Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Vorrede. nicht allein von denen/ so sich des ausspruchs in glaubens sachen allein anmassen/gelesen und untersuchet werden möchte. Sechstens/ weil vermöge des gemeinen rechts und Priesterthums wahrer Chri- Siebendens/ weil auch bereits von anfang des verfalls her/ und sonderlich unter Achtens/ weil ja mitten unter denen sogenanten rechtgläubigen die aller gottlo- Neuntens/ weil solche schrifften/ auch nach dem geständniß der orthodoxen Zehendens/ weil auch vielen curiosen und forschenden gemüthern damit ein ge- Endlich/ weil dieses vorhaben insgemein zur erläuterung und auffnahme der Jm übrigen ist die dolmetschung/ wo sie nöthig gewesen/ möglichst aus de- Es ist bey lesung solcher schrifften/ die alsirrig verdammt worden sind/ denn
Vorrede. nicht allein von denen/ ſo ſich des ausſpruchs in glaubens ſachen allein anmaſſen/geleſen und unterſuchet werden moͤchte. Sechſtens/ weil vermoͤge des gemeinen rechts und Prieſterthums wahrer Chri- Siebendens/ weil auch bereits von anfang des verfalls her/ und ſonderlich unter Achtens/ weil ja mitten unter denen ſogenanten rechtglaͤubigen die aller gottlo- Neuntens/ weil ſolche ſchrifften/ auch nach dem geſtaͤndniß der orthodoxen Zehendens/ weil auch vielen curioſen und forſchenden gemuͤthern damit ein ge- Endlich/ weil dieſes vorhaben insgemein zur erlaͤuterung und auffnahme der Jm uͤbrigen iſt die dolmetſchung/ wo ſie noͤthig geweſen/ moͤglichſt aus de- Es iſt bey leſung ſolcher ſchrifften/ die alsirrig verdammt worden ſind/ denn
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Vorrede.
nicht allein von denen/ ſo ſich des ausſpruchs in glaubens ſachen allein anmaſſen/
geleſen und unterſuchet werden moͤchte.
Sechſtens/ weil vermoͤge des gemeinen rechts und Prieſterthums wahrer Chri-
ſten nach den ausdruͤcklichen ſchrifft-worten die erkaͤntniß und pruͤfung der gei-
ſter/ und mithin das urtheil uͤber lehr und leben derer andern nicht denen Doctori-
bus, Gelehrten/ Academicis, und ſo genanten Theologen oder Predigern allein/
ſondern der gantzen wahren gemeine Chriſti zukommt/ denen auch zu dem ende ſol-
che dinge allerdings nothwendig in ihrer ſprache gemein und bekant gemacht wer-
den ſolten/ wo anders ſich jene nicht einer herꝛſchafft und tyranney uͤber des HErꝛn
erbtheil/ gewiſſens-zwangs/ monopolii und dergleichen wider-chriſtlicher greu-
el handgreifflich ſchuldig machen wolten.
Siebendens/ weil auch bereits von anfang des verfalls her/ und ſonderlich unter
dem Pabſtthum/ wie auch hernach und unter andern partheyen die meiſten ketzer-
macher ungeſcheut alle ſchrifften ihrer gegener unterdruckt/ verboten/ verbrant/
confiſcirt und nach moͤglichkeit unſichtbar gemachet haben: Alles zwar unter
dem vorwand/ die verfuͤhrung zu verhuͤten/ offte aber in der that zu dem ende/ da-
mit niemanden offenbar wuͤrde/ welche parthey recht oder unrecht gehabt/ und
ob etwa die verworffene nicht wasbeſſers/ gruͤndlichers und heilſamers vor-
gebracht/ als in der gemeinen orthodoxie zufinden. Womit denn offenbarlich
die ſchwachheit/ ohnmacht und blindheit manches ſolchen geiſtlichen tyrannen ver-
rathen/ und kund geworden: Zumal ja die Goͤttliche wahrheit an ihr ſelber von
den luͤgen keinen ſchaden hat/ und vor ſich ſelbſt maͤchtig gnug iſt/ ohne aͤuſ-
ſerliche gewalt und unterdruckung den luͤgen und irꝛthuͤmern zu ſteuern.
