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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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sen giebt, das heißt ihre Sprache die ihr in die Seele
spricht, wovon die Seele sich nährt, so ist es gewiß mit
allen lebenden Kreaturen die so weit sind daß der Geist
schon gelöst ist und selbst denken kann. -- Alle Men¬
schen erleiden dieselbe Berührung von der Natur, sie
wissens nur nicht, ich bin grade wie sie, nur der Unter¬
schied ist, daß ich bewußt bin, denn ich hab das Herz
gehabt dringend, und mit leidenschaftlicher Liebe zu
fragen, andre Menschen lesens wohl als poetische
Fabel daß die Natur um Erlösung bitte, andre
Menschen empfinden wohl eine Unheimlichkeit wenn sie
so in der lautlosen stillen Natur dastehen, es bedrängt
ihr Herz, sie wissen weder den Geist zu wecken in sich,
noch zu bezwingen, da gehen sie ihr fühllos aus dem
Weg, ihr Inneres sagt ihnen wohl, hier geht was vor,
du solltest dich dem hingeben, dann überkommt sie eine
Angst, und sie ziehen sich wieder ins Gewohnheitsleben,
wo eine Mahlzeit die andere verabschiedet, bis der
Schlaf oben drauf sich einstellt und dann ist der Tag
und die Nacht herum; und dafür hätte man gelebt? --
Nein das ist nimmermehr wahr! -- der Gedanke hat
mich schon lang verfolgt "warum lebst du doch" --
besonders eben wenn ich so manchmal bei Sonnenun¬
tergang spazieren ging -- im Wald auf der Hombur¬

ſen giebt, das heißt ihre Sprache die ihr in die Seele
ſpricht, wovon die Seele ſich nährt, ſo iſt es gewiß mit
allen lebenden Kreaturen die ſo weit ſind daß der Geiſt
ſchon gelöſt iſt und ſelbſt denken kann. — Alle Men¬
ſchen erleiden dieſelbe Berührung von der Natur, ſie
wiſſens nur nicht, ich bin grade wie ſie, nur der Unter¬
ſchied iſt, daß ich bewußt bin, denn ich hab das Herz
gehabt dringend, und mit leidenſchaftlicher Liebe zu
fragen, andre Menſchen leſens wohl als poetiſche
Fabel daß die Natur um Erlöſung bitte, andre
Menſchen empfinden wohl eine Unheimlichkeit wenn ſie
ſo in der lautloſen ſtillen Natur daſtehen, es bedrängt
ihr Herz, ſie wiſſen weder den Geiſt zu wecken in ſich,
noch zu bezwingen, da gehen ſie ihr fühllos aus dem
Weg, ihr Inneres ſagt ihnen wohl, hier geht was vor,
du ſollteſt dich dem hingeben, dann überkommt ſie eine
Angſt, und ſie ziehen ſich wieder ins Gewohnheitsleben,
wo eine Mahlzeit die andere verabſchiedet, bis der
Schlaf oben drauf ſich einſtellt und dann iſt der Tag
und die Nacht herum; und dafür hätte man gelebt? —
Nein das iſt nimmermehr wahr! — der Gedanke hat
mich ſchon lang verfolgt „warum lebſt du doch“ —
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[397/0413] ſen giebt, das heißt ihre Sprache die ihr in die Seele ſpricht, wovon die Seele ſich nährt, ſo iſt es gewiß mit allen lebenden Kreaturen die ſo weit ſind daß der Geiſt ſchon gelöſt iſt und ſelbſt denken kann. — Alle Men¬ ſchen erleiden dieſelbe Berührung von der Natur, ſie wiſſens nur nicht, ich bin grade wie ſie, nur der Unter¬ ſchied iſt, daß ich bewußt bin, denn ich hab das Herz gehabt dringend, und mit leidenſchaftlicher Liebe zu fragen, andre Menſchen leſens wohl als poetiſche Fabel daß die Natur um Erlöſung bitte, andre Menſchen empfinden wohl eine Unheimlichkeit wenn ſie ſo in der lautloſen ſtillen Natur daſtehen, es bedrängt ihr Herz, ſie wiſſen weder den Geiſt zu wecken in ſich, noch zu bezwingen, da gehen ſie ihr fühllos aus dem Weg, ihr Inneres ſagt ihnen wohl, hier geht was vor, du ſollteſt dich dem hingeben, dann überkommt ſie eine Angſt, und ſie ziehen ſich wieder ins Gewohnheitsleben, wo eine Mahlzeit die andere verabſchiedet, bis der Schlaf oben drauf ſich einſtellt und dann iſt der Tag und die Nacht herum; und dafür hätte man gelebt? — Nein das iſt nimmermehr wahr! — der Gedanke hat mich ſchon lang verfolgt „warum lebſt du doch“ — beſonders eben wenn ich ſo manchmal bei Sonnenun¬ tergang ſpazieren ging — im Wald auf der Hombur¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/413>, abgerufen am 16.07.2024.