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Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700.

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43. Jmmittelst/ und weil die alte natur auch im äussern ungeord-
net und ungezähmt ist/ so ist freylich vor solche/ bey denen sie noch nicht
gebrochen/ oder sehr geschwächet ist/ äussere zucht und ordnung gar
sehr nöthig.
Und zwar nicht nur in äusserlichen ubungen der seelen/ son-
dern auch in der arbeit des leibes/ worauff Paulus bey denen ungezoge-
nen drunge/ welche herumlieffen in die häuser/ und vorwitz trieben mit lee-
rem geschwätz von der gottseligkeit 2. Thess. III. 11. Solche leitete er auch
zur handarbeit/ und überzeugte sie durch sein eigen exempel/ da er doch sonst
vor sich selbst wol wuste von dem Altar/ dem er dienete/ sich zu nehren.
Wie er denn auch nicht ohne unterscheid/ einem jeglichen schlechthin leibli-
che arbeit herrschender weise auffleget/ sondern nur denen obbemeldten
leuten/ weil die andern von GOtt gelehrten (1. Thess. IV. 9.) schon selbst
wusten/ wie sie ihre zeit am seligsten auskauffen/ und dem HErrn berechnen
könten. Jm übrigen ward er selbst (bey allen seinen ermahnungen zu
äusserlicher zucht) ein knecht aller andern/ gleichwie Jesus auch seinen
Jüngern befahl/ der gröste solte seyn aller knecht und diener/ Matth. XX. 26.
Und diß mochte wol eine seine äusserliche zucht und ordnung heissen/
sonderlich vor den so gerne herrschenden Alten Adam.

44. Nichtsdestoweniger und obwol besagter massen äussere ord-
nungen
gut sind/ so sind sie doch an sich selbst nicht gnug noch hinläng-
lich/
das inwendige reich in den seelen zu pflantzen: daferne nicht die bewei-
sung des H. Geistes sie unter die zucht desselben bringet. Denn wo man
nur mit einiger andacht und rührung/ oder gar äusserer verstellung und un-
terwerffung allein zu frieden ist/ ohne daß man sie zu CHristo und dessen
wahrer lehre allein weise: da werden ihm keine schäfflein zugebracht. Jm
gegentheil könte der Lehrer bey Göttlicher leitung der menschen zu dem
in ihnen anklopffenden geist CHristi (Joh. I. 9.) mancher beysorge vor un-
ordnungen überhoben seyn/ nachdem ihm der H. Geist zeugniß gebe/ wie
seine schaffe Christum selber und gantz in sich lebendig hätten und ken-
neten/
der sie auch nun weiter/ ohne viel menschliches treiben und anstal-
ten selbst so leiten würde/ daß er davon ruhm und wolgefallen habe.

45. Und eben hierinne liegt (meines erachtens) der gantze grund
von regierung der gemeine/ davon noch etwas zu melden ist. Nem-
lich die regieren will/ muß (a) selbst unter genauer stätiger zucht des gei-
stes CHristi/ correspondentz und gemeinschafft mit ihm in stillem gesamm-
leten hertzen gestanden haben und noch stehen/ dieselbe von der stimme eines
fremden (der vernunfft und schlangen) durch lange erfahrung genau un-
terscheiden können/ und in dem täglichen sterben unterm aus- und inwen-
digen creutz JEsu dermassen gebeuget/ mürbe und niedrig gemacht seyn/
daß nicht der Lehrer/ sondern CHristus durch ihn rede. Dahero man