Achtens/ weil ja mitten unter denen ſogenanten rechtglaͤubigen die aller gottlo-
ſeſten laͤſterlichſten ſchandbuͤcher/ Romans/ und dergleichen/ wie auch die ſchriff-
ten derer wiedrigen partheyen in den gemeinſten ſprachen oͤffentlich ausgegeben
werden. Dahero noch vielmehr verantwortlich und zulaͤßig iſt/ zur erlaͤuterung
der alten und neuen geſchichte eine und andere ſchrifft zu publiciren.
Neuntens/ weil ſolche ſchrifften/ auch nach dem geſtaͤndniß der orthodoxen
ſelbſt/ nicht durchgehends verwerffliche/ ſondern offt ſehr nuͤtzliche und heilſame
ſachen in ſich halten: welcher wegen auch dieſelben von den groͤſten eifferern nicht
gantz verworffen und vernichtet/ ſondern annoch beybehalten und gemein gema-
chet worden.
Zehendens/ weil auch vielen curioſen und forſchenden gemuͤthern damit ein ge-
falle zu geſchehen pflegt/ wenn aus groſſen Bibliothequen und andern urkunden al-
lerhand rare gantz unterdruckte buͤcher/ manuſcripten/ ſendſchreiben uñ dergleichen
edirt werden/ worinne unſer ſeculum ſonderlich geſchaͤfftig und gluͤcklich geweſen.
Endlich/ weil dieſes vorhaben insgemein zur erlaͤuterung und auffnahme der
gantzen kirchen-geſchichte/ und inſonderheit zu mehrerer erklaͤrung der publicirten
kirchen- und ketzer-hiſtorie mithin auch zur vergewiſſerung manches weiter nach-
forſchenden leſers dienen wird/ auch zu dem ende von vielen verlanget worden iſt.
Jm uͤbrigen iſt die dolmetſchung/ wo ſie noͤthig geweſen/ moͤglichſt aus de-
rer Auctorum eigener ſprache geſchehen/ und zwar treulich und ohne alle ver-
drehung und corruption, deßwegen auch uͤberall der Auctor, woraus ein jedes
genommen/ wie auch die edition beygeſetzet/ damit/ wer daran zweiffelt/ den
fontem ſelber zu rathe ziehen koͤnte. Ein von GOTT erleuchteter und
geheiligter leſer wird NB. alles pruͤfen und das gute behalten! Denn zu
dem ende haben je und allezeit auch die allereiffrigſten leute dergleichen
vor verdaͤchtig gehaltene ſchrifften dennoch herausgegeben; wovon mir bey-
faͤllt/ was ein Catholick dißfalls erinnert hat. Nemlich es ſchreibet Joſephus
Maria Svareſius Biſchoff zu Vaiſon in Franckreich in der vorrede uͤber Nili Gno-
mas Tomo XXVII. Biblioth. Patrum Maximæ p. 182.
Es iſt bey leſung ſolcher ſchrifften/ die alsirrig verdammt worden ſind/
eben keine gefahr zu befuͤrchten/ daß ſie jemand verkehren werden; maſſen ja
auch des Tertulliani buͤcher von der flucht in verfolgung/ von der ermah-
nung zur keuſchheit/ von der eintzeln ehe/ von der ſchamhafftigkeit und
vom Faſten wieder die Seeliſchē/ wider die kirche ſelbſt geſchrieben ſind/ und
zwar da er ſchon ein ketzer war/ wie der H. Hieronymus Lib. de Script.
Eccl. erinnert; und nichts deſto weniger werden ſie deßwegen geleſen. Wie
denn
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