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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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[Spaltenumbruch] dran zu thun meynen/ wenn sie wider viele so ge-
nannte Ketzer eiffern/ und also mich deßwegen
auch anfeinden: So versichere ich sie und ei-
nen ieden hiermit/ daß ich meiner Sachen aus
GOttes Wort durch den H. Geist mehr als zu
gewiß sey/ und/ was ich geschrieben/ alles vor
den Augen des unsichtbaren GOttes zu meines
Nechsten Heyl vorgetragen habe/ keines we-
ges aber einer Secte zu gefallen/ wie jene mich
aus Sectirischem Sinne fälschlich beschuldigen/
dagegen ich allezeit und auch ietzo ernstlich will
protestiret/ und das Gegentheil auff mein Ge-
wissen bezeuget haben.

38 Dieses mag mir nun iemand glauben
oder nicht/ so wird mir doch mein gutes Gewis-
sen in dem H. Geist der beste Schutz seyn/ wenn
GOtt das Verborgene der Menschen richten
wird. Und da die Herrn Autores selbst als
Gegener mir im Beschluß ihrer Disput. das
Zeugniß geben/ me olim probi emendatique
moris fuisse:
(wiewohl ich mir bey aller schein-
baren Natur-Frömmigkeit mehr Ehrgeitz und
anderer Academischer Thorheiten auch von
Wittenberg her bewust bin/) so können sie ja
leicht ermessen/ daß zum wenigsten noch ein
Füncklein der Furcht GOTTes in mir übrig
seyn werde/ so mich schüchtern machen müsse/ et-
was unrechts öffentlich zu proponiren/ und so
viel 1000 Seelen zu ärgern. Sie mögen
mirs aber nun glauben oder nicht/ so sollen sie
doch wissen/ daß ich dagegen auch ihre Dinge
wohl kenne/ und nicht ohne grossen Ernst und
Bekümmerniß um mein wahres Heyl so viel
Jahre lang alles bißanhero genau untersuchet
habe. Dahero werde ich nun hinführo gantz
ruhig seyn/ und sie dem allgemeinen Regenten
überlassen/ auch auff ihre Händel nicht refsecti-
ren/ da ich meine eigene Seele zu retten habe.

39 Jndessen kan ich zwar auch denen jeni-
gen Predigern/ welche bißhero diese Kirchen-
Historie auff denen Cantzeln und sonst hefftig
ausgescholten/ ihren Muthwillen und Eiffer
wohl gönnen: wünsche ihnen aber auch helle-
re Augen zu sehen/ wie sie damit nur ihnen selbst
schaden/ und sich vor Verständigen mit ihren
Affecten allzu bloß geben. Sie haben bißhe-
ro nichts mehrers oder anders damit ausge-
richtet/ als alle vorige Ketzermacher: nemlich/
daß sie das Buch nur desto bekandter und die
Leute begieriger gemacht/ selbiges zu untersu-
chen; so daß mancher daraus einen andern Be-
griff von denen Kirchen-Sachen überkommen
hat. GOtt thue ferner in allen nach seiner
Weißheit und Güte/ welchem ich die Leser/ und
sonderlich die Widersprecher/ treulich überlas-
se und empfehle.

40 O daß doch der H. Geist/ als ein Geist
des Friedens und der Liebe/ so viel Gehör und
Treue bey allen finden möchte/ daß niemand
mehr um Worte und Meynung zanckte/ als
welches nur die Gemüther verwirret und ver-
bittert/ auch nicht den gerinsten Vortheil zum
wahren ewigen Gut darreichet. Daß doch
diejenigen/ welche um väterliche Traditiones
und Weisen so hefftig bißhero geeiffert/ nun-
mehro aus dem so deutlich in der Schrifft aus-
[Spaltenumbruch] gedruckten Willen GOttes durch den Geist
Christi erkenneten/ wie höchstnöthig es sey/ daß
sie nur bloß und allein wider ihr eigenes ver-
derbtes Hertz eiffern und streiten lerneten!

41 O ihr unsterblichen Seelen/ die ihr in eu-
ren vorgefaßten Urtheilen und Meynungen
von Kindheit so gefangen und erbärmlich ge-
halten seyd/ daß ihr noch euren Eyffer vor einen
Dienst GOttes und eure lange Gewohnheiten
vor den Weg zum Himmel achtet! Kommt
und lasset uns mit einander ernstlich zu unserm
gemeinen Schöpffer kehren/ und uns in gleicher
Erkäntniß unsers Elends zusammen vor ihm
beugen!

