beinah schon abgeblüht, jetzt ist ein Nachschuß da, das betracht ich alles, das dringt mir alles mit etwas ins Herz, soll ichs Sprach nennen? -- mit was berührt man denn die Seel, ist die Sprach nicht die Lieb die die Seel berührt, wie der Kuß den Menschen berührt? -- Vielleicht doch, nun so ist das was ich in der Natur er¬ fahr gewiß Sprache denn sie küßt meinen Geist, -- jetzt weiß ich auch was küssen ist, denn sonst wärs nichts wenns das nicht wär, jetzt geb acht:
Küssen ist die Form und den Geist der Form in uns aufnehmen die wir berühren, das ist der Kuß, ja die Form wird in uns geboren.
und darum ist die Sprache auch küssen, es küßt uns jedes Wort im Gedicht, alles aber was nicht gedichtet ist das ist nicht gesprochen das ist nur gegautzt wie die Hunde. Ja was willst Du denn anders mit der Sprache als die Seele berühren, und was will der Kuß anders, er will die Form in sich saugen und die Seele berühren, alles das ist eins, ich habs von der Natur gelernt, sie küßt mich beständig ich mag gehn und stehn wo ich will, sie küßt mich und ich bin auch schon so ganz dran ge¬ wöhnt daß ich ihr gleich mit den Augen entgegen komme denn die Augen sind der Mund den die Natur küßt, siehst Du, so fühl ich auch daß mich eine Knospe an¬
beinah ſchon abgeblüht, jetzt iſt ein Nachſchuß da, das betracht ich alles, das dringt mir alles mit etwas ins Herz, ſoll ichs Sprach nennen? — mit was berührt man denn die Seel, iſt die Sprach nicht die Lieb die die Seel berührt, wie der Kuß den Menſchen berührt? — Vielleicht doch, nun ſo iſt das was ich in der Natur er¬ fahr gewiß Sprache denn ſie küßt meinen Geiſt, — jetzt weiß ich auch was küſſen iſt, denn ſonſt wärs nichts wenns das nicht wär, jetzt geb acht:
Küſſen iſt die Form und den Geiſt der Form in uns aufnehmen die wir berühren, das iſt der Kuß, ja die Form wird in uns geboren.
und darum iſt die Sprache auch küſſen, es küßt uns jedes Wort im Gedicht, alles aber was nicht gedichtet iſt das iſt nicht geſprochen das iſt nur gegautzt wie die Hunde. Ja was willſt Du denn anders mit der Sprache als die Seele berühren, und was will der Kuß anders, er will die Form in ſich ſaugen und die Seele berühren, alles das iſt eins, ich habs von der Natur gelernt, ſie küßt mich beſtändig ich mag gehn und ſtehn wo ich will, ſie küßt mich und ich bin auch ſchon ſo ganz dran ge¬ wöhnt daß ich ihr gleich mit den Augen entgegen komme denn die Augen ſind der Mund den die Natur küßt, ſiehſt Du, ſo fühl ich auch daß mich eine Knospe an¬
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beinah ſchon abgeblüht, jetzt iſt ein Nachſchuß da, das
betracht ich alles, das dringt mir alles mit etwas ins
Herz, ſoll ichs Sprach nennen? — mit was berührt
man denn die Seel, iſt die Sprach nicht die Lieb die
die Seel berührt, wie der Kuß den Menſchen berührt? —
Vielleicht doch, nun ſo iſt das was ich in der Natur er¬
fahr gewiß Sprache denn ſie küßt meinen Geiſt, — jetzt
weiß ich auch was küſſen iſt, denn ſonſt wärs nichts
wenns das nicht wär, jetzt geb acht:
Küſſen iſt die Form und den Geiſt der Form
in uns aufnehmen die wir berühren, das iſt
der Kuß, ja die Form wird in uns geboren.
und darum iſt die Sprache auch küſſen, es küßt uns
jedes Wort im Gedicht, alles aber was nicht gedichtet
iſt das iſt nicht geſprochen das iſt nur gegautzt wie die
Hunde. Ja was willſt Du denn anders mit der Sprache
als die Seele berühren, und was will der Kuß anders,
er will die Form in ſich ſaugen und die Seele berühren,
alles das iſt eins, ich habs von der Natur gelernt, ſie
küßt mich beſtändig ich mag gehn und ſtehn wo ich will,
ſie küßt mich und ich bin auch ſchon ſo ganz dran ge¬
wöhnt daß ich ihr gleich mit den Augen entgegen komme
denn die Augen ſind der Mund den die Natur küßt,
ſiehſt Du, ſo fühl ich auch daß mich eine Knospe an¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/407>, abgerufen am 28.11.2024.
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