Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Th. IV. Sect. II. Num. I. Von händeln/ so in Sachsen der Religion halben [Spaltenumbruch]
nach nicht alleine Bucerus und andere Ober-ländische Theologi viel schreiben zum Philippo gen Wittenberg; es ließ sonst auch Philippus viel heimliche schrifften an die kirchen-diener zu Zürch ausgehe/ um welche D. Luther gar nichts wuste/ also daß sich Philipp gege seine geheim- teste freunde und discipulos vermercken liesse/ daß ers im artickul de coena domini nicht aller dinge und durch aus mit Luthero hielt. Doch ließ er seinen affect dermassen in geheim und verborgen bleiben/ damit solches dem Luther nicht kund gethan würde; aber gleichwol liessen sich die Tigurini, als nemlich Conradus Pellica- nus, Theodorus Bibliander/ Leo Judae, Hen- ricus Bullingerus, allesamt einhellig verneh- men/ daß sie in allen sachen dem Herrn Philippo könten subscribiren/ und nicht dem Luthero. Ob aber Lutherus des Philippi consensum und verständniß mit dem Tigurinis gründlich erfahren habe oder nicht/ kan man nicht eigent- lich wissen; aber so viel D. Joachim Moerlin von diesen händeln weiß/ berichtet er/ daß Lutherus gesagt soll haben/ er wolte gerne wün- schen/ daß Philippus in diesen puncten nichts im maul verborgens bey sich behielte/ und seine meinung deutlich und klar heraus sagte. Ob nun wol Lutherus Philippum sehr hoch und lieb hielt/ jedoch ist es gewißlich wahr/ daß Phi- lippus allewege Lutherum in den gedancken ihm selbst einbildete/ als wolle es Lutherus gantz und gar alleine seyn/ und wolte ihm dem Philip- po nicht gerne zulassen occasionem emergendi vel inclarescendi. Ließ aber diesen seinen affect mit dem wenigsten nicht mercken. Darzu ob gleich Herr Philippus in Teutschland omnium doctissimus & officiosissimus, weil er gerne je- dermann mit rath und that dienete/ jedoch wenn er etwas vel publice vel privatim tractirte/ daran noch jemands wolte entweder dubitiren/ oder nicht von stund an pro authentico hat an- genommen/ über denselben ward Philippus von stund an unlustig/ und derwegen/ wo er jemand zu examiniren oder einzureden hatte/ nennet er ihn von stund an einen bonum cuculum vel asinum nihil intelligentem: War er aber eine ansehn- liche person/ der etwan einen zweiffel/ wie ob- gemeldet/ hätte gehabt/ so ließ er solchen un- muth bleiben/ und sich desselben im wenigsten gegen solchen menschen nicht mercken/ doch zeigete er solchen seinen heimlichen affect seinen geheimtesten freunden/ die täglich mit ihm um- gingen/ als da waren Vitus Winshemius, Marcellus, Jacobus Milichius, & pauci alii. und erzeigte doch nichts destoweniger demjeni- gen/ über welchen er ein heimliches mißfallen hatte/ omnia genera officiorum. So begab sich nun fast um dieselbe zeit auch/ daß M. Georg Aemilius als ein privatus discipulus Philippi etlicher puncten halber in sacramento coenae do- minicae ihn den Praeceptorem fragte/ darinne er sententiae Lutheri zu wieder war/ was hierin- nen zu halten wäre? hierauff antwortete ihm Philippus, Lutherus hätte nimis crasse von der sache geschrieben; Da meinstu/ saget er/ daß sich CHristus mit zähnen zerreissen/ und durch den leib wieder wird ausgeben lassen. Da nun gedachter Aemyl[i]us hierauf anhielt/ Denn nachdem Philippus acutissimi ac per- Diesen errorem hatte er zwar längst zuvor auff
Th. IV. Sect. II. Num. I. Von haͤndeln/ ſo in Sachſen der Religion halben [Spaltenumbruch]
