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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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Die Hoch sagte: Sie haben das Lied schön verketzert,
kein Mensch wirds für ein Andachtslied erkennen -- Ich
hab es doch mit wahrer Andacht gesungen, ist es eine
Sünde, so wollen wir lieber ein Bußlied singen damit
mir nicht gar noch ein Bart davon wächst. Die Hoch
sagte: Ach gehn Sie doch, das wär Ihnen grad recht
wenn Ihnen ein Bart wüchse.

Am andern Morgen ging die Tonie zum Tyroler
und ich ging mit um mir sein Antlitz einzuprägen, ich
dachte wenn man sich so was tief in die Seel schreibt,
so blühts am End mit einem auf, und weil die Tonie
Handschuh aussuchte setzte sich ein Schmetterling der vom
Main herübergeflogen kam auf den Strauß an seinem
Hut. Ach guck den Schmetterling, den haben die Blu¬
men an Deinem Hut herbeigelockt! -- Der Tyroler
fragte: "Was ist das für ein Ding ein Schmetterling?"
und sieht ihn fliegen und ruft: "Ei was, das ist ja ein
Pfeilmuther und kein Schmetterling. Du bist ein
Schmetterling, und kriegt mich um den Hals und küßt
mich auf den Mund. Die Tonie macht ein bös Gesicht
und kauft gleich keine Handschuh mehr bei ihm und
geht fort, "na" ruft er ihr nach, "nem Sies nit übel das
Madel nimts ja auch nit übel auf," und die Tonie mußt

Die Hoch ſagte: Sie haben das Lied ſchön verketzert,
kein Menſch wirds für ein Andachtslied erkennen — Ich
hab es doch mit wahrer Andacht geſungen, iſt es eine
Sünde, ſo wollen wir lieber ein Bußlied ſingen damit
mir nicht gar noch ein Bart davon wächſt. Die Hoch
ſagte: Ach gehn Sie doch, das wär Ihnen grad recht
wenn Ihnen ein Bart wüchſe.

Am andern Morgen ging die Tonie zum Tyroler
und ich ging mit um mir ſein Antlitz einzuprägen, ich
dachte wenn man ſich ſo was tief in die Seel ſchreibt,
ſo blühts am End mit einem auf, und weil die Tonie
Handſchuh ausſuchte ſetzte ſich ein Schmetterling der vom
Main herübergeflogen kam auf den Strauß an ſeinem
Hut. Ach guck den Schmetterling, den haben die Blu¬
men an Deinem Hut herbeigelockt! — Der Tyroler
fragte: „Was iſt das für ein Ding ein Schmetterling?“
und ſieht ihn fliegen und ruft: „Ei was, das iſt ja ein
Pfeilmuther und kein Schmetterling. Du biſt ein
Schmetterling, und kriegt mich um den Hals und küßt
mich auf den Mund. Die Tonie macht ein bös Geſicht
und kauft gleich keine Handſchuh mehr bei ihm und
geht fort, „na“ ruft er ihr nach, „nem Sies nit übel das
Madel nimts ja auch nit übel auf,“ und die Tonie mußt

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[386/0402] Die Hoch ſagte: Sie haben das Lied ſchön verketzert, kein Menſch wirds für ein Andachtslied erkennen — Ich hab es doch mit wahrer Andacht geſungen, iſt es eine Sünde, ſo wollen wir lieber ein Bußlied ſingen damit mir nicht gar noch ein Bart davon wächſt. Die Hoch ſagte: Ach gehn Sie doch, das wär Ihnen grad recht wenn Ihnen ein Bart wüchſe. Am andern Morgen ging die Tonie zum Tyroler und ich ging mit um mir ſein Antlitz einzuprägen, ich dachte wenn man ſich ſo was tief in die Seel ſchreibt, ſo blühts am End mit einem auf, und weil die Tonie Handſchuh ausſuchte ſetzte ſich ein Schmetterling der vom Main herübergeflogen kam auf den Strauß an ſeinem Hut. Ach guck den Schmetterling, den haben die Blu¬ men an Deinem Hut herbeigelockt! — Der Tyroler fragte: „Was iſt das für ein Ding ein Schmetterling?“ und ſieht ihn fliegen und ruft: „Ei was, das iſt ja ein Pfeilmuther und kein Schmetterling. Du biſt ein Schmetterling, und kriegt mich um den Hals und küßt mich auf den Mund. Die Tonie macht ein bös Geſicht und kauft gleich keine Handſchuh mehr bei ihm und geht fort, „na“ ruft er ihr nach, „nem Sies nit übel das Madel nimts ja auch nit übel auf,“ und die Tonie mußt

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/402>, abgerufen am 28.11.2024.