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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. I. Num. XV. Von der Teutschen Theologie.
[Spaltenumbruch]

Das 49. Wie man die zwey worte verstehen
soll/ die CHristus gesprochen hat. Das eine:
Niemand kommt zum Vater denn durch mich.
Das andere: Niemand kommt zu mir/ der
Vater ziehe ihn denn; lehret er durch sieben capi-
tel biß an des buchs ende.

Der selige Arnd hat in seinen Lüneburgi-
schen editionen gleichfalls bey seiner sehr schö-
nen vorrede in folgendem urtheil denen Schul-
lehrern nachdrücklich widersprochen: Solcher
alten kurtzen büchlein/ die zu einem heiligen le-
ben führen/ liegen viel im staub verborgen/ wie
Joseph im kercker; Denn warlich vorzeiten
auch leute gewest seyn/ die hunger und durst
nach Christo gehabt/ mehr denn die jetzige al-
te und kalte welt/ und die jenigen/ so dem ed-
len und heiligen leben Christi in einfalt/ lau-
terkeit des hertzens/ und in reiner lebe nachge-
wandelt haben/ sind stäts die erleuchtesten ge-
west. Und gleich wie Joseph/ als er aus sei-
nem gefängnis erlöset ward/ im alten knechti-
schen habit einher gieng/ also tritt dieser alte
Teutsche Theologus auch herfür in einem grobe
Teutsche baurenrock/ das ist/ in einer alten grobe
Teutschen Sprache/ in welcher er doch sehr ho-
he geistliche dinge lehret/ nemlich Christi edles
leben an sich nehmen/ die lehre Christi ins le-
ben verwandeln/ wie Christus in uns leben/
und Adam in uns sterben soll: Und wenn ihn
unsere jetzigen zarten Teutschen ohren also sol-
ten hören reden/ solten sie ihn wohl nicht ken-
nen/ und ihn mit seiner sprach und lehr verwerf-
fen. Darum um der jetzigen wohlklingenden
liebklaffenden welt willen/ die mehr auf die zier-
lichkeit der rede siehet/ denn auf den Geist Got-
tes/ und auf ein heiliges leben/ habe ich ihm
ein wenig seine schwere zunge erleichtert/ auf
daß der geistreiche verstand desto besser herfür
leuchte. Dieser Joseph aber lehret dich nicht
mit des Potiphars weibe bulen/ das ist/ mit
dieser welt/ sondern er lehret dich die welt ver-
schmähen/ und das höchste Gut suchen. Denn
die bey ihrem Christenthum mehr das zeitliche
suchen/ denn Christum selbst/ die bulen mit
des Potiphars weibe/ welche Joseph bey dem
rock ergreifft; er aber ließ diß kleid fahren/ und
flohe von ihr. Also meinet jetzo die hoffärti-
ge fleischliche und wollüstige welt in allen stän-
den/ der himmlische Joseph Christus JEsus
solte weltlicher weise mit ihr bulen. Ein jeder
hoffärtiger geld-un weltsüchtiger bauchdiener
in allen ständen greiffet nach ihm/ will ihn halte/
und spricht: Hie ist Christus: Jch bin der mann/
bey welchem Christus ist. Aber nein/ der himm-
lische Joseph lässet ihnen sein kleid/ das ist/ den
äusserlichen buchstaben/ schein/ namen und ti-
tul/ Er aber fleucht von ihnen/ und wird von
ihnen nicht ergriffen/ es sey denn/ daß sie von
hertzen busse thun/ das demütige leben Christi
an sich nehmen und darinnen wandeln: Ob
dir nun dieses erste büchlein dunckel und un-
verständiglich fürkommen wird/ so wird dirs
doch das andere erklären/ wirst auch in meinem
büchlein vom wahren Christenthum und Pa-
radieß-Gärtlein hierüber nützliche auslegung
finden.

Dieses gedachte Buch der Teutschen
Theologie hat auch der Autor des Catalogi
Testium Veritatis Lib. XIX. pag.
858. gar sehr
gerühmet/ und sich auf Lutheri zeugnis bezo-
[Spaltenumbruch] gen/ weil darinnen gar recht gelehret werde
von der sünde/ vom freyen willen und dem
gantzen alten menschen/ wie auch im gegen-
theil von der gnade Christi und der wiederge-
burt.

