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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettae Lebens-lauff.
[Spaltenumbruch] uns zum beyspiele gegeben. Und gleichwohl
thun wir gantz das wiederspiel/ die gebotte
GOTTES seynd uns gegeben/ sie zu beob-
achten: aber niemand treibet sich zu solcher
betrachtung an. Gleichwohl hoffet und glau-
bet man in das Paradieß zu gehen. Ach wel-
che tollsinnige hoffnung? an statt GOTT
zu lieben von gantzem hertzen/ lieben wir uns
selbst/ und seynd götzen-diener aus unserm ei-
genem willen/ und aus eigener zuneigung:
und hiermit meinen wir unserer pflicht/ GOtt
zu lieben/ gnug gethan zu haben.

22. Es kan nicht anders seyn/ als daß der
teuffel die gewalt bekommen/ alle unsere gei-
ster zu bezaubern: weil man nicht einen siehet/
der gutes thut/ und sehr wenige/ welche
glauben böses zu thun: da doch ein jeder die
sünde wie das wasser mit grossen zügen ein-
schlucket; und dieses so begierig/ daß man
nichts mehr für sünde achtet/ was es vor dem
menschen nicht ist/ die GOttes-verleugner
haben hierinne eben dieselbe vollkommenheit/
als die heutige Christen. Dann sie hüten sich
straffbahre dinge vor den augen und dem ur-
theile der menschen zu thun auß furcht/ deß-
wegen gestrafft zu werden. Aber die Christen
erkennen wohl/ daß sie einen GOTT haben/
der die nieren durchgründet/ und die gewissen
untersuchet. Wie können sie dann geruhig
seyn/ wann sie eine gnade nicht haben/ die
in seiner liebe und in der beobachtung seiner ge-
botte bestehet/ darvon sie so weit entfernet
seynd/ als von der hölle der himmel?

23. Dann wann man GOTT liebete/ so
würde man sich selbst nicht lieben/ noch auch
die geschaffenen dinge/ zumahl weil alles un-
ter GOTT stehet und ihm nichts gleich/ ja
so gleich/ daß es mit eben einem solchen her-
tzen solte geliebet werden. Alle dinge/ wel-
che GOTT in der welt geschaffen/ hat er
zum dienste der menschen geschaffen/ ja eben
so wenig als ein Herr für seinen knecht/ wann
der knecht gemacht ist seinem Herrn zu dienen/
so ist er nicht gemacht ihm zu gebieten. Die
liebe ist allezeit desselben/ das sie liebet/ leibei-
gene. Es ist nichts/ das den menschen mehr
unterwürffig macht/ als seine gemüths-be-
wegungen. Wann er sich selbst liebet/ als-
dann ist er sein eigener leibeigener und götzen-
diener/ und kan GOTT nicht lieben/ lie-
bet er etwas anders ausser sich/ so ist er ein
leibeigener des geliebten dinges/ und kan
GOTT auch nicht lieben/ dann ein hertz und
eine liebe können unter die voneinander ent-
ferneten oder abgeschiedenen dingen/ wie
GOTT und das geschöpff seynd/ nicht zer-
theilet werden; Auch ist derselbe/ welcher
die welt-lust/ den reichthum oder die ehre lie-
bet/ und hierbey glaubet GOTT zu lieben/
vom teuffel verführet/ weil der HERR JE-
SUS/ wann dieses lieben alles zusam-
men sich mit der liebe GOTTES stallen
könte/ nicht würde verordnet haben sich selbst
zu verleugnen/ noch alles was man habe zu
verkauffen/ und es den armen außzutheilen;
die vollkommenheit zu erlangen. Dann alles
ist in sich selbst gut/ in dem GOTT nichts
böses kan gemacht haben. Aber des menschen
[Spaltenumbruch] gebrechlichkeit ist so groß/ daß er alles dieses mit
GOtt zugleich nicht lieben kan.

24. Man soll sich dessen nur im nothfalle ge-
brauchen; Aber es ist nicht lieben/ ja eben
so wenig sich selbst; weil wir GOTTES
unterworffene seynd/ gleichwie man jene un-
tergeschöpffe uns unterworffen siehet. Und es
ist in uns nichts zu lieben/ als diese unter-
werffung GOTTES; gleich als dieselbe
aller andern menschen. Aber wir thun es we-
der GOTT/ noch unserm nächsten/ noch
uns selbsten; und seynd keine wahre Chri-
sten.

Ferner schreibet die Antoinetta im zweyten
theil des gedachten buchs am 7. cap.
p. 112. u. f. also:
Das 7. Capitel.
Jnhalt.

