Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

dienstes im Neuen Testament streitet/ als welcher an und vor sich selbst an
keinen äusserlichen ort und tempelmehr gebunden ist.

(3.) Jst es auch klar am tage/ und ist eine frucht des jetztgedach-
ten falschen wahns/ daß man nebst der geistlichen abgötterey/ die man mit
dem Kirchen- und Abendmahl gehen treibet (wie denn in solchem verstan-
de der berühmte Rostockische Theologus D. Heinrich Müller wegen des
schändlichen mißbrauchs den Predigt-stuhl/ Tauffstein/ Beichtstuhl/
und Altar die 4. Kirchen-götzen nennet) noch darzu einen neuen Päbsti-
schen gewissens-zwang auffgerichtet hat/ in dem man nicht allein die bösen
und unverständigeu leute (die doch nur erst in der kirche aus der Predigt
lernen solten/ was der rechte Gottesdienst wäre/ und so lange sie nicht in
dem wahren leben des glaubens aus GOtt erfunden werden/ zu allem wah-
rem Gottesdienst untüchtig sind) solcher gestalt dazu anhält/ daß sie das
Kirchen-gehen als einen schon wircklichen und formalen Gottesdienst zu
üben und anzusehen gewohnen müssen/ sondern man auch fromme und er-
leuchtete Christen (die bereits juxta Hebr. XII. 22. zu der stadt des leben-
digen GOttes und zu dem himmlischen Jerusalem im geist gekommen sind/
welche stadt keinen tempel hat als GOtt und das Lamm Apoc XXI. 22.)
zur observantz der angeordneten äusserlichen Gottesdienste also nöthi-
gen und zwingen will/ daß sie solche als gewissens halber und als nöthige
stücke des Christenthums schlechterdings zu halten sollen verbunden seyn/
welches abermal wider das Evangelium und Lutheri eigene Lehr streitet:
Dann es schreibet Lutherus Tom. VII. Witteb. f. 399. a. Von Teutscher
messe und ordnung des Gottesdienstes also: "Vor allen dingen will
"ich gar freundlich gebeten haben/ auch um GOTT es willen/ al-
"le diejenigen/ so diese unsere ordnung im Gottesdienste sehen
"oder nachsolgen wollen/ daß sie ja kein nöthig gesetz daraus ma-
"chen/ noch jemandes gewissen damit verstricken oder fahen/ son-
"dern der Christlichen freyheit nach ihres gefallens brauchen/
"wie/ wo und wie lange es die sachen schicken und erfordern.
lb. fac.
"b.
schreibet er: Summa, wir stellen solche ordnung gar nicht um de-
"rer willen/ die bereits Christen sind: Denn die bedürffen der din-
"gekeines/ um welcher willen man auch nicht lebt; sondern sie
"leben um unsert willen/ die noch nicht Christen sind/ daß sie uns
"zu Christen machen; Sie haben ihren Gottesdienst im geist.
"Aber um derer willen muß man solche ordnung halten/ die noch
"Christen sollen werden oder stärcker werden. Gleichwie ein
"Christ der Tauffe/ des Worts und Sacraments nicht darff als

ein

dienſtes im Neuen Teſtament ſtreitet/ als welcher an und vor ſich ſelbſt an
keinen aͤuſſerlichen ort und tempelmehr gebunden iſt.