42 Jch bin nach der Natur nicht besser/ als
alle Menschen/ weil ich weiß/ daß es lauter Gna-
de ist/ was GOtt einem ieden zuvoraus schen-
cket. Darum kommt/ laßt uns in unsern Her-
tzen in die Gegenwart der allerhöchsten und ent-
setzlichen Majestät stellen/ und den alten hof-
färtigen schwülstigen Sinn vor ihr beugen!
Laßt uns bedencken/ ob man vor dessen hochhei-
ligsten Augen also barbarisch gegen seinen
Nechsten verfahren/ und das Geschöpffe
GOttes so schändlich anfeinden/ und biß in die
unterste Hölle durch das unselige Ketzermachen
verdammen dürffe?

43 Lasset uns doch nachdencken/ ob wir nicht
vor unserm allgemeinen Vater an statt des
Verketzerns und eckelhafften Verdammens
einander lieben und im Friede begegnen solten?
damit keiner hinführo bloß auff des andern
äuserliche Worte und Meynungen sehe/ und
sich dadurch zum Zorn/ Mißvergnügen und
Unruhe reitzen lasse. Sondern daß wir auff
unser Leben und die Früchte des rechten Göttli-
chen Glaubens untereinander Acht haben/ und
uns hiezu reitzen/ die da sind Liebe/ Friede/ Ge-
dult/ Sanfftmuth/ Demuth und das heilsa-
me Vertragen untereinander.

44 Sehen wir diese Wirckungen an ieman-
den/ so haben wir ja Ursache uns zu freuen/ und
dem falschen Ankläger unserer Brüder kein
Gehör zu geben/ der da lauter Argwohn/ Wi-
derspruch/ Mißtrauen/ Hoffart und Verdam-
mung wider den Nechsten einzustreuen vor sei-
ne gröste Freude hält. Denn eben daher ent-
springt das elende Eiffern/ und Ketzermachen
der zerrütteten Sinnen. Dagegen nichts
hilfft noch Statt findet/ als der Sinn JEsu
Christi/ in Demuth und Sanfftmuth/ welche
man nach wahrer Bekehrung von ihm allein
lernen muß/ damit man Gedult habe mit
Schwachen und Jrrenden/ und die Zeit erwar-
te/ da GOtt einen ieden zu rechte führen wird.
Jndem gleich wohl so viel 100 Jahre her durch
den harten verkehrten Proceß derer falschen
Eifferer keine einige Seele gerettet/ wohl aber
so viel 1000 Menschen an Leib und Seel ver-
derbet worden sind.

45 Findet man aber den Sinn des Flei-
sches/ der Welt und des Teuffels an iemanden;
so müsse die innigste Erbarmung JEsu Christi
und die allgemeine Liebe hinführo nicht müde

wer-

ADDITAMENTA
[Spaltenumbruch] dran zu thun meynen/ weñ ſie wider viele ſo ge-
nannte Ketzer eiffern/ und alſo mich deßwegen
auch anfeinden: So verſichere ich ſie und ei-
nen ieden hiermit/ daß ich meiner Sachen aus
GOttes Wort durch den H. Geiſt mehr als zu
gewiß ſey/ und/ was ich geſchrieben/ alles vor
den Augen des unſichtbaren GOttes zu meines
Nechſten Heyl vorgetragen habe/ keines we-
ges aber einer Secte zu gefallen/ wie jene mich
aus Sectiriſchem Sinne faͤlſchlich beſchuldigen/
dagegen ich allezeit und auch ietzo ernſtlich will
proteſtiret/ und das Gegentheil auff mein Ge-
wiſſen bezeuget haben.

38 Dieſes mag mir nun iemand glauben
oder nicht/ ſo wird mir doch mein gutes Gewiſ-
ſen in dem H. Geiſt der beſte Schutz ſeyn/ wenn
GOtt das Verborgene der Menſchen richten
wird. Und da die Herrn Autores ſelbſt als
Gegener mir im Beſchluß ihrer Diſput. das
Zeugniß geben/ me olim probi emendatique
moris fuiſſe:
(wiewohl ich mir bey aller ſchein-
baren Natur-Froͤmmigkeit mehr Ehrgeitz und
anderer Academiſcher Thorheiten auch von
Wittenberg her bewuſt bin/) ſo koͤnnen ſie ja
leicht ermeſſen/ daß zum wenigſten noch ein
Fuͤncklein der Furcht GOTTes in mir uͤbrig
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was unrechts oͤffentlich zu proponiren/ und ſo
viel 1000 Seelen zu aͤrgern. Sie moͤgen
mirs aber nun glauben oder nicht/ ſo ſollen ſie
doch wiſſen/ daß ich dagegen auch ihre Dinge
wohl kenne/ und nicht ohne groſſen Ernſt und
Bekuͤmmerniß um mein wahres Heyl ſo viel
Jahre lang alles bißanhero genau unterſuchet
habe. Dahero werde ich nun hinfuͤhro gantz
ruhig ſeyn/ und ſie dem allgemeinen Regenten
uͤberlaſſen/ auch auff ihre Haͤndel nicht refſecti-
ren/ da ich meine eigene Seele zu retten habe.