in al-
N

43. Jmmittelſt/ und weil die alte natur auch im aͤuſſern ungeord-
net und ungezaͤhmt iſt/ ſo iſt freylich vor ſolche/ bey denen ſie noch nicht
gebrochen/ oder ſehr geſchwaͤchet iſt/ aͤuſſere zucht und ordnung gar
ſehr noͤthig.
Und zwar nicht nur in aͤuſſerlichen ubungen der ſeelen/ ſon-
dern auch in der arbeit des leibes/ worauff Paulus bey denen ungezoge-
nen drunge/ welche herumlieffen in die haͤuſer/ und vorwitz trieben mit lee-
rem geſchwaͤtz von der gottſeligkeit 2. Theſſ. III. 11. Solche leitete er auch
zur handarbeit/ und uͤberzeugte ſie durch ſein eigen exempel/ da er doch ſonſt
vor ſich ſelbſt wol wuſte von dem Altar/ dem er dienete/ ſich zu nehren.
Wie er denn auch nicht ohne unterſcheid/ einem jeglichen ſchlechthin leibli-
che arbeit herꝛſchender weiſe auffleget/ ſondern nur denen obbemeldten
leuten/ weil die andern von GOtt gelehrten (1. Theſſ. IV. 9.) ſchon ſelbſt
wuſten/ wie ſie ihre zeit am ſeligſten auskauffen/ und dem HErꝛn berechnen
koͤnten. Jm uͤbrigen ward er ſelbſt (bey allen ſeinen ermahnungen zu
aͤuſſerlicher zucht) ein knecht aller andern/ gleichwie Jeſus auch ſeinen
Juͤngern befahl/ der groͤſte ſolte ſeyn aller knecht und diener/ Matth. XX. 26.
Und diß mochte wol eine ſeine aͤuſſerliche zucht und ordnung heiſſen/
ſonderlich vor den ſo gerne herꝛſchenden Alten Adam.

44. Nichtsdeſtoweniger und obwol beſagter maſſen aͤuſſere ord-
nungen
gut ſind/ ſo ſind ſie doch an ſich ſelbſt nicht gnug noch hinlaͤng-
lich/
das inwendige reich in den ſeelen zu pflantzen: daferne nicht die bewei-
ſung des H. Geiſtes ſie unter die zucht deſſelben bringet. Denn wo man
nur mit einiger andacht und ruͤhrung/ oder gar aͤuſſerer verſtellung und un-
terwerffung allein zu frieden iſt/ ohne daß man ſie zu CHriſto und deſſen
wahrer lehre allein weiſe: da werden ihm keine ſchaͤfflein zugebracht. Jm
gegentheil koͤnte der Lehrer bey Goͤttlicher leitung der menſchen zu dem
in ihnen anklopffenden geiſt CHriſti (Joh. I. 9.) mancher beyſorge vor un-
ordnungen uͤberhoben ſeyn/ nachdem ihm der H. Geiſt zeugniß gebe/ wie
ſeine ſchaffe Chriſtum ſelber und gantz in ſich lebendig haͤtten und ken-
neten/
der ſie auch nun weiter/ ohne viel menſchliches treiben und anſtal-
ten ſelbſt ſo leiten wuͤrde/ daß er davon ruhm und wolgefallen habe.

45. Und eben hierinne liegt (meines erachtens) der gantze grund
von regierung der gemeine/ davon noch etwas zu melden iſt. Nem-
lich die regieren will/ muß (a) ſelbſt unter genauer ſtaͤtiger zucht des gei-
ſtes CHriſti/ correſpondentz und gemeinſchafft mit ihm in ſtillem geſamm-
leten hertzen geſtanden haben und noch ſtehen/ dieſelbe von der ſtimme eines
fremden (der vernunfft und ſchlangen) durch lange erfahrung genau un-
terſcheiden koͤnnen/ und in dem taͤglichen ſterben unterm aus- und inwen-
digen creutz JEſu dermaſſen gebeuget/ muͤrbe und niedrig gemacht ſeyn/
daß nicht der Lehrer/ ſondern CHriſtus durch ihn rede. Dahero man