(3.) Jſt es auch klar am tage/ und iſt eine frucht des jetztgedach-
ten falſchen wahns/ daß man nebſt der geiſtlichen abgoͤtterey/ die man mit
dem Kirchen- und Abendmahl gehen treibet (wie denn in ſolchem verſtan-
de der beruͤhmte Roſtockiſche Theologus D. Heinrich Muͤller wegen des
ſchaͤndlichen mißbrauchs den Predigt-ſtuhl/ Tauffſtein/ Beichtſtuhl/
und Altar die 4. Kirchen-goͤtzen nennet) noch darzu einen neuen Paͤbſti-
ſchen gewiſſens-zwang auffgerichtet hat/ in dem man nicht allein die boͤſen
und unverſtaͤndigeu leute (die doch nur erſt in der kirche aus der Predigt
lernen ſolten/ was der rechte Gottesdienſt waͤre/ und ſo lange ſie nicht in
dem wahren leben des glaubens aus GOtt erfunden werden/ zu allem wah-
rem Gottesdienſt untuͤchtig ſind) ſolcher geſtalt dazu anhaͤlt/ daß ſie das
Kirchen-gehen als einen ſchon wircklichen und formalen Gottesdienſt zu
uͤben und anzuſehen gewohnen muͤſſen/ ſondern man auch fromme und er-
leuchtete Chriſten (die bereits juxta Hebr. XII. 22. zu der ſtadt des leben-
digen GOttes und zu dem himmliſchen Jeruſalem im geiſt gekommen ſind/
welche ſtadt keinen tempel hat als GOtt und das Lamm Apoc XXI. 22.)
zur obſervantz der angeordneten aͤuſſerlichen Gottesdienſte alſo noͤthi-
gen und zwingen will/ daß ſie ſolche als gewiſſens halber und als noͤthige
ſtuͤcke des Chriſtenthums ſchlechterdings zu halten ſollen verbunden ſeyn/
welches abermal wider das Evangelium und Lutheri eigene Lehr ſtreitet:
Dann es ſchreibet Lutherus Tom. VII. Witteb. f. 399. a. Von Teutſcher
meſſe und ordnung des Gottesdienſtes alſo: „Vor allen dingen will
„ich gar freundlich gebeten haben/ auch um GOTT es willen/ al-
„le diejenigen/ ſo dieſe unſere ordnung im Gottesdienſte ſehen
„oder nachſolgen wollen/ daß ſie ja kein noͤthig geſetz daraus ma-
„chen/ noch jemandes gewiſſen damit verſtricken oder fahen/ ſon-
„dern der Chriſtlichen freyheit nach ihres gefallens brauchen/
„wie/ wo und wie lange es die ſachen ſchicken und erfordern.
lb. fac.
„b.
ſchreibet er: Summa, wir ſtellen ſolche ordnung gar nicht um de-
„rer willen/ die bereits Chriſten ſind: Denn die beduͤrffen der din-
„gekeines/ um welcher willen man auch nicht lebt; ſondern ſie
„leben um unſert willen/ die noch nicht Chriſten ſind/ daß ſie uns
„zu Chriſten machen; Sie haben ihren Gottesdienſt im geiſt.
„Aber um derer willen muß man ſolche ordnung halten/ die noch
„Chriſten ſollen werden oder ſtaͤrcker werden. Gleichwie ein
„Chriſt der Tauffe/ des Worts und Sacraments nicht darff als

ein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0059" n="58"/>
dien&#x017F;tes im Neuen Te&#x017F;tament &#x017F;treitet/ als welcher an und vor &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t an<lb/>
keinen a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen ort und tempelmehr gebunden i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>(3.) J&#x017F;t es auch klar am tage/ und i&#x017F;t eine frucht des jetztgedach-<lb/>
ten fal&#x017F;chen wahns/ daß man neb&#x017F;t der gei&#x017F;tlichen abgo&#x0364;tterey/ die man mit<lb/>
dem Kirchen- und Abendmahl gehen treibet (wie denn in &#x017F;olchem ver&#x017F;tan-<lb/>