Flacius setzet daselbst dazu: Der Autor wä-
re von der wahren und falschen
Theolo-
gi
e mehr und deutlicher erleuchtet gewe-
sen/ als er entweder ausdrucken können
oder wollen/ oder auch gedurfft habe.

Michael Neander schreibet in Erotem. Ling
Gr. pag.
312. Kein Christe/ der diß buch
(die T. Th) lieset/ kan es ohne erstaunnng
thun über dem reichthum der gnaden
und des geistes/ welche der HERR mit-
ten in der dickesten finsternis so reichlich
ausgegossen hat in das hertz eines ver-
ächtlichen küsters; wie hat er doch die
augen so tieff in die Schrifft gesencket/

paucorum exemplo!

Andere so genannte Orthodoxe Theologi ha-
ben ebenfalls den Thomam a Kempis sehr
hoch recommendiret/ als einen allerchrist-
lichsten Lehrer/ dessen werck das aller-
nützlichste sey.
Vid. Olearius Annot. Bibl.
p. 48. Hildebrandus Arte bene mor. p. 9. &c.

Weil nun dieser Autor mit der Teutschen
Theologie auf einen grund der geheimen und
unmittelbaren Gottes-gelehrtheit gebauet ist/
so kan man leichtlich erachten/ was von denen
lästerlichen urtheilen etlicher anderer thie-
risch- und irrdisch-gesinnter leute wider solche
schrifften zu halten sey.

Zum exempel/ wenn D. Mich. Walther in
der Teutschen Theologie grobe irrthümer
gesuchet/ und den Autorem deßwegen verach-
tet/ weil er nur ein Küster gewesen/ (und
NB. kein Doctor Theologiae in superlativo).
Miscellan. Theol. Nic. Hunnius
den Wei-
gelianismum
(in betracht. der Paracels.
Theol.) Hornbeck.
das fundament des En-
thusiasmi
und Libertinismi, Colberg. Zwey-
deutige irrige Redens-arten und von
der ähnlichkeit des glaubens abgehende
Lehren.
(Siehe dessen Platon. Christenth.
P. I. pag. 78. 79.)

Welcher gestalt aber diese greuliche verwe-
gene verdammungs-formuln etlicher blinder
Phariseer mit denen vorhin gedachten nüch-
ternen approbationibus der anderen Lehrer zu
conciliiren seyn möchten/ stehet zu bedencken.
Zum wenigsten wird sich keiner/ der noch ein
wenig geistliches geschmacks hat/ hiedurch ab-
schrecken/ sondern vielmehr solche herrliche
Schrifften desto fleißiger zu lesen bewegen las-
sen/ und zwar eben deßwegen/ weil sie von etli-
chen blinden eifferern verworffen werden. An-
gesehen dieses ins gemein wohl bey einem ge-
übten Christen ein feines kennzeichen von der
unschuld einer schrifft/ lehre und person blei-
bet/ wenn solche von den weisen und klugen
dieser welt unter dem namen der ketzerey ver-
worffen wird. Nachdem sich nehmlich der-
gleichen leute mit verketzerung der besten schriff-
ten dermassen prostituirt gehabt/ daß sie bey
wahren Jüngern Christi vollends allen bey-
fall und credit verlohren/ auch ihrem gäntzli-
chen ruin gar sehr nahe kommen sind.

Des
A. K. H. Vierter Theil. L
Th. IV. Sect. I. Num. XV. Von der Teutſchen Theologie.
[Spaltenumbruch]

Das 49. Wie man die zwey worte verſtehen
ſoll/ die CHriſtus geſprochen hat. Das eine:
Niemand kommt zum Vater denn durch mich.
Das andere: Niemand kommt zu mir/ der
Vater ziehe ihn denn; lehret er durch ſieben capi-
tel biß an des buchs ende.

