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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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[Spaltenumbruch] Carlſtads Sache vergleichen koͤnten/ da die fa-
cta
ſelbſt durchgehends greifflich das Gegen-
theil ausweiſen/ und ob diß nicht eine verkehrte
Ketzermacherey ſey? Item: ob ſie aus der H.
Schrifft gelernet/ den Gehorſam JEſu Chri-
ſti und ſeiner Lehre einen Enthuſiaſmum und
Platoniſmum zu nennen/ wovon meine Be-
kaͤntniß
und die ietzo in der 6ten Edition ange-
haͤngte Erinnerung allen unpaſſionirten Ge-
muͤthern gruͤndliche Satisfaction geben wird:
da ein ieder urtheilen mag/ ob die wahre Ge-
meinſchafft und Nachfolge des HErrn JEſu
dieſe Namen verdienet/ oder mit was Grund
man auch alle in der Kirchen-Hiſtorie enthal-
tene Sachen falſche und naͤrriſche Meynungen
nennen koͤnne? Endlich wo der Epicureiſmus,
Sadduceiſmus, Anti-Chriſtianiſmus,
ja der gꝛoͤbſte
Atheiſmus am greifflichſten herrſche/ ſo wohl im
Lehren als Leben?

9 Von dem mehr als zu levi Specimine ſelbſt
(wie ſie ihre eigene Arbeit in der Vorrede nen-
nen/) waͤre allerhand mit augenſcheinlichem
Beweiß darzulegen/ wenn es die Muͤhe belohn-
te/ und nicht der Ort und die Perſonen ſelbſt be-
reits allen und ieden gewiſſenhafften Gemuͤ-
thern genugſam anzeigen koͤnten/ was daher zu
gewarten ſey? Jn Betrachtung man ſich an
demſelben durch die bißherigen actiones derge-
ſtalt bekandt gemacht/ daß die von dorther ent-
ſtehenden Gegenſaͤtze mehr zur Commenda-
tion,
als zur Verwerffung eines Buchs dienen
koͤnnen.

10 Zum wenigſten iſt auch mir meine Zeit
zu kurtz und zu theuer/ als daß ich uͤber dem elen-
den Zeug noch lange zancken ſolte: zumalen
dieſes nirgends etwas wichtiges/ ſondern meiſt
allotria betrifft/ wie ſonderlich Cap. II § 3 und
f. klar zu ſehen/ da man gantze Blaͤtter mit
ein Hauffen verwirrten und laͤngſt bekandten
Critiquen angefuͤllet hat.

11 Jedoch muß ich nur einige Proben ihrer
verkehrten Diſputir-Art (wiewohl mit ſehr we-
nigem und nur in tranſitu) vor Augen legen/
darunter eine der mercklichſten iſt/ daß ſie von
denen Leſern prætendiren/ man ſolle deßwegen
dieſe gantze Kirchen-Hiſtorie verwerffen und
vor ungegruͤndet halten/ weil ſie (die Autores)
in ein Paar Bogen etliche loca daraus auff ſo-
phiſti
ſche Art verdreht und verkehrt/ mir einen
andern Sinn angedichtet/ und alſo wider ſol-
che Saͤtze geſtritten haben/ die ich niemals be-
hauptet.

12 Ein ieder verſtaͤndiger Leſer urtheile un-
partheyiſch/ und goͤnne mir nichts mehr/ als das
Beneficium, daß ich der beſte Ausleger
meiner eigenen Worte ſeyn duͤrffe. Jch hat-
te im 1 Buch II Cap. n. 9 von den bekandten
Schrifften des Dionyſii (zum Unterſcheid Areo-
pagitæ) problematicè
geſchrieben: ſie moͤch-
ten auch wohl ſchon zu
Euſebii Zeiten her-
vor kommen ſeyn?
und im 10 num. hatte ich
proteſtirt: ich wolle niemanden etwas hieꝛ-
von auffdringen/
woſelbſt ich auch die ihm
zugeeignete Schrifften
mit Bedacht genen-
net/ u. ſ. w. und alſo nirgends categoricè und
[Spaltenumbruch] ausdruͤcklich ſetze/ daß dieſe Buͤcher dem Juͤn-
ger Pauli zu Athen wahrhafftig und allerdings
zugehoͤren.