39 Jndeſſen kan ich zwar auch denen jeni-
gen Predigern/ welche bißhero dieſe Kirchen-
Hiſtorie auff denen Cantzeln und ſonſt hefftig
ausgeſcholten/ ihren Muthwillen und Eiffer
wohl goͤnnen: wuͤnſche ihnen aber auch helle-
re Augen zu ſehen/ wie ſie damit nur ihnen ſelbſt
ſchaden/ und ſich vor Verſtaͤndigen mit ihren
Affecten allzu bloß geben. Sie haben bißhe-
ro nichts mehrers oder anders damit ausge-
richtet/ als alle vorige Ketzermacher: nemlich/
daß ſie das Buch nur deſto bekandter und die
Leute begieriger gemacht/ ſelbiges zu unterſu-
chen; ſo daß mancher daraus einen andern Be-
griff von denen Kirchen-Sachen uͤberkommen
hat. GOtt thue ferner in allen nach ſeiner
Weißheit und Guͤte/ welchem ich die Leſer/ und
ſonderlich die Widerſprecher/ treulich uͤberlaſ-
ſe und empfehle.

40 O daß doch der H. Geiſt/ als ein Geiſt
des Friedens und der Liebe/ ſo viel Gehoͤr und
Treue bey allen finden moͤchte/ daß niemand
mehr um Worte und Meynung zanckte/ als
welches nur die Gemuͤther verwirret und ver-
bittert/ auch nicht den gerinſten Vortheil zum
wahren ewigen Gut darreichet. Daß doch
diejenigen/ welche um vaͤterliche Traditiones
und Weiſen ſo hefftig bißhero geeiffert/ nun-
mehro aus dem ſo deutlich in der Schrifft aus-
[Spaltenumbruch] gedruckten Willen GOttes durch den Geiſt
Chriſti erkenneten/ wie hoͤchſtnoͤthig es ſey/ daß
ſie nur bloß und allein wider ihr eigenes ver-
derbtes Hertz eiffern und ſtreiten lerneten!

41 O ihr unſterblichen Seelen/ die ihr in eu-
ren vorgefaßten Urtheilen und Meynungen
von Kindheit ſo gefangen und erbaͤrmlich ge-
halten ſeyd/ daß ihr noch euren Eyffer vor einen
Dienſt GOttes und eure lange Gewohnheiten
vor den Weg zum Himmel achtet! Kommt
und laſſet uns mit einander ernſtlich zu unſerm
gemeinen Schoͤpffer kehren/ und uns in gleicher
Erkaͤntniß unſers Elends zuſammen vor ihm
beugen!

42 Jch bin nach der Natur nicht beſſer/ als
alle Menſchen/ weil ich weiß/ daß es lauteꝛ Gna-
de iſt/ was GOtt einem ieden zuvoraus ſchen-
cket. Darum kommt/ laßt uns in unſern Her-
tzen in die Gegenwart der allerhoͤchſten und ent-
ſetzlichen Majeſtaͤt ſtellen/ und den alten hof-
faͤrtigen ſchwuͤlſtigen Sinn vor ihr beugen!
Laßt uns bedencken/ ob man vor deſſen hochhei-
ligſten Augen alſo barbariſch gegen ſeinen
Nechſten verfahren/ und das Geſchoͤpffe
GOttes ſo ſchaͤndlich anfeinden/ und biß in die
unterſte Hoͤlle durch das unſelige Ketzermachen
verdammen duͤrffe?

43 Laſſet uns doch nachdencken/ ob wir nicht
vor unſerm allgemeinen Vater an ſtatt des
Verketzerns und eckelhafften Verdammens
einander lieben und im Friede begegnen ſolten?
damit keiner hinfuͤhro bloß auff des andern
aͤuſerliche Worte und Meynungen ſehe/ und
ſich dadurch zum Zorn/ Mißvergnuͤgen und
Unruhe reitzen laſſe. Sondern daß wir auff
unſer Leben und die Fruͤchte des rechten Goͤttli-
chen Glaubens untereinander Acht haben/ und
uns hiezu reitzen/ die da ſind Liebe/ Friede/ Ge-
dult/ Sanfftmuth/ Demuth und das heilſa-
me Vertragen untereinander.