de der beru&#x0364;hmte Ro&#x017F;tocki&#x017F;che <hi rendition="#aq">Theologus D.</hi> <hi rendition="#fr">Heinrich Mu&#x0364;ller</hi> wegen des<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ndlichen mißbrauchs den Predigt-&#x017F;tuhl/ Tauff&#x017F;tein/ Beicht&#x017F;tuhl/<lb/>
und Altar die 4. Kirchen-go&#x0364;tzen nennet) noch darzu einen neuen Pa&#x0364;b&#x017F;ti-<lb/>
&#x017F;chen gewi&#x017F;&#x017F;ens-zwang auffgerichtet hat/ in dem man nicht allein die bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
und unver&#x017F;ta&#x0364;ndigeu leute (die doch nur er&#x017F;t in der kirche aus der Predigt<lb/>
lernen &#x017F;olten/ was der rechte Gottesdien&#x017F;t wa&#x0364;re/ und &#x017F;o lange &#x017F;ie nicht in<lb/>
dem wahren leben des glaubens aus GOtt erfunden werden/ zu allem wah-<lb/>
rem Gottesdien&#x017F;t untu&#x0364;chtig &#x017F;ind) &#x017F;olcher ge&#x017F;talt dazu anha&#x0364;lt/ daß &#x017F;ie das<lb/>
Kirchen-gehen als einen &#x017F;chon wircklichen und <hi rendition="#aq">formal</hi>en Gottesdien&#x017F;t zu<lb/>
u&#x0364;ben und anzu&#x017F;ehen gewohnen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;ondern man auch fromme und er-<lb/>
leuchtete Chri&#x017F;ten (die bereits <hi rendition="#aq">juxta Hebr. XII.</hi> 22. zu der &#x017F;tadt des leben-<lb/>
digen GOttes und zu dem himmli&#x017F;chen Jeru&#x017F;alem im gei&#x017F;t gekommen &#x017F;ind/<lb/>
welche &#x017F;tadt keinen tempel hat als GOtt und das Lamm <hi rendition="#aq">Apoc XXI.</hi> 22.)<lb/>
zur <hi rendition="#aq">ob&#x017F;ervan</hi>tz der angeordneten a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Gottesdien&#x017F;te al&#x017F;o no&#x0364;thi-<lb/>
gen und zwingen will/ daß &#x017F;ie &#x017F;olche als gewi&#x017F;&#x017F;ens halber und als no&#x0364;thige<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;cke des Chri&#x017F;tenthums &#x017F;chlechterdings zu halten &#x017F;ollen verbunden &#x017F;eyn/<lb/>
welches abermal wider das Evangelium und <hi rendition="#aq">Lutheri</hi> eigene Lehr &#x017F;treitet:<lb/>
Dann es &#x017F;chreibet <hi rendition="#aq">Lutherus Tom. VII. Witteb. f. 399. a.</hi> Von Teut&#x017F;cher<lb/>
me&#x017F;&#x017F;e und ordnung des Gottesdien&#x017F;tes al&#x017F;o: &#x201E;<hi rendition="#fr">Vor allen dingen will<lb/>
&#x201E;ich gar freundlich gebeten haben/ auch um GOTT es willen/ al-<lb/>
&#x201E;le diejenigen/ &#x017F;o die&#x017F;e un&#x017F;ere ordnung im Gottesdien&#x017F;te &#x017F;ehen<lb/>
&#x201E;oder nach&#x017F;olgen wollen/ daß &#x017F;ie ja kein no&#x0364;thig ge&#x017F;etz daraus ma-<lb/>
&#x201E;chen/ noch jemandes gewi&#x017F;&#x017F;en damit ver&#x017F;tricken oder fahen/ &#x017F;on-<lb/>
&#x201E;dern der Chri&#x017F;tlichen freyheit nach ihres gefallens brauchen/<lb/>
&#x201E;wie/ wo und wie lange es die &#x017F;achen &#x017F;chicken und erfordern.</hi> <hi rendition="#aq">lb. fac.<lb/>
&#x201E;b.</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;chreibet er:</hi> <hi rendition="#aq">Summa,</hi> <hi rendition="#fr">wir &#x017F;tellen &#x017F;olche ordnung gar nicht um de-<lb/>
&#x201E;rer willen/ die bereits Chri&#x017F;ten &#x017F;ind: Denn die bedu&#x0364;rffen der din-<lb/>
&#x201E;gekeines/ um welcher willen man auch nicht lebt; &#x017F;ondern &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;leben um un&#x017F;ert willen/ die noch nicht Chri&#x017F;ten &#x017F;ind/ daß &#x017F;ie uns<lb/>