13. Nun aber ſchreiben die Autores Cap. I § 1
ohne Bedencken: ich ſchaͤmte mich nicht/
diß untergeſchobene Buch auff die Zeit
der Apoſtel zuruͤck zu ziehen:
wel-
ches klar wider meine obige Erklaͤrung laͤufft/
und alſo eine falſche Beſchuldigung iſt. Deß-
wegen ſie auch vergeblich ſo viel Worte wider
dieſe Schrifften machen/ und mir gar nicht con-
tradici
ren/ als der ich die gantze Sache mit Be-
ſcheidenheit bloß muthmaßlich vorgetragen/
und bey ſo dunckler Sache beyde Meynungen
in ſuſpenſo gelaſſen; daher ſie auch ſelbſt § 3
meinen Vortrag nur Conjecturas nennen/ und
ſich alſo ſelbſt widerſprechen.

14 Jnzwiſchen mag von dieſer Sache ins
kuͤnfftige ausfuͤhrlich zu handeln ſeyn/ gleich-
wie auch von dem Urſprung der myſtiſchen
Theologie/ dahin ich alſo dieſe Unterſuchung
verſpare. Denn dieſerwegen beſchuldi-
gen mich die Autores § 3, iedoch aber-
mal offenbarlich mit Unrecht/ als ob ich die
wahre himmliſche Weißheit aus dem
Gehirn
Platonis herfuͤhrete. Denn wo
iſt doch nur eine Spur oder Anlaß zu ſo greu-
lichen Unwahrheiten in meiner gantzen Kir-
chen-Hiſtorie zu finden? Warum ſchaͤmet man
ſich nicht/ ſolche oͤffentliche falſa in Theologi-
ſchen Schrifften zu begehen? Habe ich nicht den
Goͤttlichen Sinn der erſten Chriſten genug-
ſam entdecket/ wie ſie die wahre und himmli-
ſche Weißheit auch nur allein von oben erwar-
tet? Habe ich auch nicht nun in dreyen Folian-
ten und in meiner Bekaͤntniß genugſam dar-
gethan/ daß ich die Weißheit weder aus
Platonis noch einiges Menſchen Gehirn zu deri-
vi
ren ſuche? O daß die elende Jugend ihre
Schul-Weißheit nicht in ihren eigenen oder
anderer Menſchen Gehirn/ ſondern die wah-
re Goͤttliche und dauerhaffte Weißheit bey
GOtt ſuchen/ und dieſes niemanden ein En-
thuſiasmus
und Platoniſmus heiſſen muͤſte! Sie
werden mit Schaden erfahren/ daß es die groͤ-
ſte Klugheit geweſen waͤre/ das Waſſer in ſei-
nem Qvell und die wahre GOttes-Lehre in
GOtt ſelbſt/ nicht aber in Menſchen-Tand und
Traditionen ſuchen/ weil ſie auch allein bey Gott
zu finden iſt/ und nicht bey den ausgehauenen
Brunnen derer/ die da verfuͤhren und verfuͤhret
werden!

15 Was nun ferner im 5 num. der Diſp. von
den Platonicis und der myſtiſchen Theologie ge-
ſagt worden/ ſoll anderswo zur Gnuͤge eroͤrtert
werden/ iedoch auſſer dem ſchaͤdlichen Schul-
Gezaͤncke/ wozu ich mich allhier deſto weniger
genoͤthiget finde/ weil ich mit Platone in der
Kirchen-Hiſtorie nichts zu thun gehabt.

16 Eine andere offenbarliche falſche Auff-
lage iſts auch/ wenn ſie § 6 ſetzen: ich haͤtte den
Simonem Magum excuſirt/ welches ſie nimmer-
mehr beweiſen koͤnnen. Angeſehen ein anders
iſt/ einen offenbahrlich gottloſen Menſchen ent-
ſchuldigen/ oder als fromm und gut beſchꝛeiben:

ein

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1174>, abgerufen am 07.01.2025.