nach nicht alleine Bucerus und andere Ober-laͤndiſche Theologi viel ſchreiben zum Philippo gen Wittenberg; es ließ ſonſt auch Philippus viel heimliche ſchrifften an die kirchen-diener zu Zuͤrch ausgehē/ um welche D. Luther gar nichts wuſte/ alſo daß ſich Philippꝰ gegē ſeine geheim- teſte freunde uñ diſcipulos vermercken lieſſe/ daß ers im artickul de cœna domini nicht aller dinge und durch aus mit Luthero hielt. Doch ließ er ſeinen affect dermaſſen in geheim und verborgen bleiben/ damit ſolches dem Luther nicht kund gethan wuͤrde; aber gleichwol lieſſen ſich die Tigurini, als nemlich Conradus Pellica- nus, Theodorus Bibliander/ Leo Judæ, Hen- ricus Bullingerus, alleſamt einhellig verneh- men/ daß ſie in allen ſachen dem Herꝛn Philippo koͤnten ſubſcribiren/ und nicht dem Luthero. Ob aber Lutherus des Philippi conſenſum und verſtaͤndniß mit dem Tigurinis gruͤndlich erfahren habe oder nicht/ kan man nicht eigent- lich wiſſen; aber ſo viel D. Joachim Mœrlin von dieſen haͤndeln weiß/ berichtet er/ daß Lutherus geſagt ſoll haben/ er wolte gerne wuͤn- ſchen/ daß Philippus in dieſen puncten nichts im maul verborgens bey ſich behielte/ und ſeine meinung deutlich und klar heraus ſagte. Ob nun wol Lutherus Philippum ſehr hoch und lieb hielt/ jedoch iſt es gewißlich wahr/ daß Phi- lippus allewege Lutherum in den gedancken ihm ſelbſt einbildete/ als wolle es Lutherus gantz und gar alleine ſeyn/ und wolte ihm dem Philip- po nicht gerne zulaſſen occaſionem emergendi vel inclareſcendi. Ließ aber dieſen ſeinen affect mit dem wenigſten nicht mercken. Darzu ob gleich Herꝛ Philippus in Teutſchland omnium doctiſſimus & officioſiſſimus, weil er gerne je- deꝛmann mit rath und that dienete/ jedoch wenn er etwas vel publicè vel privatim tractirte/ daran noch jemands wolte entweder dubitiren/ oder nicht von ſtund an pro authentico hat an- genommen/ uͤber denſelben ward Philippus von ſtund an unluſtig/ und derwegen/ wo er jemand zu examiniren odeꝛ einzureden hatte/ neñet er ihn von ſtund an einen bonum cuculum vel aſinum nihil intelligentem: War er aber eine anſehn- liche perſon/ der etwan einen zweiffel/ wie ob- gemeldet/ haͤtte gehabt/ ſo ließ er ſolchen un- muth bleiben/ und ſich deſſelben im wenigſten gegen ſolchen menſchen nicht mercken/ doch zeigete er ſolchen ſeinen heimlichen affect ſeinen geheimteſten freunden/ die taͤglich mit ihm um- gingen/ als da waren Vitus Winshemius, Marcellus, Jacobus Milichius, & pauci alii. und erzeigte doch nichts deſtoweniger demjeni- gen/ uͤber welchen er ein heimliches mißfallen hatte/ omnia genera officiorum. So begab ſich nun faſt um dieſelbe zeit auch/ daß M. Georg Aemilius als ein privatus diſcipulus Philippi etlicher puncten halber in ſacramento cœnæ do- minicæ ihn den Præceptorem fragte/ darinne er ſententiæ Lutheri zu wieder war/ was hierin- nen zu halten waͤre? hierauff antwortete ihm Philippus, Lutherus haͤtte nimis craſsè von der ſache geſchrieben; Da meinſtu/ ſaget er/ daß ſich CHriſtus mit zaͤhnen zerreiſſen/ und durch den leib wieder wird ausgeben laſſen. Da nun gedachter Aemyl[i]us hierauf anhielt/ Denn nachdem Philippus acutiſſimi ac per- Dieſen errorem hatte er zwar laͤngſt zuvor auff
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Ob nun wol <hi rendition="#aq">Philippus</hi><lb/> ſolche gedancken ihm alzu feſt eingebildet/ welche<lb/> deñ ſeine <hi rendition="#aq">aſſentatores</hi> ihm nicht ausredeten/ ſon-<lb/> dern mehr erregen helffen; ſo war doch in der<lb/> wahrheit diß keines weges des <hi rendition="#aq">Lutherus</hi> mei-<lb/> nung; denn er den <hi rendition="#aq">Philippum</hi> fuͤrwar aus<lb/> grund ſeines hertzens lieb hatte/ und den <hi rendition="#aq">Studio-<lb/> ſis</hi> in hoͤchſten ehren zu halten treulich und ernſt-<lb/> lich befahl. Faſt um dieſelbe zeit kam auch <hi rendition="#aq">M.