Nacht, und die Nacht wieder den Tag die ist so helle¬ glänzend daß die Sterne erblassen und der Tag so schattig so kühl daß die Sonne nichts vermag. --
Beim Nachtessen kam der Moritz, wir saßen an kleinen Tischen, ich am allerletzten mit der Pauline Cha¬ meau und Willig. Der Moritz setzte sich neben mich, er fragte: "Wer hat heut Ihre Toilette besorgt, so ein¬ fach, so originell! -- die blaue Schärpe! -- was bedeu¬ ten die blaue Bänder? -- und der graue Kranz! -- wer hat den aschgrauen Kranz besorgt?" -- ich sagte, der Widerhall. -- "Gris de cendre, joyeux et tendre, so muß denn der Widerhall freudiger Zärtlichkeit an Ihr Ohr geschlagen haben?" -- er ging. -- So ein Liebesgespräch, mitten an offner Tafel, von keinem ver¬ standen, nur von mir, so leicht -- so luftig -- wie nimmst Dus? -- ists nicht Blüthenstaub vom lauen Westwind Dir ins Gesicht geweht! -- ja alles müssen wir der Natur vergleichen was voll heiteren Entzückens uns durchdringt, nichts anders kanns aussprechen noch wiedergeben im Bild. Will ich mir von jenen Worten die Regung im Herzen lebhaft wieder in die Sinne rufen so muß ich doch an Blüthenbäume denken die ihre Geschenke dem Morgenwind auf die Flügel laden für mich, und dann schauerts mich so frühlingsmäßig wenn ich das denke. --
Nacht, und die Nacht wieder den Tag die iſt ſo helle¬ glänzend daß die Sterne erblaſſen und der Tag ſo ſchattig ſo kühl daß die Sonne nichts vermag. —
Beim Nachteſſen kam der Moritz, wir ſaßen an kleinen Tiſchen, ich am allerletzten mit der Pauline Cha¬ meau und Willig. Der Moritz ſetzte ſich neben mich, er fragte: „Wer hat heut Ihre Toilette beſorgt, ſo ein¬ fach, ſo originell! — die blaue Schärpe! — was bedeu¬ ten die blaue Bänder? — und der graue Kranz! — wer hat den aſchgrauen Kranz beſorgt?“ — ich ſagte, der Widerhall. — „Gris de cendre, joyeux et tendre, ſo muß denn der Widerhall freudiger Zärtlichkeit an Ihr Ohr geſchlagen haben?“ — er ging. — So ein Liebesgeſpräch, mitten an offner Tafel, von keinem ver¬ ſtanden, nur von mir, ſo leicht — ſo luftig — wie nimmſt Dus? — iſts nicht Blüthenſtaub vom lauen Weſtwind Dir ins Geſicht geweht! — ja alles müſſen wir der Natur vergleichen was voll heiteren Entzückens uns durchdringt, nichts anders kanns ausſprechen noch wiedergeben im Bild. Will ich mir von jenen Worten die Regung im Herzen lebhaft wieder in die Sinne rufen ſo muß ich doch an Blüthenbäume denken die ihre Geſchenke dem Morgenwind auf die Flügel laden für mich, und dann ſchauerts mich ſo frühlingsmäßig wenn ich das denke. —
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Nacht, und die Nacht wieder den Tag die iſt ſo helle¬
glänzend daß die Sterne erblaſſen und der Tag ſo
ſchattig ſo kühl daß die Sonne nichts vermag. —
Beim Nachteſſen kam der Moritz, wir ſaßen an
kleinen Tiſchen, ich am allerletzten mit der Pauline Cha¬
meau und Willig. Der Moritz ſetzte ſich neben mich,
er fragte: „Wer hat heut Ihre Toilette beſorgt, ſo ein¬
fach, ſo originell! — die blaue Schärpe! — was bedeu¬
ten die blaue Bänder? — und der graue Kranz! —
wer hat den aſchgrauen Kranz beſorgt?“ — ich ſagte,
der Widerhall. — „Gris de cendre, joyeux et tendre,
ſo muß denn der Widerhall freudiger Zärtlichkeit an
Ihr Ohr geſchlagen haben?“ — er ging. — So ein
Liebesgeſpräch, mitten an offner Tafel, von keinem ver¬
ſtanden, nur von mir, ſo leicht — ſo luftig — wie
nimmſt Dus? — iſts nicht Blüthenſtaub vom lauen
Weſtwind Dir ins Geſicht geweht! — ja alles müſſen
wir der Natur vergleichen was voll heiteren Entzückens
uns durchdringt, nichts anders kanns ausſprechen noch
wiedergeben im Bild. Will ich mir von jenen Worten die
Regung im Herzen lebhaft wieder in die Sinne rufen ſo
muß ich doch an Blüthenbäume denken die ihre Geſchenke
dem Morgenwind auf die Flügel laden für mich, und dann
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/348>, abgerufen am 25.11.2024.
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