Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

danach, wie ein eingesperrtes Kind nach dem Spiel
in freier Luft, aus grüner Wiese im Sonnenschein; ja
es schmerzt mich tief, daß ich nicht kann wie ich
will und daß alle Sprache mit der ich mein Sinnen
festzuhalten versuche nur wie dürres Holz in der
Gluth meines Herzens zusammenbrennt; wie oft hatte
ich Momente deren feierliche Mahnung mich auf et¬
was Ernstes Tiefes vorbereiteten, die Poesie schien
mir dann ein reifer Schmetterling der mit dem lei¬
sesten Regen die leichte Hülle sprengte und auf in
die Lüfte steigend in den mannigfaltigsten Blüthen
meiner Seele schwelgend. Dann fühlt ich wie ein gött¬
lich Unsichtbares dem ich geboren, ich war stolz und
wenn die Natur rings mich mit feurigem Blick an
glühte, dann war ich spröde und verschlossen gegen
die Feuerkraft, und doch hätt ich mein Herz darge¬
reicht dem ersten kühnen Augenblick der mir die Sprache
gelöst hätt, in der meine Lieder geflossen wären. Doch
all dies Leben, dies innere Beben und Aufrauschen ging
vorüber ohne etwas festzuhalten oder zu erzeugen,
und wird vielleicht noch tausendfach in mir erscheinen
-- und keine Spuren zurücklassen."

Das hab ich Dir abgeschrieben aus meinem Brief
an ihn, weils etwas Erlebtes ist, was sich mit un¬

danach, wie ein eingeſperrtes Kind nach dem Spiel
in freier Luft, aus grüner Wieſe im Sonnenſchein; ja
es ſchmerzt mich tief, daß ich nicht kann wie ich
will und daß alle Sprache mit der ich mein Sinnen
feſtzuhalten verſuche nur wie dürres Holz in der
Gluth meines Herzens zuſammenbrennt; wie oft hatte
ich Momente deren feierliche Mahnung mich auf et¬
was Ernſtes Tiefes vorbereiteten, die Poeſie ſchien
mir dann ein reifer Schmetterling der mit dem lei¬
ſeſten Regen die leichte Hülle ſprengte und auf in
die Lüfte ſteigend in den mannigfaltigſten Blüthen
meiner Seele ſchwelgend. Dann fühlt ich wie ein gött¬
lich Unſichtbares dem ich geboren, ich war ſtolz und
wenn die Natur rings mich mit feurigem Blick an
glühte, dann war ich ſpröde und verſchloſſen gegen
die Feuerkraft, und doch hätt ich mein Herz darge¬
reicht dem erſten kühnen Augenblick der mir die Sprache
gelöſt hätt, in der meine Lieder gefloſſen wären. Doch
all dies Leben, dies innere Beben und Aufrauſchen ging
vorüber ohne etwas feſtzuhalten oder zu erzeugen,
und wird vielleicht noch tauſendfach in mir erſcheinen
— und keine Spuren zurücklaſſen.“

Das hab ich Dir abgeſchrieben aus meinem Brief
an ihn, weils etwas Erlebtes iſt, was ſich mit un¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="111"/>
danach, wie ein einge&#x017F;perrtes Kind nach dem Spiel<lb/>
in freier Luft, aus grüner Wie&#x017F;e im Sonnen&#x017F;chein; ja<lb/>
es &#x017F;chmerzt mich tief, daß ich nicht kann wie ich<lb/>
will und daß alle Sprache mit der ich mein Sinnen<lb/>
fe&#x017F;tzuhalten ver&#x017F;uche nur wie dürres Holz in der<lb/>
Gluth meines Herzens zu&#x017F;ammenbrennt; wie oft hatte<lb/>
ich Momente deren feierliche Mahnung mich auf et¬<lb/>
was Ern&#x017F;tes Tiefes vorbereiteten, die Poe&#x017F;ie &#x017F;chien<lb/>
mir dann ein reifer Schmetterling der mit dem lei¬<lb/>
&#x017F;e&#x017F;ten Regen die leichte Hülle &#x017F;prengte und auf in<lb/>
die Lüfte &#x017F;teigend in den mannigfaltig&#x017F;ten Blüthen<lb/>
meiner Seele &#x017F;chwelgend. Dann fühlt ich wie ein gött¬<lb/>
lich Un&#x017F;ichtbares dem ich geboren, ich war &#x017F;tolz und<lb/>
wenn die Natur rings mich mit feurigem Blick an<lb/>
glühte, dann war ich &#x017F;pröde und ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en gegen<lb/>
die Feuerkraft, und doch hätt ich mein Herz darge¬<lb/>
reicht dem er&#x017F;ten kühnen Augenblick der mir die Sprache<lb/>
gelö&#x017F;t hätt, in der meine Lieder geflo&#x017F;&#x017F;en wären. Doch<lb/>
all dies Leben, dies innere Beben und Aufrau&#x017F;chen ging<lb/>
vorüber ohne etwas fe&#x017F;tzuhalten oder zu erzeugen,<lb/>
und wird vielleicht noch tau&#x017F;endfach in mir er&#x017F;cheinen<lb/>
&#x2014; und keine Spuren zurückla&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das hab ich Dir abge&#x017F;chrieben aus meinem Brief<lb/>
an ihn, weils etwas Erlebtes i&#x017F;t, was &#x017F;ich mit un¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0125] danach, wie ein eingeſperrtes Kind nach dem Spiel in freier Luft, aus grüner Wieſe im Sonnenſchein; ja es ſchmerzt mich tief, daß ich nicht kann wie ich will und daß alle Sprache mit der ich mein Sinnen feſtzuhalten verſuche nur wie dürres Holz in der Gluth meines Herzens zuſammenbrennt; wie oft hatte ich Momente deren feierliche Mahnung mich auf et¬ was Ernſtes Tiefes vorbereiteten, die Poeſie ſchien mir dann ein reifer Schmetterling der mit dem lei¬ ſeſten Regen die leichte Hülle ſprengte und auf in die Lüfte ſteigend in den mannigfaltigſten Blüthen meiner Seele ſchwelgend. Dann fühlt ich wie ein gött¬ lich Unſichtbares dem ich geboren, ich war ſtolz und wenn die Natur rings mich mit feurigem Blick an glühte, dann war ich ſpröde und verſchloſſen gegen die Feuerkraft, und doch hätt ich mein Herz darge¬ reicht dem erſten kühnen Augenblick der mir die Sprache gelöſt hätt, in der meine Lieder gefloſſen wären. Doch all dies Leben, dies innere Beben und Aufrauſchen ging vorüber ohne etwas feſtzuhalten oder zu erzeugen, und wird vielleicht noch tauſendfach in mir erſcheinen — und keine Spuren zurücklaſſen.“ Das hab ich Dir abgeſchrieben aus meinem Brief an ihn, weils etwas Erlebtes iſt, was ſich mit un¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/125
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/125>, abgerufen am 28.11.2024.