͤhꝛen konten/ wie wir wol ſol-
ten und vonnoͤthen war. Die Seniores und an-
dere ſagten nichts ſonderlichs dawieder/ daß ein
erbarer Rath wider alles recht und billigkeit/
zuſage/ beſtallung/ ja eigen ſiegel und briefe
dem Herꝛn Superintendenten ſo gantz unor-
dentlich unerkanter ſachen die Superintendentz
und amt erlegt und auffgekuͤndiget/ und uns
der angelobten und zugeſagten ſchuldigen ehr-
erbietung und gehorſams benommen/ und
uns davon frey/ ledig und loß ſprachen. Jch
und Herꝛ Jacobus Bulderberg Capellan
zum Heil. Geiſt proteſtirten und baten/ ver-
mahneten und fleheten/ man wolte doch or-
dentlicher und Chriſtlicher mit ſolchen hohen
und wichtigen ſachen umgehen/ und nicht
alſo geſchwinde fortfahren/ wie man ange-
fangen/ auff daß ein erbarer Rath nicht ſelbſt
bey den unterthanen und allen nachkommen
ſchimpff/ ſchande/ hohn und ſpott einlegten/
und in unuͤberwindlichen ſchaden fuͤhren moͤch-
ten. Aber was hats geholffen/ wer hat ge-
folgt? Nullus & nemo. Darum ſo ſtehet und
gehet es auch/ wie man fuͤr augen ſiehet/ und
mit ſchmertzen erfaͤhret. Uber das/ ſo ſtunde es
alſo/ daß ſchier niemand ohne gefahr dawieder
mucken durffte/ was die Tyrannen und verfol-
ger fuͤrnahmen und thaten/ und war auch/ wie
ich glaubwuͤrdig berichtet/ des dienſtages zu-
vor/ ehe der Chriſtliche bann von mir erklaͤret/
uͤber mich berathſchlagt und auch beſchloſſen/
daß ich nicht wiederum ſolte auff die cantzel
kommen/ ſondern meines amtes entſetzet wer-
den/ darum daß ich des Montages nach Mi-
chaëlis die letzte vermahnung/ das dic Eccleſiæ-
oder buß-predigt zu ſcharff gemacht/ und ihnen
die bittere wahrheit oͤffentlich geſagt/ und ſie da-
durch noch zur Chriſtlichen buſſe vermahnet
hatte. Und gieng in ſumma allenthalben im
geiſtlichen regiment alſo jaͤmmerlich zu/ daß es
zu erbarmen/ und war nun an dem/ daß nie-
mand mehr durffte auff einen andern ſehen/
was der thaͤte/ oder wie er ſich hielte/ oder nicht/
ſondern ſtund einem jeden darauff/ daß er ſein
amt alſo fuͤhren und verrichten muſte/ daß er ſein
gewiſſen nicht beſchwerete/ und ſeinen eiden
und pflichten/ ſo er GOtt dem allmaͤchtigen
und der gemeine in der ordination gethan/ zu-
geſagt und angelobt/ auf ſeine eigene gefahr und
ebentheuer muſte nachſetzen/ und alſo handeln/
wie ers fuͤr GOtt und allen frommen Chriſten
wuͤſte zu verantworten. Darnach ſo ſtund es
auch im weltlichen regiment nicht allzuwol;
denn da wolte ſich niemand mehr weiſen/ ra-
then/ vermahnen/ warnen/ ſtraffen/ noch ſagen
laſſen/ ſondern jedermañ that was ihm geluͤſte-
te/ und was er wolte/ und trotz/ daß einer ein
wort dazu geſagt haͤtte/ das ihnen zuwider ge-
weſen waͤre; und wurden alſo die Regenten je
laͤnger je aͤrger/ und halsſtarriger/ begingen eine
ſuͤnde uͤber die andere/ legten die haͤnde an die
geſalbtē des Herꝛn/ nahmen etliche gefangen/ et-
liche entſetzten ſie vom amte uñ dienſte/ und beſtꝛi-
cktten ſie dazu in den haͤuſern/ etliche entſetzten ſie
vom amte uñ geboten ihnen ernſtlich/ die ſtadt in
wenig tagen zu raͤumē/ unerkanter ſachen/ wider
alles recht uñ billigkeit/ daß ſie alſodem H. Geiſt
einen knebel ins maul legten/ und ſie ohn allen
ſcheu und hindeꝛniß ihren muthwillenuͤben/ und
ihr boͤſes und gottloſes fuͤrnehmen ausrichten
moͤchten. Und war ſolches alles oͤffentlich und
ſtadt-und land-ruͤchtig/ und betruͤbte alle from-
me Chriſten in Magdeburg/ und brachte groß
aͤrgerniß auch bey allen frommen.
Jn des Matthæi Judicis ſchrifft ſtehen folgen-
de anmerckungs wuͤrdige puncte/ da der Auctor
erſtlich einen brief von Amsdorffen producirete/
in welchem dieſer beklaget/ daß der Magdebur-
giſche Rath ſeine Prediger faſt alle auff einmal
abgeſetzet/ und zwar unſchuldiger weiſe; (wie ſie
deñ ſelbige/ und ſondeꝛlich D. Heſhuſiꝰ, auf einem
ſchinder-karren zum thor hinaus fuͤhren laſſen)
Amsdorffs brieff lautet alſo: Die ſonderliche
that derer von Magdeburg/ welche auch ein
ſonderlich zeichen iſt der Gottloſigkeit/ kan ich
nicht loben/ denn es ſtehet geſchrieben: Die
erſten werden die letzten/ und die letzten werden
die erſten ſeyn. Dabey wirds wohl bleiben.
Das aber iſt laͤcherlich/ daß ſie ſchreiben/ als
ſolte ich ihnen zu ſolcher Gottloſen tyranney
urſach gegeben haben. Von Illyrico halte ich/
ſo viel aus ſeinen ſchrifften zu ſehen iſt/ daß
er in der Lehre rein und unſtraͤfflich ſey. Wie
koͤnnen ſie nun aus ſolchem zeugnis ihre tyran-
ney erweiſen. Wenn der Pfarrer zum Heili-
gen Geiſt meinen brieff alſo deutet/ ſo thut er
ſeiner art nach/ der ungelehrte und uͤber die
maß hoffaͤrtige Mann/ als der nirgend etwas
ſtudiert/ ſondern aus der ſchulen zu Magde-
burg zum Predig-amt genommen/ und hat
allewege etwas fuͤr andern ſeyn wollen/ als der
nun auch einen eigenen Catechiſmum machte/
denn Lutheri Catechiſmus gilt nichts bey
ihm/ er kans alles beſſer. Wo er Gottesfuͤrch-
tig
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Zitationshilfe: | Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/404>, abgerufen am 16.07.2024. |