Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht: Gott sein? Alles aus freier Anstrengung erwerben
ist die erste Bedingung einer göttlichen Natur.

Und diesen Forderungen von Dir habe ich geschwo¬
ren wie einer auf die Fahne schwört und war meiner
eignen Begeistrung so gewiß und hätte mirs zugetraut,
Alles mit Ernst und Treue zu verwalten was die in¬
nere Stimme mir auferlegte, und dieser geheime Trieb
göttlich zu werden durchdringt mich noch. Und wenn
ich hundertmal eins ums andre verlassen hab, so ver¬
zag ich nicht, wieder zu beginnen. Ich will zu Dir,
in Deinem Schooß will ich lernen; ich weiß daß es so
sein muß daß wir bei einander sind. Wenn ich Dir
nicht jeden Tag enthüllen kann was für Gedanken in
mir aufsteigen dann bin ich gleich weggerissen. Ja das
muß ich Dir auch noch von mir sagen daß ichs oft
nicht weiß wie es kommt daß ich oft plötzlich weit von
dem wozu ich mich ganz hingewendet hab hinweg ge¬
rissen bin; -- nicht mit meinem Willen, aber ich bin dann
erfüllt und bestürmt vom Denken, dem muß ich folgen;
und ermüdet bin ich dann -- aber so ermüdet, wenn ich
mich wieder zu dem finde was ich erlernen oder mir
aneignen will. Und das ist meine Sünde. Ich sollte
diese Schwäche abweisen. Der Geist soll nicht ermüdet
sein, er soll die Müdigkeit abweisen. -- Weiß ich doch

nicht: Gott ſein? Alles aus freier Anſtrengung erwerben
iſt die erſte Bedingung einer göttlichen Natur.

Und dieſen Forderungen von Dir habe ich geſchwo¬
ren wie einer auf die Fahne ſchwört und war meiner
eignen Begeiſtrung ſo gewiß und hätte mirs zugetraut,
Alles mit Ernſt und Treue zu verwalten was die in¬
nere Stimme mir auferlegte, und dieſer geheime Trieb
göttlich zu werden durchdringt mich noch. Und wenn
ich hundertmal eins ums andre verlaſſen hab, ſo ver¬
zag ich nicht, wieder zu beginnen. Ich will zu Dir,
in Deinem Schooß will ich lernen; ich weiß daß es ſo
ſein muß daß wir bei einander ſind. Wenn ich Dir
nicht jeden Tag enthüllen kann was für Gedanken in
mir aufſteigen dann bin ich gleich weggeriſſen. Ja das
muß ich Dir auch noch von mir ſagen daß ichs oft
nicht weiß wie es kommt daß ich oft plötzlich weit von
dem wozu ich mich ganz hingewendet hab hinweg ge¬
riſſen bin; — nicht mit meinem Willen, aber ich bin dann
erfüllt und beſtürmt vom Denken, dem muß ich folgen;
und ermüdet bin ich dann — aber ſo ermüdet, wenn ich
mich wieder zu dem finde was ich erlernen oder mir
aneignen will. Und das iſt meine Sünde. Ich ſollte
dieſe Schwäche abweiſen. Der Geiſt ſoll nicht ermüdet
ſein, er ſoll die Müdigkeit abweiſen. — Weiß ich doch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0283" n="269"/>
nicht: Gott &#x017F;ein? Alles aus freier An&#x017F;trengung erwerben<lb/>
i&#x017F;t die er&#x017F;te Bedingung einer göttlichen Natur.</p><lb/>
          <p>Und die&#x017F;en Forderungen von Dir habe ich ge&#x017F;chwo¬<lb/>
ren wie einer auf die Fahne &#x017F;chwört und war meiner<lb/>
eignen Begei&#x017F;trung &#x017F;o gewiß und hätte mirs zugetraut,<lb/>
Alles mit Ern&#x017F;t und Treue zu verwalten was die in¬<lb/>
nere Stimme mir auferlegte, und die&#x017F;er geheime Trieb<lb/>
göttlich zu werden durchdringt mich noch. Und wenn<lb/>
ich hundertmal eins ums andre verla&#x017F;&#x017F;en hab, &#x017F;o ver¬<lb/>
zag ich nicht, wieder zu beginnen. Ich will zu Dir,<lb/>
in Deinem Schooß will ich lernen; ich weiß daß es &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ein muß daß wir bei einander &#x017F;ind. Wenn ich Dir<lb/>
nicht jeden Tag enthüllen kann was für Gedanken in<lb/>
mir auf&#x017F;teigen dann bin ich gleich weggeri&#x017F;&#x017F;en. Ja das<lb/>
muß ich Dir auch noch von mir &#x017F;agen daß ichs oft<lb/>
nicht weiß wie es kommt daß ich oft plötzlich weit von<lb/>
dem wozu ich mich ganz hingewendet hab hinweg ge¬<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;en bin; &#x2014; nicht mit meinem Willen, aber ich bin dann<lb/>
erfüllt und be&#x017F;türmt vom Denken, dem muß ich folgen;<lb/>
und ermüdet bin ich dann &#x2014; aber &#x017F;o ermüdet, wenn ich<lb/>
mich wieder zu dem finde was ich erlernen oder mir<lb/>
aneignen will. Und das i&#x017F;t meine Sünde. Ich &#x017F;ollte<lb/>
die&#x017F;e Schwäche abwei&#x017F;en. Der Gei&#x017F;t &#x017F;oll nicht ermüdet<lb/>
&#x017F;ein, er &#x017F;oll die Müdigkeit abwei&#x017F;en. &#x2014; Weiß ich doch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0283] nicht: Gott ſein? Alles aus freier Anſtrengung erwerben iſt die erſte Bedingung einer göttlichen Natur. Und dieſen Forderungen von Dir habe ich geſchwo¬ ren wie einer auf die Fahne ſchwört und war meiner eignen Begeiſtrung ſo gewiß und hätte mirs zugetraut, Alles mit Ernſt und Treue zu verwalten was die in¬ nere Stimme mir auferlegte, und dieſer geheime Trieb göttlich zu werden durchdringt mich noch. Und wenn ich hundertmal eins ums andre verlaſſen hab, ſo ver¬ zag ich nicht, wieder zu beginnen. Ich will zu Dir, in Deinem Schooß will ich lernen; ich weiß daß es ſo ſein muß daß wir bei einander ſind. Wenn ich Dir nicht jeden Tag enthüllen kann was für Gedanken in mir aufſteigen dann bin ich gleich weggeriſſen. Ja das muß ich Dir auch noch von mir ſagen daß ichs oft nicht weiß wie es kommt daß ich oft plötzlich weit von dem wozu ich mich ganz hingewendet hab hinweg ge¬ riſſen bin; — nicht mit meinem Willen, aber ich bin dann erfüllt und beſtürmt vom Denken, dem muß ich folgen; und ermüdet bin ich dann — aber ſo ermüdet, wenn ich mich wieder zu dem finde was ich erlernen oder mir aneignen will. Und das iſt meine Sünde. Ich ſollte dieſe Schwäche abweiſen. Der Geiſt ſoll nicht ermüdet ſein, er ſoll die Müdigkeit abweiſen. — Weiß ich doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/283
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/283>, abgerufen am 16.06.2024.