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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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angeregte Feuer schonungslos durchzugreifen, wie die
ewig noch ungeschriebene Todtenwelt, die durch das innere
Gesetz des Geistes ihren Umschwung erhalte, bald auch
eine träumerisch naive Hingebung an den göttlichen
Dichtergeist, oder die liebenswürdige Gefaßtheit im Un¬
glück; -- und dies objectivire die Originalnatur des
Dichters mit in das Superlative der heroischen Virtuo¬
sität des Göttlichen hinein. --

So könnt ich Dir noch Bogen voll schreiben aus
dem was sich St. Clair in den acht Tagen aus den
Reden des Hölderlin aufgeschrieben hat in abgebrochnen
Sätzen, denn ich lese dies alles darin, mit dem zusam¬
men was St. Clair noch mündlich hinzufügte. Einmal
sagte Hölderlin, Alles sei Rhythmus, das ganze Schick¬
sal des Menschen sei Ein himmlischer Rhythmus, wie
auch jedes Kunstwerk ein einziger Rhythmus sei, und
alles schwinge sich von den Dichterlippen des Gottes,
und wo der Menschengeist dem sich füge, das seien die
verklärten Schicksale, in denen der Genius sich zeige,
und das Dichten sei ein Streiten um die Wahrheit, und
bald sei es in plastischem Geist, bald in athletischem,
wo das Wort den Körper (Dichtungsform) ergreife, bald
auch im hesperischen, das sei der Geist der Beobachtun¬

angeregte Feuer ſchonungslos durchzugreifen, wie die
ewig noch ungeſchriebene Todtenwelt, die durch das innere
Geſetz des Geiſtes ihren Umſchwung erhalte, bald auch
eine träumeriſch naive Hingebung an den göttlichen
Dichtergeiſt, oder die liebenswürdige Gefaßtheit im Un¬
glück; — und dies objectivire die Originalnatur des
Dichters mit in das Superlative der heroiſchen Virtuo¬
ſität des Göttlichen hinein. —

So könnt ich Dir noch Bogen voll ſchreiben aus
dem was ſich St. Clair in den acht Tagen aus den
Reden des Hölderlin aufgeſchrieben hat in abgebrochnen
Sätzen, denn ich leſe dies alles darin, mit dem zuſam¬
men was St. Clair noch mündlich hinzufügte. Einmal
ſagte Hölderlin, Alles ſei Rhythmus, das ganze Schick¬
ſal des Menſchen ſei Ein himmliſcher Rhythmus, wie
auch jedes Kunſtwerk ein einziger Rhythmus ſei, und
alles ſchwinge ſich von den Dichterlippen des Gottes,
und wo der Menſchengeiſt dem ſich füge, das ſeien die
verklärten Schickſale, in denen der Genius ſich zeige,
und das Dichten ſei ein Streiten um die Wahrheit, und
bald ſei es in plaſtiſchem Geiſt, bald in athletiſchem,
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[421/0437] angeregte Feuer ſchonungslos durchzugreifen, wie die ewig noch ungeſchriebene Todtenwelt, die durch das innere Geſetz des Geiſtes ihren Umſchwung erhalte, bald auch eine träumeriſch naive Hingebung an den göttlichen Dichtergeiſt, oder die liebenswürdige Gefaßtheit im Un¬ glück; — und dies objectivire die Originalnatur des Dichters mit in das Superlative der heroiſchen Virtuo¬ ſität des Göttlichen hinein. — So könnt ich Dir noch Bogen voll ſchreiben aus dem was ſich St. Clair in den acht Tagen aus den Reden des Hölderlin aufgeſchrieben hat in abgebrochnen Sätzen, denn ich leſe dies alles darin, mit dem zuſam¬ men was St. Clair noch mündlich hinzufügte. Einmal ſagte Hölderlin, Alles ſei Rhythmus, das ganze Schick¬ ſal des Menſchen ſei Ein himmliſcher Rhythmus, wie auch jedes Kunſtwerk ein einziger Rhythmus ſei, und alles ſchwinge ſich von den Dichterlippen des Gottes, und wo der Menſchengeiſt dem ſich füge, das ſeien die verklärten Schickſale, in denen der Genius ſich zeige, und das Dichten ſei ein Streiten um die Wahrheit, und bald ſei es in plaſtiſchem Geiſt, bald in athletiſchem, wo das Wort den Körper (Dichtungsform) ergreife, bald auch im hesperiſchen, das ſei der Geiſt der Beobachtun¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/437>, abgerufen am 22.12.2024.