Der ſelige Arnd hat in ſeinen Luͤneburgi-
ſchen editionen gleichfalls bey ſeiner ſehr ſchoͤ-
nen vorrede in folgendem urtheil denen Schul-
lehrern nachdruͤcklich widerſprochen: Solcher
alten kurtzen buͤchlein/ die zu einem heiligen le-
ben fuͤhren/ liegen viel im ſtaub verborgen/ wie
Joſeph im kercker; Denn warlich vorzeiten
auch leute geweſt ſeyn/ die hunger und durſt
nach Chriſto gehabt/ mehr denn die jetzige al-
te und kalte welt/ und die jenigen/ ſo dem ed-
len und heiligen leben Chriſti in einfalt/ lau-
terkeit des hertzens/ und in reiner lebe nachge-
wandelt haben/ ſind ſtaͤts die erleuchteſten ge-
weſt. Und gleich wie Joſeph/ als er aus ſei-
nem gefaͤngnis erloͤſet ward/ im alten knechti-
ſchen habit einher gieng/ alſo tritt dieſer alte
Teutſche Theologus auch herfuͤr in einem grobē
Teutſchē baurenrock/ das iſt/ in einer alten grobē
Teutſchen Sprache/ in welcher er doch ſehr ho-
he geiſtliche dinge lehret/ nemlich Chriſti edles
leben an ſich nehmen/ die lehre Chriſti ins le-
ben verwandeln/ wie Chriſtus in uns leben/
und Adam in uns ſterben ſoll: Und wenn ihn
unſere jetzigen zarten Teutſchen ohren alſo ſol-
ten hoͤren reden/ ſolten ſie ihn wohl nicht ken-
nen/ und ihn mit ſeiner ſprach und lehr verwerf-
fen. Darum um der jetzigen wohlklingenden
liebklaffenden welt willen/ die mehr auf die zier-
lichkeit der rede ſiehet/ denn auf den Geiſt Got-
tes/ und auf ein heiliges leben/ habe ich ihm
ein wenig ſeine ſchwere zunge erleichtert/ auf
daß der geiſtreiche verſtand deſto beſſer herfuͤr
leuchte. Dieſer Joſeph aber lehret dich nicht
mit des Potiphars weibe bulen/ das iſt/ mit
dieſer welt/ ſondern er lehret dich die welt ver-
ſchmaͤhen/ und das hoͤchſte Gut ſuchen. Denn
die bey ihrem Chriſtenthum mehr das zeitliche
ſuchen/ denn Chriſtum ſelbſt/ die bulen mit
des Potiphars weibe/ welche Joſeph bey dem
rock ergreifft; er aber ließ diß kleid fahren/ und
flohe von ihr. Alſo meinet jetzo die hoffaͤrti-
ge fleiſchliche und wolluͤſtige welt in allen ſtaͤn-
den/ der himmliſche Joſeph Chriſtus JEſus
ſolte weltlicher weiſe mit ihr bulen. Ein jeder
hoffaͤrtiger geld-un weltſuͤchtiger bauchdiener
in allen ſtaͤnden greiffet nach ihm/ will ihn haltē/
und ſpricht: Hie iſt Chriſtus: Jch bin der mann/
bey welchem Chriſtus iſt. Aber nein/ der himm-
liſche Joſeph laͤſſet ihnen ſein kleid/ das iſt/ den
aͤuſſerlichen buchſtaben/ ſchein/ namen und ti-
tul/ Er aber fleucht von ihnen/ und wird von
ihnen nicht ergriffen/ es ſey denn/ daß ſie von
hertzen buſſe thun/ das demuͤtige leben Chriſti
an ſich nehmen und darinnen wandeln: Ob
dir nun dieſes erſte buͤchlein dunckel und un-
verſtaͤndiglich fuͤrkommen wird/ ſo wird dirs
doch das andere erklaͤren/ wirſt auch in meinem
buͤchlein vom wahren Chriſtenthum und Pa-
radieß-Gaͤrtlein hieruͤber nuͤtzliche auslegung
finden.

