Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Da weckte mich Nachts der Mondschein und ich ging
einen sehr ängstlichen Weg durch viele dunkle Gänge
bis ich zum Garten kam an den Springbrunnen, weil
ich mit der Seele meines Vaters im Wasser reden wollte.
Und ich ging alle Nacht hinunter, da redeten die Wel¬
len mit mir wie jetzt die Sterne; es waren aber Geister
damals, denn ich sah sie herumgauklen in der Luft quer
durch den Mondschimmer und bald hier im Gras oder
in den hohen Taxusbäumen. Wenn Du aber fragst wie
es aussah was ich zu sehen meinte, so muß ich Dir sa¬
gen es war mehr ein Gefühl von etwas Höherem als
ich, von dem ich durch meine Augen gewahr ward daß
es sei, und wo mirs im Gefühl war daß es mit mei¬
nen Lebensgeistern sich zu schaffen mache, und was mir
diese Erscheinungen oder Nichterscheinungen mittheilten.
Das war so daß ich ganz willenlos war, wie der Erd¬
boden auch willenlos ist in den man Samen streut. --
Ich sah nur zu daß diese Geister mein Schauen durch¬
kreuzten, und ein reines Bejahen ihres Willens war in
mir, ohne daß ich mir diesen Willen in Gedanken hätt
übersetzen können. O ich glaub gewiß die Geister müs¬
sen den Geist in die Menschenseele legen. Denn alles
Wahrhaftige was man denkt ist Geschenktes, es über¬
rascht später als Gedanke den Begriff, wie die Erschei¬

Da weckte mich Nachts der Mondſchein und ich ging
einen ſehr ängſtlichen Weg durch viele dunkle Gänge
bis ich zum Garten kam an den Springbrunnen, weil
ich mit der Seele meines Vaters im Waſſer reden wollte.
Und ich ging alle Nacht hinunter, da redeten die Wel¬
len mit mir wie jetzt die Sterne; es waren aber Geiſter
damals, denn ich ſah ſie herumgauklen in der Luft quer
durch den Mondſchimmer und bald hier im Gras oder
in den hohen Taxusbäumen. Wenn Du aber fragſt wie
es ausſah was ich zu ſehen meinte, ſo muß ich Dir ſa¬
gen es war mehr ein Gefühl von etwas Höherem als
ich, von dem ich durch meine Augen gewahr ward daß
es ſei, und wo mirs im Gefühl war daß es mit mei¬
nen Lebensgeiſtern ſich zu ſchaffen mache, und was mir
dieſe Erſcheinungen oder Nichterſcheinungen mittheilten.
Das war ſo daß ich ganz willenlos war, wie der Erd¬
boden auch willenlos iſt in den man Samen ſtreut. —
Ich ſah nur zu daß dieſe Geiſter mein Schauen durch¬
kreuzten, und ein reines Bejahen ihres Willens war in
mir, ohne daß ich mir dieſen Willen in Gedanken hätt
überſetzen können. O ich glaub gewiß die Geiſter müſ¬
ſen den Geiſt in die Menſchenſeele legen. Denn alles
Wahrhaftige was man denkt iſt Geſchenktes, es über¬
raſcht ſpäter als Gedanke den Begriff, wie die Erſchei¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0298" n="284"/>
Da weckte mich Nachts der Mond&#x017F;chein und ich ging<lb/>
einen &#x017F;ehr äng&#x017F;tlichen Weg durch viele dunkle Gänge<lb/>
bis ich zum Garten kam an den Springbrunnen, weil<lb/>
ich mit der Seele meines Vaters im Wa&#x017F;&#x017F;er reden wollte.<lb/>
Und ich ging alle Nacht hinunter, da redeten die Wel¬<lb/>
len mit mir wie jetzt die Sterne; es waren aber Gei&#x017F;ter<lb/>
damals, denn ich &#x017F;ah &#x017F;ie herumgauklen in der Luft quer<lb/>
durch den Mond&#x017F;chimmer und bald hier im Gras oder<lb/>
in den hohen Taxusbäumen. Wenn Du aber frag&#x017F;t wie<lb/>
es aus&#x017F;ah was ich zu &#x017F;ehen meinte, &#x017F;o muß ich Dir &#x017F;<lb/>
gen es war mehr ein Gefühl von etwas Höherem als<lb/>
ich, von dem ich durch meine Augen gewahr ward daß<lb/>
es &#x017F;ei, und wo mirs im Gefühl war daß es mit mei¬<lb/>
nen Lebensgei&#x017F;tern &#x017F;ich zu &#x017F;chaffen mache, und was mir<lb/>
die&#x017F;e Er&#x017F;cheinungen oder Nichter&#x017F;cheinungen mittheilten.<lb/>
Das war &#x017F;o daß ich ganz willenlos war, wie der Erd¬<lb/>
boden auch willenlos i&#x017F;t in den man Samen &#x017F;treut. &#x2014;<lb/>
Ich &#x017F;ah nur zu daß die&#x017F;e Gei&#x017F;ter mein Schauen durch¬<lb/>
kreuzten, und ein reines Bejahen ihres Willens war in<lb/>
mir, ohne daß ich mir die&#x017F;en Willen in Gedanken hätt<lb/>
über&#x017F;etzen können. O ich glaub gewiß die Gei&#x017F;ter mü&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en den Gei&#x017F;t in die Men&#x017F;chen&#x017F;eele legen. Denn alles<lb/>
Wahrhaftige was man denkt i&#x017F;t Ge&#x017F;chenktes, es über¬<lb/>
ra&#x017F;cht &#x017F;päter als Gedanke den Begriff, wie die Er&#x017F;chei¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0298] Da weckte mich Nachts der Mondſchein und ich ging einen ſehr ängſtlichen Weg durch viele dunkle Gänge bis ich zum Garten kam an den Springbrunnen, weil ich mit der Seele meines Vaters im Waſſer reden wollte. Und ich ging alle Nacht hinunter, da redeten die Wel¬ len mit mir wie jetzt die Sterne; es waren aber Geiſter damals, denn ich ſah ſie herumgauklen in der Luft quer durch den Mondſchimmer und bald hier im Gras oder in den hohen Taxusbäumen. Wenn Du aber fragſt wie es ausſah was ich zu ſehen meinte, ſo muß ich Dir ſa¬ gen es war mehr ein Gefühl von etwas Höherem als ich, von dem ich durch meine Augen gewahr ward daß es ſei, und wo mirs im Gefühl war daß es mit mei¬ nen Lebensgeiſtern ſich zu ſchaffen mache, und was mir dieſe Erſcheinungen oder Nichterſcheinungen mittheilten. Das war ſo daß ich ganz willenlos war, wie der Erd¬ boden auch willenlos iſt in den man Samen ſtreut. — Ich ſah nur zu daß dieſe Geiſter mein Schauen durch¬ kreuzten, und ein reines Bejahen ihres Willens war in mir, ohne daß ich mir dieſen Willen in Gedanken hätt überſetzen können. O ich glaub gewiß die Geiſter müſ¬ ſen den Geiſt in die Menſchenſeele legen. Denn alles Wahrhaftige was man denkt iſt Geſchenktes, es über¬ raſcht ſpäter als Gedanke den Begriff, wie die Erſchei¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/298
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/298>, abgerufen am 16.06.2024.