Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

war, und schlief so fest ein. Ach war ich denn krank
gewesen daß ich wieder so ganz gegen meinen eigen¬
thümlichen Willen nicht traurig zu sein, so an Dich
schrieb? -- aber wie ich aufwachte da besann ich mich
daß es zum ersten Mal war wo ich den Thurm versäumte,
sprang auf und warf einen Mantel um, so war ich
oben angelangt noch eh ich mich besann obs nicht die
Geisterstund sein könne, meine Hast war zu groß als
daß ich mich hätt fürchten können, -- denn ich dacht,
wenn nun schon Mitternacht vorbei wär, so hätt ich
einen Tag versäumt. Nein das will ich nicht, ich hab
Dich da oben in der freien Natur allen guten Mäch¬
ten hingegeben, die Sterne wissen von Dir, und mags
gehen wie es will, ich will nichts versehen bei meinen
Gelübden. Ich hab zu ihnen gesagt von Dir, und sie in
Pflicht genommen über Dich, ich bleib ihnen zugethan,
und mein Gefühl ihrer Erhörung, ihres Bewußtseins
meiner heißen Lebensbedürfnisse, das will ich nicht schwä¬
chen indem ich nicht feierlich mein Versprechen achten
sollt. -- Es war auch schön dort oben, der reinliche
Schnee bewahrte noch Deinen Namen unverletzt vom
vorigen Tag, und ich setzt mich auf die Mauer, und
lauschte in die Stille, und da schreib ich Dir hin was

war, und ſchlief ſo feſt ein. Ach war ich denn krank
geweſen daß ich wieder ſo ganz gegen meinen eigen¬
thümlichen Willen nicht traurig zu ſein, ſo an Dich
ſchrieb? — aber wie ich aufwachte da beſann ich mich
daß es zum erſten Mal war wo ich den Thurm verſäumte,
ſprang auf und warf einen Mantel um, ſo war ich
oben angelangt noch eh ich mich beſann obs nicht die
Geiſterſtund ſein könne, meine Haſt war zu groß als
daß ich mich hätt fürchten können, — denn ich dacht,
wenn nun ſchon Mitternacht vorbei wär, ſo hätt ich
einen Tag verſäumt. Nein das will ich nicht, ich hab
Dich da oben in der freien Natur allen guten Mäch¬
ten hingegeben, die Sterne wiſſen von Dir, und mags
gehen wie es will, ich will nichts verſehen bei meinen
Gelübden. Ich hab zu ihnen geſagt von Dir, und ſie in
Pflicht genommen über Dich, ich bleib ihnen zugethan,
und mein Gefühl ihrer Erhörung, ihres Bewußtſeins
meiner heißen Lebensbedürfniſſe, das will ich nicht ſchwä¬
chen indem ich nicht feierlich mein Verſprechen achten
ſollt. — Es war auch ſchön dort oben, der reinliche
Schnee bewahrte noch Deinen Namen unverletzt vom
vorigen Tag, und ich ſetzt mich auf die Mauer, und
lauſchte in die Stille, und da ſchreib ich Dir hin was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0274" n="260"/>
war, und &#x017F;chlief &#x017F;o fe&#x017F;t ein. Ach war ich denn krank<lb/>
gewe&#x017F;en daß ich wieder &#x017F;o ganz gegen meinen eigen¬<lb/>
thümlichen Willen nicht traurig zu &#x017F;ein, &#x017F;o an Dich<lb/>
&#x017F;chrieb? &#x2014; aber wie ich aufwachte da be&#x017F;ann ich mich<lb/>
daß es zum er&#x017F;ten Mal war wo ich den Thurm ver&#x017F;äumte,<lb/>
&#x017F;prang auf und warf einen Mantel um, &#x017F;o war ich<lb/>
oben angelangt noch eh ich mich be&#x017F;ann obs nicht die<lb/>
Gei&#x017F;ter&#x017F;tund &#x017F;ein könne, meine Ha&#x017F;t war zu groß als<lb/>
daß ich mich hätt fürchten können, &#x2014; denn ich dacht,<lb/>
wenn nun &#x017F;chon Mitternacht vorbei wär, &#x017F;o hätt ich<lb/>
einen Tag ver&#x017F;äumt. Nein das will ich nicht, ich hab<lb/>
Dich da oben in der freien Natur allen guten Mäch¬<lb/>
ten hingegeben, die Sterne wi&#x017F;&#x017F;en von Dir, und mags<lb/>
gehen wie es will, ich will nichts ver&#x017F;ehen bei meinen<lb/>
Gelübden. Ich hab zu ihnen ge&#x017F;agt von Dir, und &#x017F;ie in<lb/>
Pflicht genommen über Dich, ich bleib ihnen zugethan,<lb/>
und mein Gefühl ihrer Erhörung, ihres Bewußt&#x017F;eins<lb/>
meiner heißen Lebensbedürfni&#x017F;&#x017F;e, das will ich nicht &#x017F;chwä¬<lb/>
chen indem ich nicht feierlich mein Ver&#x017F;prechen achten<lb/>
&#x017F;ollt. &#x2014; Es war auch &#x017F;chön dort oben, der reinliche<lb/>
Schnee bewahrte noch Deinen Namen unverletzt vom<lb/>
vorigen Tag, und ich &#x017F;etzt mich auf die Mauer, und<lb/>
lau&#x017F;chte in die Stille, und da &#x017F;chreib ich Dir hin was<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[260/0274] war, und ſchlief ſo feſt ein. Ach war ich denn krank geweſen daß ich wieder ſo ganz gegen meinen eigen¬ thümlichen Willen nicht traurig zu ſein, ſo an Dich ſchrieb? — aber wie ich aufwachte da beſann ich mich daß es zum erſten Mal war wo ich den Thurm verſäumte, ſprang auf und warf einen Mantel um, ſo war ich oben angelangt noch eh ich mich beſann obs nicht die Geiſterſtund ſein könne, meine Haſt war zu groß als daß ich mich hätt fürchten können, — denn ich dacht, wenn nun ſchon Mitternacht vorbei wär, ſo hätt ich einen Tag verſäumt. Nein das will ich nicht, ich hab Dich da oben in der freien Natur allen guten Mäch¬ ten hingegeben, die Sterne wiſſen von Dir, und mags gehen wie es will, ich will nichts verſehen bei meinen Gelübden. Ich hab zu ihnen geſagt von Dir, und ſie in Pflicht genommen über Dich, ich bleib ihnen zugethan, und mein Gefühl ihrer Erhörung, ihres Bewußtſeins meiner heißen Lebensbedürfniſſe, das will ich nicht ſchwä¬ chen indem ich nicht feierlich mein Verſprechen achten ſollt. — Es war auch ſchön dort oben, der reinliche Schnee bewahrte noch Deinen Namen unverletzt vom vorigen Tag, und ich ſetzt mich auf die Mauer, und lauſchte in die Stille, und da ſchreib ich Dir hin was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/274
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/274>, abgerufen am 16.06.2024.