Von den unterschiedlichen ständen/ welche"
die leute von guter art wehlen/ in dem sie mei-"
nen GOtt dardurch zu gefallen. Daß wir"
unsere seligkeit in allen ständen außwircken"
können/ daß die tugend/ wie auch die sünde"
keine leibliche/ sondern geistliche und unsicht-"
bare dinge seyn. Daß die menschen/ ja wir"
selbst uns betriegen/ wann man glaubte/ daß"
die andacht und geistlichkeit/ in vielen kirchen-"
gehen und in offtmahligem gebrauche des H."
Nachtmahls bestehe/ ob man schon dardurch"
nicht vollkommen würde."

1. Also sehen wir/ daß in allerhand ständen
und beruffen einige gefahr zu finden/ es seye
dann/ daß GOTT die selbsten handhabe.
Dann derselbe/ welcher begehret zu etwan ei-
nem ampte befördert zu werden/ in dem er
vorgiebet/ die gerechtigkeit darinnen zu hand-
haben/ wird solches vielmahls nicht thun:
weil die menschliche einsichten so gar sinniglich
seynd/ in dem die begierde den menschen/ die
in hohem ansehen leben/ oder aber den freun-
den zugefallen zu seyn/ die sinne vielmahls rei-
tzet wider den guten vorsatz zu thun; und die
zahl derselben/ welche die gerechtigkeit nicht
lieben/ so groß ist/ daß man den stärcksten
hauffen/ dem man offtmahls nicht zu wiederste-
hen vermag/ weichen muß/ also daß man
jetzund nur überlast und unlust in den ständen
findet. Wann jemand alda die gerechtigkeit
beobachten will/ so macht er ihm einen hauf-
fen feinde/ und richtet doch nichts aus: weil
das böse überall herrschet/ wiewohl wider den
willen desselben/ der gerne nach der gerechtig-
keit handeln wolte. Er muß weichen/ er wolle
oder wolle nicht/ er muß seinen guten vorsatz
fahren lassen/ und der ungerechtigkeit entwe-
der gerade oder seitlings folgen/ ob er schon ein
ehrlicher mann ist.

2. Wer als ein wahrer Christ leben will/
der muß heutiges tages nach keinem ampte
streben/ weil die liebe nicht mehr im schwange
gehet/ die warheit keinen glauben mehr findet
und die gerechtigkeit nicht mehr beobachtet
wird.

Man muß anders nichts wissen als wohl
zu schwätzen/ wohl zu lügen/ und die ge-

wöhnli-
A. K. H. Vierter Theil. B b b b b 2

Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettæ Lebens-lauff.
[Spaltenumbruch] uns zum beyſpiele gegeben. Und gleichwohl
thun wir gantz das wiederſpiel/ die gebotte
GOTTES ſeynd uns gegeben/ ſie zu beob-
achten: aber niemand treibet ſich zu ſolcher
betrachtung an. Gleichwohl hoffet und glau-
bet man in das Paradieß zu gehen. Ach wel-
che tollſinnige hoffnung? an ſtatt GOTT
zu lieben von gantzem hertzen/ lieben wir uns
ſelbſt/ und ſeynd goͤtzen-diener aus unſerm ei-
genem willen/ und aus eigener zuneigung:
und hiermit meinen wir unſerer pflicht/ GOtt
zu lieben/ gnug gethan zu haben.

22. Es kan nicht anders ſeyn/ als daß der
teuffel die gewalt bekommen/ alle unſere gei-
ſter zu bezaubern: weil man nicht einen ſiehet/
der gutes thut/ und ſehr wenige/ welche
glauben boͤſes zu thun: da doch ein jeder die
ſuͤnde wie das waſſer mit groſſen zuͤgen ein-
ſchlucket; und dieſes ſo begierig/ daß man
nichts mehr fuͤr ſuͤnde achtet/ was es vor dem
menſchen nicht iſt/ die GOttes-verleugner
haben hierinne eben dieſelbe vollkommenheit/
als die heutige Chriſten. Dann ſie huͤten ſich
ſtraffbahre dinge vor den augen und dem ur-
theile der menſchen zu thun auß furcht/ deß-
wegen geſtrafft zu werden. Aber die Chriſten
erkennen wohl/ daß ſie einen GOTT haben/
der die nieren durchgruͤndet/ und die gewiſſen
unterſuchet. Wie koͤnnen ſie dann geruhig
ſeyn/ wann ſie eine gnade nicht haben/ die
in ſeiner liebe und in der beobachtung ſeiner ge-
botte beſtehet/ darvon ſie ſo weit entfernet
ſeynd/ als von der hoͤlle der himmel?

