gen und erzeuge die Dichterwonnen, wo unter freudiger Sohle der Dichterklang erschalle, während die Sinne ver¬ sunken seien in die nothwendigen Ideengestaltungen der Geistesgewalt die in der Zeit sei. -- Diese letzte Dich¬ tungsform sei eine hochzeitliche feierliche Vermählungs¬ begeistrung, und bald tauche sie sich in die Nacht und werde im Dunkel hellsehend, bald auch ströme sie im Tageslicht über alles was dieses beleuchte. -- Der ge¬ genüber, als der humanen Zeit, stehe die furchtbare Muse der tragischen Zeit; -- und wer dies nicht verstehe meinte er, der könne nimmer zum Verständniß der ho¬ hen griechischen Kunstwerke kommen, deren Bau ein göttlich organischer sei, der nicht könne aus des Men¬ schen Verstand hervorgehen, sondern der habe sich Un¬ denkbarem geweiht. -- Und so habe den Dichter der Gott gebraucht als Pfeil seinen Rhythmus vom Bogen zu schnellen, und wer dies nicht empfinde und sich dem schmiege, der werde nie, weder Geschick noch Athletentu¬ gend haben zum Dichter, und zu schwach sei ein solcher, als daß er sich fassen könne, weder im Stoff, noch in der Weltansicht der früheren, noch in der späteren Vorstellungsart unsrer Tendenzen, und keine poetischen Formen werden sich ihm offenbaren. Dichter die sich in gegebene Formen einstudiren, die können auch nur
gen und erzeuge die Dichterwonnen, wo unter freudiger Sohle der Dichterklang erſchalle, während die Sinne ver¬ ſunken ſeien in die nothwendigen Ideengeſtaltungen der Geiſtesgewalt die in der Zeit ſei. — Dieſe letzte Dich¬ tungsform ſei eine hochzeitliche feierliche Vermählungs¬ begeiſtrung, und bald tauche ſie ſich in die Nacht und werde im Dunkel hellſehend, bald auch ſtröme ſie im Tageslicht über alles was dieſes beleuchte. — Der ge¬ genüber, als der humanen Zeit, ſtehe die furchtbare Muſe der tragiſchen Zeit; — und wer dies nicht verſtehe meinte er, der könne nimmer zum Verſtändniß der ho¬ hen griechiſchen Kunſtwerke kommen, deren Bau ein göttlich organiſcher ſei, der nicht könne aus des Men¬ ſchen Verſtand hervorgehen, ſondern der habe ſich Un¬ denkbarem geweiht. — Und ſo habe den Dichter der Gott gebraucht als Pfeil ſeinen Rhythmus vom Bogen zu ſchnellen, und wer dies nicht empfinde und ſich dem ſchmiege, der werde nie, weder Geſchick noch Athletentu¬ gend haben zum Dichter, und zu ſchwach ſei ein ſolcher, als daß er ſich faſſen könne, weder im Stoff, noch in der Weltanſicht der früheren, noch in der ſpäteren Vorſtellungsart unſrer Tendenzen, und keine poetiſchen Formen werden ſich ihm offenbaren. Dichter die ſich in gegebene Formen einſtudiren, die können auch nur
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gen und erzeuge die Dichterwonnen, wo unter freudiger
Sohle der Dichterklang erſchalle, während die Sinne ver¬
ſunken ſeien in die nothwendigen Ideengeſtaltungen der
Geiſtesgewalt die in der Zeit ſei. — Dieſe letzte Dich¬
tungsform ſei eine hochzeitliche feierliche Vermählungs¬
begeiſtrung, und bald tauche ſie ſich in die Nacht und
werde im Dunkel hellſehend, bald auch ſtröme ſie im
Tageslicht über alles was dieſes beleuchte. — Der ge¬
genüber, als der humanen Zeit, ſtehe die furchtbare Muſe
der tragiſchen Zeit; — und wer dies nicht verſtehe
meinte er, der könne nimmer zum Verſtändniß der ho¬
hen griechiſchen Kunſtwerke kommen, deren Bau ein
göttlich organiſcher ſei, der nicht könne aus des Men¬
ſchen Verſtand hervorgehen, ſondern der habe ſich Un¬
denkbarem geweiht. — Und ſo habe den Dichter der
Gott gebraucht als Pfeil ſeinen Rhythmus vom Bogen
zu ſchnellen, und wer dies nicht empfinde und ſich dem
ſchmiege, der werde nie, weder Geſchick noch Athletentu¬
gend haben zum Dichter, und zu ſchwach ſei ein ſolcher,
als daß er ſich faſſen könne, weder im Stoff, noch in
der Weltanſicht der früheren, noch in der ſpäteren
Vorſtellungsart unſrer Tendenzen, und keine poetiſchen
Formen werden ſich ihm offenbaren. Dichter die ſich
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/438>, abgerufen am 22.12.2024.
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