Dieſes gedachte Buch der Teutſchen
Theologie hat auch der Autor des Catalogi
Teſtium Veritatis Lib. XIX. pag.
858. gar ſehr
geruͤhmet/ und ſich auf Lutheri zeugnis bezo-
[Spaltenumbruch] gen/ weil darinnen gar recht gelehret werde
von der ſuͤnde/ vom freyen willen und dem
gantzen alten menſchen/ wie auch im gegen-
theil von der gnade Chriſti und der wiederge-
burt.

Flacius ſetzet daſelbſt dazu: Der Autor waͤ-
re von der wahren und falſchen
Theolo-
gi
e mehr und deutlicher erleuchtet gewe-
ſen/ als er entweder ausdrucken koͤnnen
oder wollen/ oder auch gedurfft habe.

Michaël Neander ſchreibet in Erotem. Ling
Gr. pag.
312. Kein Chriſte/ der diß buch
(die T. Th) lieſet/ kan es ohne erſtaunnng
thun uͤber dem reichthum der gnaden
und des geiſtes/ welche der HERR mit-
ten in der dickeſten finſternis ſo reichlich
ausgegoſſen hat in das hertz eines ver-
aͤchtlichen kuͤſters; wie hat er doch die
augen ſo tieff in die Schrifft geſencket/

paucorum exemplo!

Andere ſo genannte Orthodoxe Theologi ha-
ben ebenfalls den Thomam à Kempis ſehr
hoch recommendiret/ als einen allerchriſt-
lichſten Lehrer/ deſſen werck das aller-
nuͤtzlichſte ſey.
Vid. Olearius Annot. Bibl.
p. 48. Hildebrandus Arte bene mor. p. 9. &c.

Weil nun dieſer Autor mit der Teutſchen
Theologie auf einen grund der geheimen und
unmittelbaren Gottes-gelehrtheit gebauet iſt/
ſo kan man leichtlich erachten/ was von denen
laͤſterlichen urtheilen etlicher anderer thie-
riſch- und irrdiſch-geſinnter leute wider ſolche
ſchrifften zu halten ſey.

Zum exempel/ wenn D. Mich. Walther in
der Teutſchen Theologie grobe irrthuͤmer
geſuchet/ und den Autorem deßwegen verach-
tet/ weil er nur ein Kuͤſter geweſen/ (und
NB. kein Doctor Theologiæ in ſuperlativo).
Miſcellan. Theol. Nic. Hunnius
den Wei-
gelianiſmum
(in betracht. der Paracelſ.
Theol.) Hornbeck.
das fundament des En-
thuſiaſmi
und Libertiniſmi, Colberg. Zwey-
deutige irrige Redens-arten und von
der aͤhnlichkeit des glaubens abgehende
Lehren.
(Siehe deſſen Platon. Chriſtenth.
P. I. pag. 78. 79.)