23. Dann wann man GOTT liebete/ ſo
wuͤrde man ſich ſelbſt nicht lieben/ noch auch
die geſchaffenen dinge/ zumahl weil alles un-
ter GOTT ſtehet und ihm nichts gleich/ ja
ſo gleich/ daß es mit eben einem ſolchen her-
tzen ſolte geliebet werden. Alle dinge/ wel-
che GOTT in der welt geſchaffen/ hat er
zum dienſte der menſchen geſchaffen/ ja eben
ſo wenig als ein Herr fuͤr ſeinen knecht/ wann
der knecht gemacht iſt ſeinem Herrn zu dienen/
ſo iſt er nicht gemacht ihm zu gebieten. Die
liebe iſt allezeit deſſelben/ das ſie liebet/ leibei-
gene. Es iſt nichts/ das den menſchen mehr
unterwuͤrffig macht/ als ſeine gemuͤths-be-
wegungen. Wann er ſich ſelbſt liebet/ als-
dann iſt er ſein eigener leibeigener und goͤtzen-
diener/ und kan GOTT nicht lieben/ lie-
bet er etwas anders auſſer ſich/ ſo iſt er ein
leibeigener des geliebten dinges/ und kan
GOTT auch nicht lieben/ dann ein hertz und
eine liebe koͤnnen unter die voneinander ent-
ferneten oder abgeſchiedenen dingen/ wie
GOTT und das geſchoͤpff ſeynd/ nicht zer-
theilet werden; Auch iſt derſelbe/ welcher
die welt-luſt/ den reichthum oder die ehre lie-
bet/ und hierbey glaubet GOTT zu lieben/
vom teuffel verfuͤhret/ weil der HERR JE-
SUS/ wann dieſes lieben alles zuſam-
men ſich mit der liebe GOTTES ſtallen
koͤnte/ nicht wuͤrde verordnet haben ſich ſelbſt
zu verleugnen/ noch alles was man habe zu
verkauffen/ und es den armen außzutheilen;
die vollkommenheit zu erlangen. Dann alles
iſt in ſich ſelbſt gut/ in dem GOTT nichts
boͤſes kan gemacht haben. Aber des menſchen
[Spaltenumbruch] gebrechlichkeit iſt ſo groß/ daß er alles dieſes mit
GOtt zugleich nicht lieben kan.

24. Man ſoll ſich deſſen nur im nothfalle ge-
brauchen; Aber es iſt nicht lieben/ ja eben
ſo wenig ſich ſelbſt; weil wir GOTTES
unterworffene ſeynd/ gleichwie man jene un-
tergeſchoͤpffe uns unterworffen ſiehet. Und es
iſt in uns nichts zu lieben/ als dieſe unter-
werffung GOTTES; gleich als dieſelbe
aller andern menſchen. Aber wir thun es we-
der GOTT/ noch unſerm naͤchſten/ noch
uns ſelbſten; und ſeynd keine wahre Chri-
ſten.

Ferner ſchreibet die Antoinetta im zweyten
theil des gedachten buchs am 7. cap.
p. 112. u. f. alſo:
Das 7. Capitel.
Jnhalt.

Von den unterſchiedlichen ſtaͤnden/ welche“
die leute von guter art wehlen/ in dem ſie mei-“
nen GOtt dardurch zu gefallen. Daß wir“
unſere ſeligkeit in allen ſtaͤnden außwircken“
koͤnnen/ daß die tugend/ wie auch die ſuͤnde“
keine leibliche/ ſondern geiſtliche und unſicht-“
bare dinge ſeyn. Daß die menſchen/ ja wir“
ſelbſt uns betriegen/ wann man glaubte/ daß“
die andacht und geiſtlichkeit/ in vielen kirchen-“
gehen und in offtmahligem gebrauche des H.“
Nachtmahls beſtehe/ ob man ſchon dardurch“
nicht vollkommen wuͤrde.„