44 Sehen wir dieſe Wirckungen an ieman-
den/ ſo haben wir ja Urſache uns zu freuen/ und
dem falſchen Anklaͤger unſerer Bruͤder kein
Gehoͤr zu geben/ der da lauter Argwohn/ Wi-
derſpruch/ Mißtrauen/ Hoffart und Verdam-
mung wider den Nechſten einzuſtreuen vor ſei-
ne groͤſte Freude haͤlt. Denn eben daher ent-
ſpringt das elende Eiffern/ und Ketzermachen
der zerruͤtteten Sinnen. Dagegen nichts
hilfft noch Statt findet/ als der Sinn JEſu
Chriſti/ in Demuth und Sanfftmuth/ welche
man nach wahrer Bekehrung von ihm allein
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Schwachen und Jrrenden/ und die Zeit erwar-
te/ da GOtt einen ieden zu rechte fuͤhren wird.
Jndem gleich wohl ſo viel 100 Jahre her durch
den harten verkehrten Proceß derer falſchen
Eifferer keine einige Seele gerettet/ wohl aber
ſo viel 1000 Menſchen an Leib und Seel ver-
derbet worden ſind.

45 Findet man aber den Sinn des Flei-
ſches/ der Welt und des Teuffels an iemanden;
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und die allgemeine Liebe hinfuͤhro nicht muͤde