Welcher geſtalt aber dieſe greuliche verwe-
gene verdammungs-formuln etlicher blinder
Phariſeer mit denen vorhin gedachten nuͤch-
ternen approbationibus der anderen Lehrer zu
conciliiren ſeyn moͤchten/ ſtehet zu bedencken.
Zum wenigſten wird ſich keiner/ der noch ein
wenig geiſtliches geſchmacks hat/ hiedurch ab-
ſchrecken/ ſondern vielmehr ſolche herrliche
Schrifften deſto fleißiger zu leſen bewegen laſ-
ſen/ und zwar eben deßwegen/ weil ſie von etli-
chen blinden eifferern verworffen werden. An-
geſehen dieſes ins gemein wohl bey einem ge-
uͤbten Chriſten ein feines kennzeichen von der
unſchuld einer ſchrifft/ lehre und perſon blei-
bet/ wenn ſolche von den weiſen und klugen
dieſer welt unter dem namen der ketzerey ver-
worffen wird. Nachdem ſich nehmlich der-
gleichen leute mit verketzerung der beſten ſchriff-
ten dermaſſen proſtituirt gehabt/ daß ſie bey
wahren Juͤngern Chriſti vollends allen bey-
fall und credit verlohren/ auch ihrem gaͤntzli-
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[81/0377] Th. IV. Sect. I. Num. XV. Von der Teutſchen Theologie. Das 49. Wie man die zwey worte verſtehen ſoll/ die CHriſtus geſprochen hat. Das eine: Niemand kommt zum Vater denn durch mich. Das andere: Niemand kommt zu mir/ der Vater ziehe ihn denn; lehret er durch ſieben capi- tel biß an des buchs ende. Der ſelige Arnd hat in ſeinen Luͤneburgi- ſchen editionen gleichfalls bey ſeiner ſehr ſchoͤ- nen vorrede in folgendem urtheil denen Schul- lehrern nachdruͤcklich widerſprochen: Solcher alten kurtzen buͤchlein/ die zu einem heiligen le- ben fuͤhren/ liegen viel im ſtaub verborgen/ wie Joſeph im kercker; Denn warlich vorzeiten auch leute geweſt ſeyn/ die hunger und durſt nach Chriſto gehabt/ mehr denn die jetzige al- te und kalte welt/ und die jenigen/ ſo dem ed- len und heiligen leben Chriſti in einfalt/ lau- terkeit des hertzens/ und in reiner lebe nachge- wandelt haben/ ſind ſtaͤts die erleuchteſten ge- weſt. Und gleich wie Joſeph/ als er aus ſei- nem gefaͤngnis erloͤſet ward/ im alten knechti- ſchen habit einher gieng/ alſo tritt dieſer alte Teutſche Theologus auch herfuͤr in einem grobē Teutſchē baurenrock/ das iſt/ in einer alten grobē Teutſchen Sprache/ in welcher er doch ſehr ho- he geiſtliche dinge lehret/ nemlich Chriſti edles leben an ſich nehmen/ die lehre Chriſti ins le- ben verwandeln/ wie Chriſtus in uns leben/ und Adam in uns ſterben ſoll: Und wenn ihn unſere jetzigen zarten Teutſchen ohren alſo ſol- ten hoͤren reden/ ſolten ſie ihn wohl nicht ken- nen/ und ihn mit ſeiner ſprach und lehr verwerf- fen. Darum um der jetzigen wohlklingenden liebklaffenden welt willen/ die mehr auf die zier- lichkeit der rede ſiehet/ denn auf den Geiſt Got- tes/ und auf ein heiliges leben/ habe ich ihm ein wenig ſeine ſchwere zunge erleichtert/ auf daß der geiſtreiche verſtand deſto beſſer herfuͤr leuchte. Dieſer Joſeph aber lehret dich nicht mit des Potiphars weibe bulen/ das iſt/ mit dieſer welt/ ſondern er lehret dich die welt ver- ſchmaͤhen/ und das hoͤchſte Gut ſuchen. Denn die bey ihrem Chriſtenthum mehr das zeitliche ſuchen/ denn Chriſtum ſelbſt/ die bulen mit des Potiphars weibe/ welche Joſeph bey dem rock ergreifft; er aber ließ diß kleid fahren/ und flohe von ihr. Alſo meinet jetzo die hoffaͤrti- ge fleiſchliche und wolluͤſtige welt in allen ſtaͤn- den/ der himmliſche Joſeph Chriſtus JEſus ſolte weltlicher weiſe mit ihr bulen. Ein jeder hoffaͤrtiger geld-un weltſuͤchtiger bauchdiener in allen ſtaͤnden greiffet nach ihm/ will ihn haltē/ und ſpricht: Hie iſt Chriſtus: Jch bin der mann/ bey welchem Chriſtus iſt. Aber nein/ der himm- liſche Joſeph laͤſſet