<lb/> Johannes Agricola</hi> von Eißleben gen Witten-<lb/> berg mit weib und kind/ ſuchete freundſchaft bey<lb/> der <hi rendition="#aq">Univerſit</hi>aͤt und Doctor Luthern als ſeinem<lb/> landesmann/ welcher ihn auch mit ſeinem weib<lb/> und kindern in <supplied>e</supplied>ine behauſung freundlich auff-<lb/> nahm/ und unterhielte mit koſt und nahrung<lb/> eine gute zeit/ biß er nach ſeiner gelegenheit eine<lb/> gute geraume behauſung fuͤr ſich und ſeine <hi rendition="#aq">fami-<lb/> liam in ædibus ſocrus Philippi</hi> bekam/ gegen der<lb/> pfarꝛkirchen uͤber. 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Th. IV. Sect. II. Num. I. Von haͤndeln/ ſo in Sachſen der Religion halben
nach nicht alleine Bucerus und andere Ober-
laͤndiſche Theologi viel ſchreiben zum Philippo
gen Wittenberg; es ließ ſonſt auch Philippus
viel heimliche ſchrifften an die kirchen-diener zu
Zuͤrch ausgehē/ um welche D. Luther gar nichts
wuſte/ alſo daß ſich Philippꝰ gegē ſeine geheim-
teſte freunde uñ diſcipulos vermercken lieſſe/ daß
ers im artickul de cœna domini nicht aller dinge
und durch aus mit Luthero hielt. Doch ließ er
ſeinen affect dermaſſen in geheim und verborgen
bleiben/ damit ſolches dem Luther nicht kund
gethan wuͤrde; aber gleichwol lieſſen ſich
die Tigurini, als nemlich Conradus Pellica-
nus, Theodorus Bibliander/ Leo Judæ, Hen-
ricus Bullingerus, alleſamt einhellig verneh-
men/ daß ſie in allen ſachen dem Herꝛn Philippo
koͤnten ſubſcribiren/ und nicht dem Luthero.
Ob aber Lutherus des Philippi conſenſum
und verſtaͤndniß mit dem Tigurinis gruͤndlich
erfahren habe oder nicht/ kan man nicht eigent-
lich wiſſen; aber ſo viel D. Joachim Mœrlin
von dieſen haͤndeln weiß/ berichtet er/ daß
Lutherus geſagt ſoll haben/ er wolte gerne wuͤn-
ſchen/ daß Philippus in dieſen puncten nichts
im maul verborgens bey ſich behielte/ und ſeine
meinung deutlich und klar heraus ſagte. Ob
nun wol Lutherus Philippum ſehr hoch und
lieb hielt/ jedoch iſt es gewißlich wahr/ daß Phi-
lippus allewege Lutherum in den gedancken
ihm ſelbſt einbildete/ als wolle es Lutherus gantz
und gar alleine ſeyn/ und wolte ihm dem Philip-
po nicht gerne zulaſſen occaſionem emergendi
vel inclareſcendi. Ließ aber dieſen ſeinen affect
mit dem wenigſten nicht mercken. Darzu ob
gleich Herꝛ Philippus in Teutſchland omnium
doctiſſimus & officioſiſſimus, weil er gerne je-
deꝛmann mit rath und that dienete/ jedoch wenn
er etwas vel publicè vel privatim tractirte/
daran noch jemands wolte entweder dubitiren/
oder nicht von ſtund an pro authentico hat an-
genommen/ uͤber denſelben ward Philippus von
ſtund an unluſtig/ und derwegen/ wo er jemand
zu examiniren odeꝛ einzureden hatte/ neñet er ihn
von ſtund an einen bonum cuculum vel aſinum
nihil intelligentem: War er aber eine anſehn-
liche perſon/ der etwan einen zweiffel/ wie ob-
gemeldet/ haͤtte gehabt/ ſo ließ er ſolchen un-
muth bleiben/ und ſich deſſelben im wenigſten
gegen ſolchen menſchen nicht mercken/ doch
zeigete er ſolchen ſeinen heimlichen affect ſeinen
geheimteſten freunden/ die taͤglich mit ihm um-
gingen/ als da waren Vitus Winshemius,
Marcellus, Jacobus Milichius, & pauci alii.
und erzeigte doch nichts deſtoweniger demjeni-
gen/ uͤber welchen er ein heimliches mißfallen
hatte/ omnia genera officiorum. So begab
ſich nun faſt um dieſelbe zeit auch/ daß M. Georg
Aemilius als ein privatus diſcipulus Philippi
etlicher puncten halber in ſacramento cœnæ do-
minicæ ihn den Præceptorem fragte/ darinne
er ſententiæ Lutheri zu wieder war/ was hierin-
nen zu halten waͤre? hierauff antwortete ihm
Philippus, Lutherus haͤtte nimis craſsè von
der ſache geſchrieben; Da meinſtu/ ſaget
er/ daß ſich CHriſtus mit zaͤhnen zerreiſſen/ und
durch den leib wieder wird ausgeben laſſen.