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[22/1178] ADDITAMENTA dran zu thun meynen/ weñ ſie wider viele ſo ge- nannte Ketzer eiffern/ und alſo mich deßwegen auch anfeinden: So verſichere ich ſie und ei- nen ieden hiermit/ daß ich meiner Sachen aus GOttes Wort durch den H. Geiſt mehr als zu gewiß ſey/ und/ was ich geſchrieben/ alles vor den Augen des unſichtbaren GOttes zu meines Nechſten Heyl vorgetragen habe/ keines we- ges aber einer Secte zu gefallen/ wie jene mich aus Sectiriſchem Sinne faͤlſchlich beſchuldigen/ dagegen ich allezeit und auch ietzo ernſtlich will proteſtiret/ und das Gegentheil auff mein Ge- wiſſen bezeuget haben. 38 Dieſes mag mir nun iemand glauben oder nicht/ ſo wird mir doch mein gutes Gewiſ- ſen in dem H. Geiſt der beſte Schutz ſeyn/ wenn GOtt das Verborgene der Menſchen richten wird. Und da die Herrn Autores ſelbſt als Gegener mir im Beſchluß ihrer Diſput. das Zeugniß geben/ me olim probi emendatique moris fuiſſe: (wiewohl ich mir bey aller ſchein- baren Natur-Froͤmmigkeit mehr Ehrgeitz und anderer Academiſcher Thorheiten auch von Wittenberg her bewuſt bin/) ſo koͤnnen ſie ja leicht ermeſſen/ daß zum wenigſten noch ein Fuͤncklein der Furcht GOTTes in mir uͤbrig ſeyn werde/ ſo mich ſchuͤchteꝛn machen muͤſſe/ et- was unrechts oͤffentlich zu proponiren/ und ſo viel 1000 Seelen zu aͤrgern. Sie moͤgen mirs aber nun glauben oder nicht/ ſo ſollen ſie doch wiſſen/ daß ich dagegen auch ihre Dinge wohl kenne/ und nicht ohne groſſen Ernſt und Bekuͤmmerniß um mein wahres Heyl ſo viel Jahre lang alles bißanhero genau unterſuchet habe. Dahero werde ich nun hinfuͤhro gantz ruhig ſeyn/ und ſie dem allgemeinen Regenten uͤberlaſſen/ auch auff ihre Haͤndel nicht refſecti- ren/ da ich meine eigene Seele zu retten habe. 39 Jndeſſen kan ich zwar auch denen jeni- gen Predigern/ welche bißhero dieſe Kirchen- Hiſtorie auff denen Cantzeln und ſonſt hefftig ausgeſcholten/ ihren Muthwillen und Eiffer wohl goͤnnen: wuͤnſche ihnen aber auch helle- re Augen zu ſehen/ wie ſie damit nur ihnen ſelbſt ſchaden/ und ſich vor Verſtaͤndigen mit ihren Affecten allzu bloß geben. Sie haben bißhe- ro nichts mehrers oder anders damit ausge- richtet/ als alle vorige Ketzermacher: nemlich/ daß ſie das Buch nur deſto bekandter und die Leute begieriger gemacht/ ſelbiges zu unterſu- chen; ſo daß mancher daraus einen andern Be- griff von denen Kirchen-Sachen uͤberkommen hat. GOtt thue ferner in allen nach ſeiner Weißheit und Guͤte/ welchem ich die Leſer/ und ſonderlich die Widerſprecher/ treulich uͤberlaſ- ſe und empfehle. 40 O daß doch der H. Geiſt/ als ein Geiſt des Friedens und der Liebe/ ſo viel Gehoͤr und Treue bey allen finden moͤchte/ daß niemand mehr um Worte und Meynung zanckte/ als welches nur die Gemuͤther verwirret und ver- bittert/ auch nicht den gerinſten Vortheil zum wahren ewigen Gut darreichet. Daß doch diejenigen/ welche um vaͤterliche Traditiones und Weiſen ſo hefftig bißhero geeiffert/ nun- mehro aus dem ſo deutlich in der Schrifft aus- gedruckten Willen GOttes durch den Geiſt Chriſti erkenneten/ wie hoͤchſtnoͤthig es ſey/ daß ſie nur bloß und allein wider ihr eigenes ver- derbtes Hertz eiffern und ſtreiten lerneten! 41 O ihr unſterblichen Seelen/ die ihr in eu- ren vorgefaßten Urtheilen und Meynungen von Kindheit ſo gefangen und erbaͤrmlich ge- halten ſeyd/ daß ihr noch euren Eyffer vor einen Dienſt GOttes und eure lange Gewohnheiten vor den Weg zum Himmel achtet! Kommt und laſſet uns mit einander ernſtlich zu unſerm gemeinen Schoͤpffer kehren/ und uns in gleicher Erkaͤntniß unſers Elends zuſammen vor ihm beugen! 42 Jch bin nach der Natur nicht beſſer/ als alle Menſchen/ weil ich weiß/ daß es lauteꝛ Gna- de iſt/ was GOtt einem ieden zuvoraus ſchen- cket. Darum kommt/ laßt uns in unſern Her- tzen in die Gegenwart der allerhoͤchſten und ent- ſetzlichen Majeſtaͤt ſtellen/ und den alten hof- faͤrtigen ſchwuͤlſtigen Sinn vor ihr beugen! Laßt uns bedencken/ ob man vor deſſen hochhei- ligſten Augen alſo barbariſch gegen ſeinen Nechſten verfahren/ und das Geſchoͤpffe GOttes ſo ſchaͤndlich anfeinden/ und biß in die unterſte Hoͤlle durch das unſelige Ketzermachen verdammen duͤrffe? 43 Laſſet uns doch nachdencken/ ob wir nicht vor unſerm allgemeinen Vater an ſtatt des Verketzerns und eckelhafften Verdammens einander lieben und im Friede begegnen ſolten? damit keiner hinfuͤhro bloß auff des andern aͤuſerliche Worte und Meynungen ſehe/ und ſich dadurch zum Zorn/ Mißvergnuͤgen und Unruhe reitzen laſſe. Sondern daß wir auff unſer Leben und die Fruͤchte des rechten Goͤttli- chen Glaubens untereinander Acht haben/ und uns hiezu reitzen/ die da ſind Liebe/ Friede/ Ge- dult/ Sanfftmuth/ Demuth und das heilſa- me Vertragen untereinander. 44 Sehen wir dieſe Wirckungen an ieman- den/ ſo haben wir ja Urſache uns zu freuen/ und dem falſchen Anklaͤger unſerer Bruͤder kein Gehoͤr zu geben/ der da lauter Argwohn/ Wi- derſpruch/ Mißtrauen/ Hoffart und Verdam- mung wider den Nechſten einzuſtreuen vor ſei- ne groͤſte Freude haͤlt. Denn eben daher ent- ſpringt das elende Eiffern/ und Ketzermachen der zerruͤtteten Sinnen. Dagegen nichts hilfft noch Statt findet/ als der Sinn JEſu Chriſti/ in Demuth und Sanfftmuth/ welche man nach wahrer Bekehrung von ihm allein lernen muß/ damit man Gedult habe mit Schwachen und Jrrenden/ und die Zeit erwar- te/ da GOtt einen ieden zu rechte fuͤhren wird. Jndem gleich wohl ſo viel 100 Jahre her durch den harten verkehrten Proceß derer falſchen Eifferer keine einige Seele gerettet/ wohl aber ſo viel 1000 Menſchen an Leib und Seel ver- derbet worden ſind. 45 Findet man aber den Sinn des Flei- ſches/ der Welt und des Teuffels an iemanden; ſo muͤſſe die innigſte Erbarmung JEſu Chriſti und die allgemeine Liebe hinfuͤhro nicht muͤde wer-

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1178>, abgerufen am 02.05.2024.