ihnen ſein kleid/ das iſt/ den aͤuſſerlichen buchſtaben/ ſchein/ namen und ti- tul/ Er aber fleucht von ihnen/ und wird von ihnen nicht ergriffen/ es ſey denn/ daß ſie von hertzen buſſe thun/ das demuͤtige leben Chriſti an ſich nehmen und darinnen wandeln: Ob dir nun dieſes erſte buͤchlein dunckel und un- verſtaͤndiglich fuͤrkommen wird/ ſo wird dirs doch das andere erklaͤren/ wirſt auch in meinem buͤchlein vom wahren Chriſtenthum und Pa- radieß-Gaͤrtlein hieruͤber nuͤtzliche auslegung finden. Dieſes gedachte Buch der Teutſchen Theologie hat auch der Autor des Catalogi Teſtium Veritatis Lib. XIX. pag. 858. gar ſehr geruͤhmet/ und ſich auf Lutheri zeugnis bezo- gen/ weil darinnen gar recht gelehret werde von der ſuͤnde/ vom freyen willen und dem gantzen alten menſchen/ wie auch im gegen- theil von der gnade Chriſti und der wiederge- burt. Flacius ſetzet daſelbſt dazu: Der Autor waͤ- re von der wahren und falſchen Theolo- gie mehr und deutlicher erleuchtet gewe- ſen/ als er entweder ausdrucken koͤnnen oder wollen/ oder auch gedurfft habe. Michaël Neander ſchreibet in Erotem. Ling Gr. pag. 312. Kein Chriſte/ der diß buch (die T. Th) lieſet/ kan es ohne erſtaunnng thun uͤber dem reichthum der gnaden und des geiſtes/ welche der HERR mit- ten in der dickeſten finſternis ſo reichlich ausgegoſſen hat in das hertz eines ver- aͤchtlichen kuͤſters; wie hat er doch die augen ſo tieff in die Schrifft geſencket/ paucorum exemplo! Andere ſo genannte Orthodoxe Theologi ha- ben ebenfalls den Thomam à Kempis ſehr hoch recommendiret/ als einen allerchriſt- lichſten Lehrer/ deſſen werck das aller- nuͤtzlichſte ſey. Vid. Olearius Annot. Bibl. p. 48. Hildebrandus Arte bene mor. p. 9. &c. Weil nun dieſer Autor mit der Teutſchen Theologie auf einen grund der geheimen und unmittelbaren Gottes-gelehrtheit gebauet iſt/ ſo kan man leichtlich erachten/ was von denen laͤſterlichen urtheilen etlicher anderer thie- riſch- und irrdiſch-geſinnter leute wider ſolche ſchrifften zu halten ſey. Zum exempel/ wenn D. Mich. Walther in der Teutſchen Theologie grobe irrthuͤmer geſuchet/ und den Autorem deßwegen verach- tet/ weil er nur ein Kuͤſter geweſen/ (und NB. kein Doctor Theologiæ in ſuperlativo). Miſcellan. Theol. Nic. Hunnius den Wei- gelianiſmum (in betracht. der Paracelſ. Theol.) Hornbeck. das fundament des En- thuſiaſmi und Libertiniſmi, Colberg. Zwey- deutige irrige Redens-arten und von der aͤhnlichkeit des glaubens abgehende Lehren. (Siehe deſſen Platon. Chriſtenth. P. I. pag. 78. 79.) Welcher geſtalt aber dieſe greuliche verwe- gene verdammungs-formuln etlicher blinder Phariſeer mit denen vorhin gedachten nuͤch- ternen approbationibus der anderen Lehrer zu conciliiren ſeyn moͤchten/ ſtehet zu bedencken. Zum wenigſten wird ſich keiner/ der noch ein wenig geiſtliches geſchmacks hat/ hiedurch ab- ſchrecken/ ſondern vielmehr ſolche herrliche Schrifften deſto fleißiger zu leſen bewegen laſ- ſen/ und zwar eben deßwegen/ weil ſie von etli- chen blinden eifferern verworffen werden. An- geſehen dieſes ins gemein wohl bey einem ge- uͤbten Chriſten ein feines kennzeichen von der unſchuld einer ſchrifft/ lehre und perſon blei- bet/ wenn ſolche von den weiſen und klugen dieſer welt unter dem namen der ketzerey ver- worffen wird. Nachdem ſich nehmlich der- gleichen leute mit verketzerung der beſten ſchriff- ten dermaſſen proſtituirt gehabt/ daß ſie bey wahren Juͤngern Chriſti vollends allen bey- fall und credit verlohren/ auch ihrem gaͤntzli- chen ruin gar ſehr nahe kommen ſind. Des A. K. H. Vierter Theil. L

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/377>, abgerufen am 22.12.2024.