Da nun gedachter Aemylius hierauf anhielt/
daß er ad eximendam omnem dubitationem
ex animis poſterorum ſich bittlich dieſes puncts
halber mit dem Luthero unterreden und verglei-
chen ſolte/ weil ſie noch beyde beym leben und
geſund/ darzu im hoͤchſten anſehen bey maͤñig-
lichen waͤren; ja ſagte Philippus, ihre Hartzlaͤn-
der (denn Aemylius ware Lutheri landes-
mann und gefreunder/ von Mannsfeldt buͤrtig)
habet ſo groſſe ſtarꝛkoͤpffe/ daß ihr niemand ne-
ben euch wolt gelten laſſen. Hieꝛaus etlicher maſ-
ſen zu vermuthen/ daß Philippus vielleicht die
Scripta Lutheri nicht alle durchaus in negotio
cœnæ Dominicæ mag durchleſen haben/ da Lu-
therus neben der Papiſtiſchen transſubſtantia-
tion, die Capernaitiſche manducation (welche
die Zwinglianer dem Luthero ſchuld geben)
ſimpliciter verwirfft.
Denn nachdem Philippus acutiſſimi ac per-
ſpicaciſſimi judicii war/ daß wenn er nur obi-
ter etliche wenig blaͤtter eines jeden buchs durch-
ſahe/ kunte er in dem wenigen anſehen bald des
gantzen buches in halt faſſen und einbilden/ daß
er das gantze Scriptum nicht durffte ableſen; ſol-
ches mochte ihm mit des Lutheri ſcriptis auch
begegnet ſeyn/ welche doch dermaſſen gethan
und geſtalt ſeyn/ daß ſie nicht obiter tantum vel
ex conſpectione wollen geurtheilet/ ſondern
gantz attentè geleſen ſeyn. So kunte nun/ wie
geſaget/ der Herꝛ Philippus ſeine affecten gegen
den Lutherum auffs fleißigſte verdecken/ daß es
niemand wiſſen oder mercken kunte/ deñ/ wie ge-
meldt/ allein ſeine geheimteſtē freunde/ M. Mar-
cellus, Vitus Winsheim. & alii pauci; daß alſo
dieſer handel vivente Luthero vertuſchet und in
der aſchen blieb verboragen. Und hatte doch
heimlich Philippus dieſen wahn/ Lutherus waͤ-
re ſo ehrgeitzig uñ contentioſus, daß er niemand
gerne wolte vergoͤnnen einige occaſionem neben
ihm auffzukommen; wie er ſich denn ſolches etli-
chemal gegen Michael Meienburg Burgemei-
ſter zu Northauſen und andere ſeine vertraute
freunde hat hoͤren laſſen. Ob nun wol Philippus
ſolche gedancken ihm alzu feſt eingebildet/ welche
deñ ſeine aſſentatores ihm nicht ausredeten/ ſon-
dern mehr erregen helffen; ſo war doch in der
wahrheit diß keines weges des Lutherus mei-
nung; denn er den Philippum fuͤrwar aus
grund ſeines hertzens lieb hatte/ und den Studio-
ſis in hoͤchſten ehren zu halten treulich und ernſt-
lich befahl. Faſt um dieſelbe zeit kam auch M.
Johannes Agricola von Eißleben gen Witten-
berg mit weib und kind/ ſuchete freundſchaft bey
der Univerſitaͤt und Doctor Luthern als ſeinem
landesmann/ welcher ihn auch mit ſeinem weib
und kindern in eine behauſung freundlich auff-
nahm/ und unterhielte mit koſt und nahrung
eine gute zeit/ biß er nach ſeiner gelegenheit eine
gute geraume behauſung fuͤr ſich und ſeine fami-
liam in ædibus ſocrus Philippi bekam/ gegen der
pfarꝛkirchen uͤber. Dieſen Agricolam ſtach der
ehrgeitz wegen ſeines uͤbrigen witzes/ daß er auch
gerne neben dem Luthero und Philippo etwas
ſonderliches waͤre geweſen/ und weil er noch in
des Lutheri brod und wohnung war/ ſpargiret
er heimlich unter etliche Studioſos errorem An-
tinomicum, und gab fuͤr/ daß das geſetze ſimpli-
citer nicht in die kirche/ ſondern auff das rath-
hauß/ und dem nachrichter zugehoͤre.
Dieſen errorem hatte er zwar laͤngſt zuvor
zu Eißleben concipirt/ weil aber daſſelbe eine
bergſtadt/ und bey den geringen leuten ſeine
opinio nicht cum tanto applauſu vel admirati-
one konte gezieret und angenommen werden/ als
auff
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