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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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ders küßt als eine Blume, denn warum sie sind verschie¬
den in der Form, dies Küssen ist aber sprechen, ich könnt
sagen: Natur dein Kuß spricht in meine Seele hinein,
-- ja das ist auch ein Gedanke den ich ins Buch ge¬
schrieben hab, aber den wollt ich stehen lassen, an ihn
kann ich noch weiteres anknüpfen. Ach wenn ich mich
so umseh, wie sich alle Zweige gegen mich strecken und
reden mit mir das heißt küssen meine Seele, und alles
spricht, alles was ich anseh hängt sich mit seinen Lip¬
pen an meine Seelenlippen, und dann die Farbe, die
Gestalt, der Duft alles will sich geltend machen in der
Sprache, nun ja die Farbe ist der Ton die Gestalt ist
das Wort und der Duft ist der Geist, so kann ich wohl
sagen die ganze Natur spricht in mich hinein das heißt
sie küßt meine Seele, davon muß die Seele wachsen,
es ist ihr Element, denn alles hat sein Element in der
Natur was Leben hat. Der Seele ihr Element ist also
das Schauen, das ist das Lauschen, sie saugt alle Form
das ist Sprache der Natur. Aber die Natur hat nun
auch selbst eine Seele, und diese Seele will auch geküßt
sein und genährt, grad wie meine Seele von ihrer
Sprache genährt wird, wenn ich so durchdrungen war
von ihr, (denn es giebt Augenblicke wo die Seele wie
ein Feuer ist von Leben, wo sie ganz und gar nur das

ders küßt als eine Blume, denn warum ſie ſind verſchie¬
den in der Form, dies Küſſen iſt aber ſprechen, ich könnt
ſagen: Natur dein Kuß ſpricht in meine Seele hinein,
— ja das iſt auch ein Gedanke den ich ins Buch ge¬
ſchrieben hab, aber den wollt ich ſtehen laſſen, an ihn
kann ich noch weiteres anknüpfen. Ach wenn ich mich
ſo umſeh, wie ſich alle Zweige gegen mich ſtrecken und
reden mit mir das heißt küſſen meine Seele, und alles
ſpricht, alles was ich anſeh hängt ſich mit ſeinen Lip¬
pen an meine Seelenlippen, und dann die Farbe, die
Geſtalt, der Duft alles will ſich geltend machen in der
Sprache, nun ja die Farbe iſt der Ton die Geſtalt iſt
das Wort und der Duft iſt der Geiſt, ſo kann ich wohl
ſagen die ganze Natur ſpricht in mich hinein das heißt
ſie küßt meine Seele, davon muß die Seele wachſen,
es iſt ihr Element, denn alles hat ſein Element in der
Natur was Leben hat. Der Seele ihr Element iſt alſo
das Schauen, das iſt das Lauſchen, ſie ſaugt alle Form
das iſt Sprache der Natur. Aber die Natur hat nun
auch ſelbſt eine Seele, und dieſe Seele will auch geküßt
ſein und genährt, grad wie meine Seele von ihrer
Sprache genährt wird, wenn ich ſo durchdrungen war
von ihr, (denn es giebt Augenblicke wo die Seele wie
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[392/0408] ders küßt als eine Blume, denn warum ſie ſind verſchie¬ den in der Form, dies Küſſen iſt aber ſprechen, ich könnt ſagen: Natur dein Kuß ſpricht in meine Seele hinein, — ja das iſt auch ein Gedanke den ich ins Buch ge¬ ſchrieben hab, aber den wollt ich ſtehen laſſen, an ihn kann ich noch weiteres anknüpfen. Ach wenn ich mich ſo umſeh, wie ſich alle Zweige gegen mich ſtrecken und reden mit mir das heißt küſſen meine Seele, und alles ſpricht, alles was ich anſeh hängt ſich mit ſeinen Lip¬ pen an meine Seelenlippen, und dann die Farbe, die Geſtalt, der Duft alles will ſich geltend machen in der Sprache, nun ja die Farbe iſt der Ton die Geſtalt iſt das Wort und der Duft iſt der Geiſt, ſo kann ich wohl ſagen die ganze Natur ſpricht in mich hinein das heißt ſie küßt meine Seele, davon muß die Seele wachſen, es iſt ihr Element, denn alles hat ſein Element in der Natur was Leben hat. Der Seele ihr Element iſt alſo das Schauen, das iſt das Lauſchen, ſie ſaugt alle Form das iſt Sprache der Natur. Aber die Natur hat nun auch ſelbſt eine Seele, und dieſe Seele will auch geküßt ſein und genährt, grad wie meine Seele von ihrer Sprache genährt wird, wenn ich ſo durchdrungen war von ihr, (denn es giebt Augenblicke wo die Seele wie ein Feuer iſt von Leben, wo ſie ganz und gar nur das

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/408>, abgerufen am 28.11.2024.