&#x201E;zu Chri&#x017F;ten machen; Sie haben ihren Gottesdien&#x017F;t im gei&#x017F;t.<lb/>
&#x201E;Aber um derer willen muß man &#x017F;olche ordnung halten/ die noch<lb/>
&#x201E;Chri&#x017F;ten &#x017F;ollen werden oder &#x017F;ta&#x0364;rcker werden. Gleichwie ein<lb/>
&#x201E;Chri&#x017F;t der Tauffe/ des Worts und Sacraments nicht darff als</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ein</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0059] dienſtes im Neuen Teſtament ſtreitet/ als welcher an und vor ſich ſelbſt an keinen aͤuſſerlichen ort und tempelmehr gebunden iſt. (3.) Jſt es auch klar am tage/ und iſt eine frucht des jetztgedach- ten falſchen wahns/ daß man nebſt der geiſtlichen abgoͤtterey/ die man mit dem Kirchen- und Abendmahl gehen treibet (wie denn in ſolchem verſtan- de der beruͤhmte Roſtockiſche Theologus D. Heinrich Muͤller wegen des ſchaͤndlichen mißbrauchs den Predigt-ſtuhl/ Tauffſtein/ Beichtſtuhl/ und Altar die 4. Kirchen-goͤtzen nennet) noch darzu einen neuen Paͤbſti- ſchen gewiſſens-zwang auffgerichtet hat/ in dem man nicht allein die boͤſen und unverſtaͤndigeu leute (die doch nur erſt in der kirche aus der Predigt lernen ſolten/ was der rechte Gottesdienſt waͤre/ und ſo lange ſie nicht in dem wahren leben des glaubens aus GOtt erfunden werden/ zu allem wah- rem Gottesdienſt untuͤchtig ſind) ſolcher geſtalt dazu anhaͤlt/ daß ſie das Kirchen-gehen als einen ſchon wircklichen und formalen Gottesdienſt zu uͤben und anzuſehen gewohnen muͤſſen/ ſondern man auch fromme und er- leuchtete Chriſten (die bereits juxta Hebr. XII. 22. zu der ſtadt des leben- digen GOttes und zu dem himmliſchen Jeruſalem im geiſt gekommen ſind/ welche ſtadt keinen tempel hat als GOtt und das Lamm Apoc XXI. 22.) zur obſervantz der angeordneten aͤuſſerlichen Gottesdienſte alſo noͤthi- gen und zwingen will/ daß ſie ſolche als gewiſſens halber und als noͤthige ſtuͤcke des Chriſtenthums ſchlechterdings zu halten ſollen verbunden ſeyn/ welches abermal wider das Evangelium und Lutheri eigene Lehr ſtreitet: Dann es ſchreibet Lutherus Tom. VII. Witteb. f. 399. a. Von Teutſcher meſſe und ordnung des Gottesdienſtes alſo: „Vor allen dingen will „ich gar freundlich gebeten haben/ auch um GOTT es willen/ al- „le diejenigen/ ſo dieſe unſere ordnung im Gottesdienſte ſehen „oder nachſolgen wollen/ daß ſie ja kein noͤthig geſetz daraus ma- „chen/ noch jemandes gewiſſen damit verſtricken oder fahen/ ſon- „dern der Chriſtlichen freyheit nach ihres gefallens brauchen/ „wie/ wo und wie lange es die ſachen ſchicken und erfordern. lb. fac. „b. ſchreibet er: Summa, wir ſtellen ſolche ordnung gar nicht um de- „rer willen/ die bereits Chriſten ſind: Denn die beduͤrffen der din- „gekeines/ um welcher willen man auch nicht lebt; ſondern ſie „leben um unſert willen/ die noch nicht Chriſten ſind/ daß ſie uns „zu Chriſten machen; Sie haben ihren Gottesdienſt im geiſt. „Aber um derer willen muß man ſolche ordnung halten/ die noch „Chriſten ſollen werden oder ſtaͤrcker werden. Gleichwie ein „Chriſt der Tauffe/ des Worts und Sacraments nicht darff als ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/59
Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/59>, abgerufen am 19.04.2024.