ist was sie in sich aufgenommen, nämlich Selbstsprache der Natur, da erkennt sie die Natur wieder als nah¬ rungbedürftig,) so hab ich vor ihr gestanden und hab mich wieder in sie hineingesprochen, ich hab sie geküßt mit meinen Seelenlippen. Sieh das war Geist, der war nicht gedacht der war ursprünglicher Lebensgeist ohne Erdform, Gedanken ist die Erdform des Geistes -- aber mein Geist hat diese Form nicht angenommen als er mit ihr sprach, es war nicht Gedanke, es war nicht Ge¬ fühl oder Empfindung, denn das deucht mir auch noch verschieden, es war Wille -- ja Wille wars, der sah so rasch und fest die Natur an als wolle er ihr nun wie¬ der schenken alles was sie ihm gab, nämlich Leben. -- Das ists, alles ist ein Wechselwirken, alles was lebt, giebt Leben und muß Leben empfangen. -- Und glaub nur nicht daß alle Menschen leben, die sind zwar leben¬ dig aber sie leben nicht, das fühl ich an mir, ich leb nur wenn mein Geist mit der Natur in dieser Wechsel¬ wirkung steht. -- Da weiß ich auch daß Thränen noch gar keine Folgen von Schmerz zu sein brauchen oder von Lust -- sie können auch eine natürliche Folge sein, wie auch Schlaf die Folge ist vom aufgeregten Geist. -- Denn ich muß oft plötzlich weinen ohne vorher gerührt zu sein, das ist also gewiß wenn die Natur mich so er¬
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iſt was ſie in ſich aufgenommen, nämlich Selbſtſprache der Natur, da erkennt ſie die Natur wieder als nah¬ rungbedürftig,) ſo hab ich vor ihr geſtanden und hab mich wieder in ſie hineingeſprochen, ich hab ſie geküßt mit meinen Seelenlippen. Sieh das war Geiſt, der war nicht gedacht der war urſprünglicher Lebensgeiſt ohne Erdform, Gedanken iſt die Erdform des Geiſtes — aber mein Geiſt hat dieſe Form nicht angenommen als er mit ihr ſprach, es war nicht Gedanke, es war nicht Ge¬ fühl oder Empfindung, denn das deucht mir auch noch verſchieden, es war Wille — ja Wille wars, der ſah ſo raſch und feſt die Natur an als wolle er ihr nun wie¬ der ſchenken alles was ſie ihm gab, nämlich Leben. — Das iſts, alles iſt ein Wechſelwirken, alles was lebt, giebt Leben und muß Leben empfangen. — Und glaub nur nicht daß alle Menſchen leben, die ſind zwar leben¬ dig aber ſie leben nicht, das fühl ich an mir, ich leb nur wenn mein Geiſt mit der Natur in dieſer Wechſel¬ wirkung ſteht. — Da weiß ich auch daß Thränen noch gar keine Folgen von Schmerz zu ſein brauchen oder von Luſt — ſie können auch eine natürliche Folge ſein, wie auch Schlaf die Folge iſt vom aufgeregten Geiſt. — Denn ich muß oft plötzlich weinen ohne vorher gerührt zu ſein, das iſt alſo gewiß wenn die Natur mich ſo er¬
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iſt was ſie in ſich aufgenommen, nämlich Selbſtſprache
der Natur, da erkennt ſie die Natur wieder als nah¬
rungbedürftig,) ſo hab ich vor ihr geſtanden und hab
mich wieder in ſie hineingeſprochen, ich hab ſie geküßt
mit meinen Seelenlippen. Sieh das war Geiſt, der war
nicht gedacht der war urſprünglicher Lebensgeiſt ohne
Erdform, Gedanken iſt die Erdform des Geiſtes — aber
mein Geiſt hat dieſe Form nicht angenommen als er
mit ihr ſprach, es war nicht Gedanke, es war nicht Ge¬
fühl oder Empfindung, denn das deucht mir auch noch
verſchieden, es war Wille — ja Wille wars, der ſah ſo
raſch und feſt die Natur an als wolle er ihr nun wie¬
der ſchenken alles was ſie ihm gab, nämlich Leben. —
Das iſts, alles iſt ein Wechſelwirken, alles was lebt,
giebt Leben und muß Leben empfangen. — Und glaub
nur nicht daß alle Menſchen leben, die ſind zwar leben¬
dig aber ſie leben nicht, das fühl ich an mir, ich leb
nur wenn mein Geiſt mit der Natur in dieſer Wechſel¬
wirkung ſteht. — Da weiß ich auch daß Thränen noch
gar keine Folgen von Schmerz zu ſein brauchen oder
von Luſt — ſie können auch eine natürliche Folge ſein,
wie auch Schlaf die Folge iſt vom aufgeregten Geiſt. —
Denn ich muß oft plötzlich weinen ohne vorher gerührt
zu ſein, das iſt alſo gewiß wenn die Natur mich ſo er¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/409>, abgerufen am 28.11.2024.
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