Nonn in Fritzlar. Siehst Du den St. Clair? -- grüß ihn.
An die Bettine.
Oder am besten können wir sagen: Denken ist Beten, damit ist gleich was gutes ausgerichtet, wir gewinnen Zeit, das Denken mit dem Beten, und das Beten mit dem Denken. Du willst ungereimtes Zeug vorbringen. Du bist ungeheuer listig, und meinst ich soll es reimen. Deine Projekte sind immer ungemein waghalsig, wie eines Seiltänzers, der sich darauf ver¬ läßt, daß er balanciren kann, oder einer der Flügel hat, und weiß, er kann sie ausbreiten, wenn der Wind¬ sturm ihn von der Höhe mit fortnimmt. Übrigens hab ich Dich wohl verstanden, trotz der vielen süßen Lobe, die Du einstreust wie Opfergras, daß ich das Opfer bin was Du geschechtet hast, um mit dem Jud zu reden. Ich fühls, daß Du recht hast, und weiß, daß ich zu furchtsam bin, und kann nicht, was ich inner¬ lich für recht halte, äußerlich gegen die aus der Lüge hergeholten Gründe vertheidigen, ich verstumme und bin beschämt grade wo Andre sich schämen müßten, und
Nonn in Fritzlar. Siehſt Du den St. Clair? — grüß ihn.
An die Bettine.
Oder am beſten können wir ſagen: Denken iſt Beten, damit iſt gleich was gutes ausgerichtet, wir gewinnen Zeit, das Denken mit dem Beten, und das Beten mit dem Denken. Du willſt ungereimtes Zeug vorbringen. Du biſt ungeheuer liſtig, und meinſt ich ſoll es reimen. Deine Projekte ſind immer ungemein waghalſig, wie eines Seiltänzers, der ſich darauf ver¬ läßt, daß er balanciren kann, oder einer der Flügel hat, und weiß, er kann ſie ausbreiten, wenn der Wind¬ ſturm ihn von der Höhe mit fortnimmt. Übrigens hab ich Dich wohl verſtanden, trotz der vielen ſüßen Lobe, die Du einſtreuſt wie Opfergras, daß ich das Opfer bin was Du geſchechtet haſt, um mit dem Jud zu reden. Ich fühls, daß Du recht haſt, und weiß, daß ich zu furchtſam bin, und kann nicht, was ich inner¬ lich für recht halte, äußerlich gegen die aus der Lüge hergeholten Gründe vertheidigen, ich verſtumme und bin beſchämt grade wo Andre ſich ſchämen müßten, und
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Nonn in Fritzlar. Siehſt Du den St. Clair? —
grüß ihn.
An die Bettine.
Oder am beſten können wir ſagen: Denken iſt
Beten, damit iſt gleich was gutes ausgerichtet, wir
gewinnen Zeit, das Denken mit dem Beten, und das
Beten mit dem Denken. Du willſt ungereimtes Zeug
vorbringen. Du biſt ungeheuer liſtig, und meinſt ich
ſoll es reimen. Deine Projekte ſind immer ungemein
waghalſig, wie eines Seiltänzers, der ſich darauf ver¬
läßt, daß er balanciren kann, oder einer der Flügel
hat, und weiß, er kann ſie ausbreiten, wenn der Wind¬
ſturm ihn von der Höhe mit fortnimmt. Übrigens hab
ich Dich wohl verſtanden, trotz der vielen ſüßen Lobe,
die Du einſtreuſt wie Opfergras, daß ich das Opfer
bin was Du geſchechtet haſt, um mit dem Jud zu
reden. Ich fühls, daß Du recht haſt, und weiß, daß
ich zu furchtſam bin, und kann nicht, was ich inner¬
lich für recht halte, äußerlich gegen die aus der Lüge
hergeholten Gründe vertheidigen, ich verſtumme und
bin beſchämt grade wo Andre ſich ſchämen müßten, und
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/273>, abgerufen am 26.11.2024.
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