Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

nen paar die ich so erwischt und aufgeschrieben hab. --
Da war ich grad am End vom Garten, ich lief eilig
hinein weil ich ihn geschwind ins Buch schreiben wollt
eh ich ihn vergesse, und jetzt, so oft ich das Buch auf¬
mache lacht mich der Gedanke aus und sagt: Du bist
recht dumm. Jetzt will ich Dir nur gleich das Blatt
herausreißen, und da les die Gedanken die ich wie Haa¬
sen auf einer dürftigen Jagd hab zusammenschießen müs¬
sen, und bin mit jedem einzelnen aus meinem Gedanken¬
wäldchen nach Haus gelaufen um ihn aufzuschreiben,
und immer die drei Treppen hinauf. -- Weißt Du was?
-- die drei Treppen waren mir nicht zu hoch, aber ich
hab mich geschämt vor den drei Treppen, wahrhaftig
ich hab die Augen zugedrückt, weil ich dacht sie merkens
daß ich so eine kümmerliche Natur hab, und bring da
die armen nackten Gedanken-Pfeilmuther an; so hei¬
ßen im Tyrol die Schmetterlinge, ich habs vorm Jahr
auf der Messe gelernt bei dem Tyroler, der im Braun¬
fels Handschuh verkauft, der mit dem schönen schwarzen
Bart, Du weißt, Du sagtest der habe ein Antlitz und
kein Gesicht, ich fragte: was ist das ein Antlitz? -- Du
belehrtest mich, das sei noch aus der Form Gottes, nach
seinem Ebenbild geschaffen, aber Gesichter, die seien nur

nen paar die ich ſo erwiſcht und aufgeſchrieben hab. —
Da war ich grad am End vom Garten, ich lief eilig
hinein weil ich ihn geſchwind ins Buch ſchreiben wollt
eh ich ihn vergeſſe, und jetzt, ſo oft ich das Buch auf¬
mache lacht mich der Gedanke aus und ſagt: Du biſt
recht dumm. Jetzt will ich Dir nur gleich das Blatt
herausreißen, und da les die Gedanken die ich wie Haa¬
ſen auf einer dürftigen Jagd hab zuſammenſchießen müſ¬
ſen, und bin mit jedem einzelnen aus meinem Gedanken¬
wäldchen nach Haus gelaufen um ihn aufzuſchreiben,
und immer die drei Treppen hinauf. — Weißt Du was?
— die drei Treppen waren mir nicht zu hoch, aber ich
hab mich geſchämt vor den drei Treppen, wahrhaftig
ich hab die Augen zugedrückt, weil ich dacht ſie merkens
daß ich ſo eine kümmerliche Natur hab, und bring da
die armen nackten Gedanken-Pfeilmuther an; ſo hei¬
ßen im Tyrol die Schmetterlinge, ich habs vorm Jahr
auf der Meſſe gelernt bei dem Tyroler, der im Braun¬
fels Handſchuh verkauft, der mit dem ſchönen ſchwarzen
Bart, Du weißt, Du ſagteſt der habe ein Antlitz und
kein Geſicht, ich fragte: was iſt das ein Antlitz? — Du
belehrteſt mich, das ſei noch aus der Form Gottes, nach
ſeinem Ebenbild geſchaffen, aber Geſichter, die ſeien nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p xml:id="p396a" next="p400a"><pb facs="#f0398" n="382"/>
nen paar die ich &#x017F;o erwi&#x017F;cht und aufge&#x017F;chrieben hab. &#x2014;<lb/>
Da war ich grad am End vom Garten, ich lief eilig<lb/>
hinein weil ich ihn ge&#x017F;chwind ins Buch &#x017F;chreiben wollt<lb/>
eh ich ihn verge&#x017F;&#x017F;e, und jetzt, &#x017F;o oft ich das Buch auf¬<lb/>
mache lacht mich der Gedanke aus und &#x017F;agt: Du bi&#x017F;t<lb/>
recht dumm. Jetzt will ich Dir nur gleich das Blatt<lb/>
herausreißen, und da les die Gedanken die ich wie Haa¬<lb/>
&#x017F;en auf einer dürftigen Jagd hab zu&#x017F;ammen&#x017F;chießen mü&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, und bin mit jedem einzelnen aus meinem Gedanken¬<lb/>
wäldchen nach Haus gelaufen um ihn aufzu&#x017F;chreiben,<lb/>
und immer die drei Treppen hinauf. &#x2014; Weißt Du was?<lb/>
&#x2014; die drei Treppen waren mir nicht zu hoch, aber ich<lb/>
hab mich ge&#x017F;chämt vor den drei Treppen, wahrhaftig<lb/>
ich hab die Augen zugedrückt, weil ich dacht &#x017F;ie merkens<lb/>
daß ich &#x017F;o eine kümmerliche Natur hab, und bring da<lb/>
die armen nackten Gedanken-Pfeilmuther an; &#x017F;o hei¬<lb/>
ßen im Tyrol die Schmetterlinge, ich habs vorm Jahr<lb/>
auf der Me&#x017F;&#x017F;e gelernt bei dem Tyroler, der im Braun¬<lb/>
fels Hand&#x017F;chuh verkauft, der mit dem &#x017F;chönen &#x017F;chwarzen<lb/>
Bart, Du weißt, Du &#x017F;agte&#x017F;t der habe ein Antlitz und<lb/>
kein Ge&#x017F;icht, ich fragte: was i&#x017F;t das ein Antlitz? &#x2014; Du<lb/>
belehrte&#x017F;t mich, das &#x017F;ei noch aus der Form Gottes, nach<lb/>
&#x017F;einem Ebenbild ge&#x017F;chaffen, aber Ge&#x017F;ichter, die &#x017F;eien nur<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0398] nen paar die ich ſo erwiſcht und aufgeſchrieben hab. — Da war ich grad am End vom Garten, ich lief eilig hinein weil ich ihn geſchwind ins Buch ſchreiben wollt eh ich ihn vergeſſe, und jetzt, ſo oft ich das Buch auf¬ mache lacht mich der Gedanke aus und ſagt: Du biſt recht dumm. Jetzt will ich Dir nur gleich das Blatt herausreißen, und da les die Gedanken die ich wie Haa¬ ſen auf einer dürftigen Jagd hab zuſammenſchießen müſ¬ ſen, und bin mit jedem einzelnen aus meinem Gedanken¬ wäldchen nach Haus gelaufen um ihn aufzuſchreiben, und immer die drei Treppen hinauf. — Weißt Du was? — die drei Treppen waren mir nicht zu hoch, aber ich hab mich geſchämt vor den drei Treppen, wahrhaftig ich hab die Augen zugedrückt, weil ich dacht ſie merkens daß ich ſo eine kümmerliche Natur hab, und bring da die armen nackten Gedanken-Pfeilmuther an; ſo hei¬ ßen im Tyrol die Schmetterlinge, ich habs vorm Jahr auf der Meſſe gelernt bei dem Tyroler, der im Braun¬ fels Handſchuh verkauft, der mit dem ſchönen ſchwarzen Bart, Du weißt, Du ſagteſt der habe ein Antlitz und kein Geſicht, ich fragte: was iſt das ein Antlitz? — Du belehrteſt mich, das ſei noch aus der Form Gottes, nach ſeinem Ebenbild geſchaffen, aber Geſichter, die ſeien nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/398
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/398>, abgerufen am 27.11.2024.