Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

die der Menschheit gedeihen soll. Die Menschheit, die
arme Menschheit, sie ist wie ein Irrlicht in einem Netz
gefangen, sie ist ganz matt und schlammig. -- Ach
Gott ich schlaf gar nicht mehr, gute Nacht, alleweil
fällt mir ein, unsre Religion muß die Schwebe-Re¬
ligion
heißen, das sag ich Dir Morgen.

Aber ein Gesetz in unserer Religion muß ich Dir
hier gleich zur Beurtheilung vorschlagen, und zwar ein
erstes Grundgesetz. Nämlich: Der Mensch soll immer
die größte Handlung thun und nie eine andre, und da
will ich Dir gleich zuvorkommen und sagen, daß jede
Handlung eine größte sein kann und soll. -- Ach hör!
-- ich sehs schon im Geist, wenn wir erst ins Rath¬
schlagen kommen, was wird das für Staubwolken
geben. --

Wer nit bet, kan nit denken,
das laß ich auf eine erdne Schüssel malen und da essen
unsre Jünger Suppe draus. -- Oder wir könnten auch
auf die andre Schüssel malen: Wer nit denkt, lernt nit
beten. Der Jud kommt, ich muß ihm eilig unsere Welt¬
umwälzung in den Sack schieben, auch wir werden einst
sagen können, was doch Gott für wunderbare Werk¬
zeuge zum Mittel seiner Zwecke macht, wie die alt

die der Menſchheit gedeihen ſoll. Die Menſchheit, die
arme Menſchheit, ſie iſt wie ein Irrlicht in einem Netz
gefangen, ſie iſt ganz matt und ſchlammig. — Ach
Gott ich ſchlaf gar nicht mehr, gute Nacht, alleweil
fällt mir ein, unſre Religion muß die Schwebe-Re¬
ligion
heißen, das ſag ich Dir Morgen.

Aber ein Geſetz in unſerer Religion muß ich Dir
hier gleich zur Beurtheilung vorſchlagen, und zwar ein
erſtes Grundgeſetz. Nämlich: Der Menſch ſoll immer
die größte Handlung thun und nie eine andre, und da
will ich Dir gleich zuvorkommen und ſagen, daß jede
Handlung eine größte ſein kann und ſoll. — Ach hör!
— ich ſehs ſchon im Geiſt, wenn wir erſt ins Rath¬
ſchlagen kommen, was wird das für Staubwolken
geben. —

Wer nit bet, kan nit denken,
das laß ich auf eine erdne Schüſſel malen und da eſſen
unſre Jünger Suppe draus. — Oder wir könnten auch
auf die andre Schüſſel malen: Wer nit denkt, lernt nit
beten. Der Jud kommt, ich muß ihm eilig unſere Welt¬
umwälzung in den Sack ſchieben, auch wir werden einſt
ſagen können, was doch Gott für wunderbare Werk¬
zeuge zum Mittel ſeiner Zwecke macht, wie die alt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0272" n="256"/>
die der Men&#x017F;chheit gedeihen &#x017F;oll. Die Men&#x017F;chheit, die<lb/>
arme Men&#x017F;chheit, &#x017F;ie i&#x017F;t wie ein Irrlicht in einem Netz<lb/>
gefangen, &#x017F;ie i&#x017F;t ganz matt und &#x017F;chlammig. &#x2014; Ach<lb/>
Gott ich &#x017F;chlaf gar nicht mehr, gute Nacht, alleweil<lb/>
fällt mir ein, un&#x017F;re Religion muß die <hi rendition="#g">Schwebe-Re¬<lb/>
ligion</hi> heißen, das &#x017F;ag ich Dir Morgen.</p><lb/>
          <p>Aber ein Ge&#x017F;etz in un&#x017F;erer Religion muß ich Dir<lb/>
hier gleich zur Beurtheilung vor&#x017F;chlagen, und zwar ein<lb/>
er&#x017F;tes Grundge&#x017F;etz. Nämlich: Der Men&#x017F;ch &#x017F;oll immer<lb/>
die größte Handlung thun und nie eine andre, und da<lb/>
will ich Dir gleich zuvorkommen und &#x017F;agen, daß jede<lb/>
Handlung eine größte &#x017F;ein kann und &#x017F;oll. &#x2014; Ach hör!<lb/>
&#x2014; ich &#x017F;ehs &#x017F;chon im Gei&#x017F;t, wenn wir er&#x017F;t ins Rath¬<lb/>
&#x017F;chlagen kommen, was wird das für Staubwolken<lb/>
geben. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Wer nit bet, kan nit denken,<lb/>
das laß ich auf eine erdne Schü&#x017F;&#x017F;el malen und da e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
un&#x017F;re Jünger Suppe draus. &#x2014; Oder wir könnten auch<lb/>
auf die andre Schü&#x017F;&#x017F;el malen: Wer nit denkt, lernt nit<lb/>
beten. Der Jud kommt, ich muß ihm eilig un&#x017F;ere Welt¬<lb/>
umwälzung in den Sack &#x017F;chieben, auch wir werden ein&#x017F;t<lb/>
&#x017F;agen können, was doch Gott für wunderbare Werk¬<lb/>
zeuge zum Mittel &#x017F;einer Zwecke macht, wie die alt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0272] die der Menſchheit gedeihen ſoll. Die Menſchheit, die arme Menſchheit, ſie iſt wie ein Irrlicht in einem Netz gefangen, ſie iſt ganz matt und ſchlammig. — Ach Gott ich ſchlaf gar nicht mehr, gute Nacht, alleweil fällt mir ein, unſre Religion muß die Schwebe-Re¬ ligion heißen, das ſag ich Dir Morgen. Aber ein Geſetz in unſerer Religion muß ich Dir hier gleich zur Beurtheilung vorſchlagen, und zwar ein erſtes Grundgeſetz. Nämlich: Der Menſch ſoll immer die größte Handlung thun und nie eine andre, und da will ich Dir gleich zuvorkommen und ſagen, daß jede Handlung eine größte ſein kann und ſoll. — Ach hör! — ich ſehs ſchon im Geiſt, wenn wir erſt ins Rath¬ ſchlagen kommen, was wird das für Staubwolken geben. — Wer nit bet, kan nit denken, das laß ich auf eine erdne Schüſſel malen und da eſſen unſre Jünger Suppe draus. — Oder wir könnten auch auf die andre Schüſſel malen: Wer nit denkt, lernt nit beten. Der Jud kommt, ich muß ihm eilig unſere Welt¬ umwälzung in den Sack ſchieben, auch wir werden einſt ſagen können, was doch Gott für wunderbare Werk¬ zeuge zum Mittel ſeiner Zwecke macht, wie die alt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/272
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/272>, abgerufen am 26.11.2024.