1. Alſo ſehen wir/ daß in allerhand ſtaͤnden
und beruffen einige gefahr zu finden/ es ſeye
dann/ daß GOTT die ſelbſten handhabe.
Dann derſelbe/ welcher begehret zu etwan ei-
nem ampte befoͤrdert zu werden/ in dem er
vorgiebet/ die gerechtigkeit darinnen zu hand-
haben/ wird ſolches vielmahls nicht thun:
weil die menſchliche einſichten ſo gar ſinniglich
ſeynd/ in dem die begierde den menſchen/ die
in hohem anſehen leben/ oder aber den freun-
den zugefallen zu ſeyn/ die ſinne vielmahls rei-
tzet wider den guten vorſatz zu thun; und die
zahl derſelben/ welche die gerechtigkeit nicht
lieben/ ſo groß iſt/ daß man den ſtaͤrckſten
hauffen/ dem man offtmahls nicht zu wiederſte-
hen vermag/ weichen muß/ alſo daß man
jetzund nur uͤberlaſt und unluſt in den ſtaͤnden
findet. Wann jemand alda die gerechtigkeit
beobachten will/ ſo macht er ihm einen hauf-
fen feinde/ und richtet doch nichts aus: weil
das boͤſe uͤberall herrſchet/ wiewohl wider den
willen deſſelben/ der gerne nach der gerechtig-
keit handeln wolte. Er muß weichen/ er wolle
oder wolle nicht/ er muß ſeinen guten vorſatz
fahren laſſen/ und der ungerechtigkeit entwe-
der gerade oder ſeitlings folgen/ ob er ſchon ein
ehrlicher mann iſt.

2. Wer als ein wahrer Chriſt leben will/
der muß heutiges tages nach keinem ampte
ſtreben/ weil die liebe nicht mehr im ſchwange
gehet/ die warheit keinen glauben mehr findet
und die gerechtigkeit nicht mehr beobachtet
wird.

