Unmöglichkeit. Ich möcht dem Clemens alles zu Lieb thun was er will, aber ich hab einmal keine Gedanken; andre Leute waren schon vor mir da, ich bin zuletzt ge¬ kommen, also was ich auch vorbringen könnt, so habens andre schon früher erlebt; ich ging einmal mit dem Cle¬ mens dies Frühjahr spazieren, da waren allerlei neu auf¬ geblühte Kräuter, die ich nicht kannte, die wollt ich bre¬ chen; er sagte: wenn Du bei jedem Mauseöhrchen oder Vergißmeinnicht hocken bleibst, so werden wir nicht weit kommen, daran denke ich jetzt immer wenn ich was neues in mir selber erfahr, daß andre dies alles wohl schon wissen und nichts Neues mehr für sie mehr sein mag, wie jene Violen und Gänseblümchen am Weg die ich mir sammlen wollte. So schreib ichs denn nicht auf, und auch weil die Gedanken sich an mich hängen wie Schmetterlinge an die Blumen, wer soll sie haschen? -- sie merkens gleich und fliegen davon, und fasse ich einen so hab ich bald seine schöne Farbe abgewischt mit dem Schreibefinger, oder seine Flügel erlahmen. Und so ein Gedanke in der Luft flattert so lustig, aber auf dem Papier kann er sich nicht wiegen wie auf der Blume; und kann sich nicht auf die Rosen setzen von einer zur andern, er sitzt da wie angespießt. Ich sehs ja an de¬
Unmöglichkeit. Ich möcht dem Clemens alles zu Lieb thun was er will, aber ich hab einmal keine Gedanken; andre Leute waren ſchon vor mir da, ich bin zuletzt ge¬ kommen, alſo was ich auch vorbringen könnt, ſo habens andre ſchon früher erlebt; ich ging einmal mit dem Cle¬ mens dies Frühjahr ſpazieren, da waren allerlei neu auf¬ geblühte Kräuter, die ich nicht kannte, die wollt ich bre¬ chen; er ſagte: wenn Du bei jedem Mauſeöhrchen oder Vergißmeinnicht hocken bleibſt, ſo werden wir nicht weit kommen, daran denke ich jetzt immer wenn ich was neues in mir ſelber erfahr, daß andre dies alles wohl ſchon wiſſen und nichts Neues mehr für ſie mehr ſein mag, wie jene Violen und Gänſeblümchen am Weg die ich mir ſammlen wollte. So ſchreib ichs denn nicht auf, und auch weil die Gedanken ſich an mich hängen wie Schmetterlinge an die Blumen, wer ſoll ſie haſchen? — ſie merkens gleich und fliegen davon, und faſſe ich einen ſo hab ich bald ſeine ſchöne Farbe abgewiſcht mit dem Schreibefinger, oder ſeine Flügel erlahmen. Und ſo ein Gedanke in der Luft flattert ſo luſtig, aber auf dem Papier kann er ſich nicht wiegen wie auf der Blume; und kann ſich nicht auf die Roſen ſetzen von einer zur andern, er ſitzt da wie angeſpießt. Ich ſehs ja an de¬
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Unmöglichkeit. Ich möcht dem Clemens alles zu Lieb
thun was er will, aber ich hab einmal keine Gedanken;
andre Leute waren ſchon vor mir da, ich bin zuletzt ge¬
kommen, alſo was ich auch vorbringen könnt, ſo habens
andre ſchon früher erlebt; ich ging einmal mit dem Cle¬
mens dies Frühjahr ſpazieren, da waren allerlei neu auf¬
geblühte Kräuter, die ich nicht kannte, die wollt ich bre¬
chen; er ſagte: wenn Du bei jedem Mauſeöhrchen oder
Vergißmeinnicht hocken bleibſt, ſo werden wir nicht weit
kommen, daran denke ich jetzt immer wenn ich was
neues in mir ſelber erfahr, daß andre dies alles wohl
ſchon wiſſen und nichts Neues mehr für ſie mehr ſein mag,
wie jene Violen und Gänſeblümchen am Weg die ich
mir ſammlen wollte. So ſchreib ichs denn nicht auf,
und auch weil die Gedanken ſich an mich hängen wie
Schmetterlinge an die Blumen, wer ſoll ſie haſchen? —
ſie merkens gleich und fliegen davon, und faſſe ich einen
ſo hab ich bald ſeine ſchöne Farbe abgewiſcht mit dem
Schreibefinger, oder ſeine Flügel erlahmen. Und ſo ein
Gedanke in der Luft flattert ſo luſtig, aber auf dem
Papier kann er ſich nicht wiegen wie auf der Blume;
und kann ſich nicht auf die Roſen ſetzen von einer zur
andern, er ſitzt da wie angeſpießt. Ich ſehs ja an de¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/397>, abgerufen am 27.11.2024.
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