Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

sie so fest in der Unnatur sich einwurzeln, wie viel fe¬
ster und kräftiger dann im Boden der ihre höhere Na¬
tur erzieht. Sollt ich irren? -- Menschengeist horcht auf
Göttergebot in der eignen Stimme; horcht auf jene
heilige Urphilosophie die ohne Lehre als Offen¬
barung jedem sich giebt der mit reinem Willen
zur Wahrheit betet
. -- Das hast Du selber gesagt, es
sind Deine eignen Worte. Wie oft hab ich doch einsam um
Wahrheit gefleht! -- und wie unermeßlich ist doch Vol¬
lendung über die Sterne hinauf, -- Und die Zeit darf
nicht mehr sein da wo wir sie gegenwärtig fühlen. --
O bessere Tage wo seid ihr? O kommt uns entgegen,
laßt nicht immer nur harren auf euch daß nicht auch
wir nur wie Schattenbilder an euch vorübergehen. Las¬
set euch dienen ihr Tage die ihr den Geist der
Liebe sollt hinüberschiffen; still und heimlich euch
landen helfen, und den Genius aufnehmen, lehren die
Menschen, daß sie ihn nimmer verschmähen der in
allem allein nur darf gelten! -- so red ich das
Morgenlicht an das mich weckt, und denke dabei Dei¬
ner und meiner. -- Was sind Freundschaftsbande? --
Was ist Zusammenleben, und Austausch der Gedanken
wenn der Dritte nicht niedersteigt, der Göttliche -- der
herab sich läßt um das Leben genesen zu machen? --

ſie ſo feſt in der Unnatur ſich einwurzeln, wie viel fe¬
ſter und kräftiger dann im Boden der ihre höhere Na¬
tur erzieht. Sollt ich irren? — Menſchengeiſt horcht auf
Göttergebot in der eignen Stimme; horcht auf jene
heilige Urphiloſophie die ohne Lehre als Offen¬
barung jedem ſich giebt der mit reinem Willen
zur Wahrheit betet
. — Das haſt Du ſelber geſagt, es
ſind Deine eignen Worte. Wie oft hab ich doch einſam um
Wahrheit gefleht! — und wie unermeßlich iſt doch Vol¬
lendung über die Sterne hinauf, — Und die Zeit darf
nicht mehr ſein da wo wir ſie gegenwärtig fühlen. —
O beſſere Tage wo ſeid ihr? O kommt uns entgegen,
laßt nicht immer nur harren auf euch daß nicht auch
wir nur wie Schattenbilder an euch vorübergehen. Laſ¬
ſet euch dienen ihr Tage die ihr den Geiſt der
Liebe ſollt hinüberſchiffen; ſtill und heimlich euch
landen helfen, und den Genius aufnehmen, lehren die
Menſchen, daß ſie ihn nimmer verſchmähen der in
allem allein nur darf gelten! — ſo red ich das
Morgenlicht an das mich weckt, und denke dabei Dei¬
ner und meiner. — Was ſind Freundſchaftsbande? —
Was iſt Zuſammenleben, und Austauſch der Gedanken
wenn der Dritte nicht niederſteigt, der Göttliche — der
herab ſich läßt um das Leben geneſen zu machen? —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0372" n="356"/>
&#x017F;ie &#x017F;o fe&#x017F;t in der Unnatur &#x017F;ich einwurzeln, wie viel fe¬<lb/>
&#x017F;ter und kräftiger dann im Boden der ihre höhere Na¬<lb/>
tur erzieht. Sollt ich irren? &#x2014; Men&#x017F;chengei&#x017F;t horcht auf<lb/>
Göttergebot in der eignen Stimme; <hi rendition="#g">horcht auf jene<lb/>
heilige Urphilo&#x017F;ophie die ohne Lehre als Offen¬<lb/>
barung jedem &#x017F;ich giebt der mit reinem Willen<lb/>
zur Wahrheit betet</hi>. &#x2014; Das ha&#x017F;t Du &#x017F;elber ge&#x017F;agt, es<lb/>
&#x017F;ind Deine eignen Worte. Wie oft hab ich doch ein&#x017F;am um<lb/>
Wahrheit gefleht! &#x2014; und wie unermeßlich i&#x017F;t doch Vol¬<lb/>
lendung über die Sterne hinauf, &#x2014; Und die Zeit darf<lb/>
nicht mehr &#x017F;ein da wo wir &#x017F;ie gegenwärtig fühlen. &#x2014;<lb/>
O be&#x017F;&#x017F;ere Tage wo &#x017F;eid ihr? O kommt uns entgegen,<lb/>
laßt nicht immer nur harren auf euch daß nicht auch<lb/>
wir nur wie Schattenbilder an euch vorübergehen. La&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;et euch dienen ihr Tage die ihr den Gei&#x017F;t der<lb/>
Liebe &#x017F;ollt hinüber&#x017F;chiffen; &#x017F;till und heimlich euch<lb/>
landen helfen, und den Genius aufnehmen, lehren die<lb/>
Men&#x017F;chen, daß &#x017F;ie ihn nimmer ver&#x017F;chmähen der in<lb/>
allem allein nur darf gelten! &#x2014; &#x017F;o red ich das<lb/>
Morgenlicht an das mich weckt, und denke dabei Dei¬<lb/>
ner und meiner. &#x2014; Was &#x017F;ind Freund&#x017F;chaftsbande? &#x2014;<lb/>
Was i&#x017F;t Zu&#x017F;ammenleben, und Austau&#x017F;ch der Gedanken<lb/>
wenn der Dritte nicht nieder&#x017F;teigt, der Göttliche &#x2014; der<lb/>
herab &#x017F;ich läßt um das Leben gene&#x017F;en zu machen? &#x2014;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[356/0372] ſie ſo feſt in der Unnatur ſich einwurzeln, wie viel fe¬ ſter und kräftiger dann im Boden der ihre höhere Na¬ tur erzieht. Sollt ich irren? — Menſchengeiſt horcht auf Göttergebot in der eignen Stimme; horcht auf jene heilige Urphiloſophie die ohne Lehre als Offen¬ barung jedem ſich giebt der mit reinem Willen zur Wahrheit betet. — Das haſt Du ſelber geſagt, es ſind Deine eignen Worte. Wie oft hab ich doch einſam um Wahrheit gefleht! — und wie unermeßlich iſt doch Vol¬ lendung über die Sterne hinauf, — Und die Zeit darf nicht mehr ſein da wo wir ſie gegenwärtig fühlen. — O beſſere Tage wo ſeid ihr? O kommt uns entgegen, laßt nicht immer nur harren auf euch daß nicht auch wir nur wie Schattenbilder an euch vorübergehen. Laſ¬ ſet euch dienen ihr Tage die ihr den Geiſt der Liebe ſollt hinüberſchiffen; ſtill und heimlich euch landen helfen, und den Genius aufnehmen, lehren die Menſchen, daß ſie ihn nimmer verſchmähen der in allem allein nur darf gelten! — ſo red ich das Morgenlicht an das mich weckt, und denke dabei Dei¬ ner und meiner. — Was ſind Freundſchaftsbande? — Was iſt Zuſammenleben, und Austauſch der Gedanken wenn der Dritte nicht niederſteigt, der Göttliche — der herab ſich läßt um das Leben geneſen zu machen? —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/372
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/372>, abgerufen am 02.06.2024.