Man muß anders nichts wiſſen als wohl
zu ſchwaͤtzen/ wohl zu luͤgen/ und die ge-

woͤhnli-
A. K. H. Vierter Theil. B b b b b 2
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[747/1055] Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettæ Lebens-lauff. uns zum beyſpiele gegeben. Und gleichwohl thun wir gantz das wiederſpiel/ die gebotte GOTTES ſeynd uns gegeben/ ſie zu beob- achten: aber niemand treibet ſich zu ſolcher betrachtung an. Gleichwohl hoffet und glau- bet man in das Paradieß zu gehen. Ach wel- che tollſinnige hoffnung? an ſtatt GOTT zu lieben von gantzem hertzen/ lieben wir uns ſelbſt/ und ſeynd goͤtzen-diener aus unſerm ei- genem willen/ und aus eigener zuneigung: und hiermit meinen wir unſerer pflicht/ GOtt zu lieben/ gnug gethan zu haben. 22. Es kan nicht anders ſeyn/ als daß der teuffel die gewalt bekommen/ alle unſere gei- ſter zu bezaubern: weil man nicht einen ſiehet/ der gutes thut/ und ſehr wenige/ welche glauben boͤſes zu thun: da doch ein jeder die ſuͤnde wie das waſſer mit groſſen zuͤgen ein- ſchlucket; und dieſes ſo begierig/ daß man nichts mehr fuͤr ſuͤnde achtet/ was es vor dem menſchen nicht iſt/ die GOttes-verleugner haben hierinne eben dieſelbe vollkommenheit/ als die heutige Chriſten. Dann ſie huͤten ſich ſtraffbahre dinge vor den augen und dem ur- theile der menſchen zu thun auß furcht/ deß- wegen geſtrafft zu werden. Aber die Chriſten erkennen wohl/ daß ſie einen GOTT haben/ der die nieren durchgruͤndet/ und die gewiſſen unterſuchet. Wie koͤnnen ſie dann geruhig ſeyn/ wann ſie eine gnade nicht haben/ die in ſeiner liebe und in der beobachtung ſeiner ge- botte beſtehet/ darvon ſie ſo weit entfernet ſeynd/ als von der hoͤlle der himmel? 23. Dann wann man GOTT liebete/ ſo wuͤrde man ſich ſelbſt nicht lieben/ noch auch die geſchaffenen dinge/ zumahl weil alles un- ter GOTT ſtehet und ihm nichts gleich/ ja ſo gleich/ daß es mit eben einem ſolchen her- tzen ſolte geliebet werden. Alle dinge/ wel- che GOTT in der welt geſchaffen/ hat er zum dienſte der menſchen geſchaffen/ ja eben ſo wenig als ein Herr fuͤr ſeinen knecht/ wann der knecht gemacht iſt ſeinem Herrn zu dienen/ ſo iſt er nicht gemacht ihm zu gebieten. Die liebe iſt allezeit deſſelben/ das ſie liebet/ leibei- gene. Es iſt nichts/ das den menſchen mehr unterwuͤrffig macht/ als ſeine gemuͤths-be- wegungen. Wann er ſich ſelbſt liebet/ als- dann iſt er ſein eigener leibeigener und goͤtzen- diener/ und kan GOTT nicht lieben/ lie- bet er etwas anders auſſer ſich/ ſo iſt er ein leibeigener des geliebten dinges/ und kan GOTT auch nicht lieben/ dann ein hertz und eine liebe koͤnnen unter die voneinander ent- ferneten oder abgeſchiedenen dingen/ wie GOTT und das geſchoͤpff ſeynd/ nicht zer- theilet werden; Auch iſt derſelbe/ welcher die welt-luſt/ den reichthum oder die ehre lie- bet/ und hierbey glaubet GOTT zu lieben/ vom teuffel verfuͤhret/ weil der HERR JE- SUS/ wann dieſes lieben alles zuſam- men ſich mit der liebe GOTTES ſtallen koͤnte/ nicht wuͤrde verordnet haben ſich ſelbſt zu verleugnen/ noch alles was man habe zu verkauffen/ und es den armen außzutheilen; die vollkommenheit zu erlangen. Dann alles iſt in ſich ſelbſt gut/ in dem GOTT nichts boͤſes kan gemacht haben. Aber des menſchen gebrechlichkeit iſt ſo groß/ daß er alles dieſes mit GOtt zugleich nicht lieben kan. 24. Man ſoll ſich deſſen nur im nothfalle ge- brauchen; Aber es iſt nicht lieben/ ja eben ſo wenig ſich ſelbſt; weil wir GOTTES unterworffene ſeynd/ gleichwie man jene un- tergeſchoͤpffe uns unterworffen ſiehet. Und es iſt in uns nichts zu lieben/ als dieſe unter- werffung GOTTES; gleich als dieſelbe aller andern menſchen. Aber wir thun es we- der GOTT/ noch unſerm naͤchſten/ noch uns ſelbſten; und ſeynd keine wahre Chri- ſten. Ferner ſchreibet die Antoinetta im zweyten theil des gedachten buchs am 7. cap. p. 112. u. f. alſo: Das 7. Capitel. Jnhalt. Von den unterſchiedlichen ſtaͤnden/ welche“ die leute von guter art wehlen/ in dem ſie mei-“ nen GOtt dardurch zu gefallen. Daß wir“ unſere ſeligkeit in allen ſtaͤnden außwircken“ koͤnnen/ daß die tugend/ wie auch die ſuͤnde“ keine leibliche/ ſondern geiſtliche und unſicht-“ bare dinge ſeyn. Daß die menſchen/ ja wir“ ſelbſt uns betriegen/ wann man glaubte/ daß“ die andacht und geiſtlichkeit/ in vielen kirchen-“ gehen und in offtmahligem gebrauche des H.“ Nachtmahls beſtehe/ ob man ſchon dardurch“ nicht vollkommen wuͤrde.„ 1. Alſo ſehen wir/ daß in allerhand ſtaͤnden und beruffen einige gefahr zu finden/ es ſeye dann/ daß GOTT die ſelbſten handhabe. Dann derſelbe/ welcher begehret zu etwan ei- nem ampte befoͤrdert zu werden/ in dem er vorgiebet/ die gerechtigkeit darinnen zu hand- haben/ wird ſolches vielmahls nicht thun: weil die menſchliche einſichten ſo gar ſinniglich ſeynd/ in dem die begierde den menſchen/ die in hohem anſehen leben/ oder aber den freun- den zugefallen zu ſeyn/ die ſinne vielmahls rei- tzet wider den guten vorſatz zu thun; und die zahl derſelben/ welche die gerechtigkeit nicht lieben/ ſo groß iſt/ daß man den ſtaͤrckſten hauffen/ dem man offtmahls nicht zu wiederſte- hen vermag/ weichen muß/ alſo daß man jetzund nur uͤberlaſt und unluſt in den ſtaͤnden findet. Wann jemand alda die gerechtigkeit beobachten will/ ſo macht er ihm einen hauf- fen feinde/ und richtet doch nichts aus: weil das boͤſe uͤberall herrſchet/ wiewohl wider den willen deſſelben/ der gerne nach der gerechtig- keit handeln wolte. Er muß weichen/ er wolle oder wolle nicht/ er muß ſeinen guten vorſatz fahren laſſen/ und der ungerechtigkeit entwe- der gerade oder ſeitlings folgen/ ob er ſchon ein ehrlicher mann iſt. 2. Wer als ein wahrer Chriſt leben will/ der muß heutiges tages nach keinem ampte ſtreben/ weil die liebe nicht mehr im ſchwange gehet/ die warheit keinen glauben mehr findet und die gerechtigkeit nicht mehr beobachtet wird. Man muß anders nichts wiſſen als wohl zu ſchwaͤtzen/ wohl zu luͤgen/ und die ge- woͤhnli- A. K. H. Vierter Theil. B b b b b 2

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 747. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1055>, abgerufen am 21.12.2024.