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[97/0098] 43. Jmmittelſt/ und weil die alte natur auch im aͤuſſern ungeord- net und ungezaͤhmt iſt/ ſo iſt freylich vor ſolche/ bey denen ſie noch nicht gebrochen/ oder ſehr geſchwaͤchet iſt/ aͤuſſere zucht und ordnung gar ſehr noͤthig. Und zwar nicht nur in aͤuſſerlichen ubungen der ſeelen/ ſon- dern auch in der arbeit des leibes/ worauff Paulus bey denen ungezoge- nen drunge/ welche herumlieffen in die haͤuſer/ und vorwitz trieben mit lee- rem geſchwaͤtz von der gottſeligkeit 2. Theſſ. III. 11. Solche leitete er auch zur handarbeit/ und uͤberzeugte ſie durch ſein eigen exempel/ da er doch ſonſt vor ſich ſelbſt wol wuſte von dem Altar/ dem er dienete/ ſich zu nehren. Wie er denn auch nicht ohne unterſcheid/ einem jeglichen ſchlechthin leibli- che arbeit herꝛſchender weiſe auffleget/ ſondern nur denen obbemeldten leuten/ weil die andern von GOtt gelehrten (1. Theſſ. IV. 9.) ſchon ſelbſt wuſten/ wie ſie ihre zeit am ſeligſten auskauffen/ und dem HErꝛn berechnen koͤnten. Jm uͤbrigen ward er ſelbſt (bey allen ſeinen ermahnungen zu aͤuſſerlicher zucht) ein knecht aller andern/ gleichwie Jeſus auch ſeinen Juͤngern befahl/ der groͤſte ſolte ſeyn aller knecht und diener/ Matth. XX. 26. Und diß mochte wol eine ſeine aͤuſſerliche zucht und ordnung heiſſen/ ſonderlich vor den ſo gerne herꝛſchenden Alten Adam. 44. Nichtsdeſtoweniger und obwol beſagter maſſen aͤuſſere ord- nungen gut ſind/ ſo ſind ſie doch an ſich ſelbſt nicht gnug noch hinlaͤng- lich/ das inwendige reich in den ſeelen zu pflantzen: daferne nicht die bewei- ſung des H. Geiſtes ſie unter die zucht deſſelben bringet. Denn wo man nur mit einiger andacht und ruͤhrung/ oder gar aͤuſſerer verſtellung und un- terwerffung allein zu frieden iſt/ ohne daß man ſie zu CHriſto und deſſen wahrer lehre allein weiſe: da werden ihm keine ſchaͤfflein zugebracht. Jm gegentheil koͤnte der Lehrer bey Goͤttlicher leitung der menſchen zu dem in ihnen anklopffenden geiſt CHriſti (Joh. I. 9.) mancher beyſorge vor un- ordnungen uͤberhoben ſeyn/ nachdem ihm der H. Geiſt zeugniß gebe/ wie ſeine ſchaffe Chriſtum ſelber und gantz in ſich lebendig haͤtten und ken- neten/ der ſie auch nun weiter/ ohne viel menſchliches treiben und anſtal- ten ſelbſt ſo leiten wuͤrde/ daß er davon ruhm und wolgefallen habe. 45. Und eben hierinne liegt (meines erachtens) der gantze grund von regierung der gemeine/ davon noch etwas zu melden iſt. Nem- lich die regieren will/ muß (a) ſelbſt unter genauer ſtaͤtiger zucht des gei- ſtes CHriſti/ correſpondentz und gemeinſchafft mit ihm in ſtillem geſamm- leten hertzen geſtanden haben und noch ſtehen/ dieſelbe von der ſtimme eines fremden (der vernunfft und ſchlangen) durch lange erfahrung genau un- terſcheiden koͤnnen/ und in dem taͤglichen ſterben unterm aus- und inwen- digen creutz JEſu dermaſſen gebeuget/ muͤrbe und niedrig gemacht ſeyn/ daß nicht der Lehrer/ ſondern CHriſtus durch ihn rede. Dahero man in al- N

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/98>, abgerufen am 09.11.2024.