Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

wie ichs anfing, so ging ich hin, wenn Du mitgingst,
Günderode, und wir sagtens Niemand, wir sagten wir
gingen nach Hanau. Der Großmama dürften wirs
sagen, die litts, ich hab heute auch mit ihr von ihm
gesprochen, und ihr erzählt daß er dort an einem Bach
in einer Bauernhütte wohnt, bei offnen Thüren schläft,
und daß er Stunden lang beim Gemurmel des Bachs
griechische Oden hersagt, die Prinzeß von Homburg
hat ihm einen Flügel geschenkt, da hat er die Saiten
entzwei geschnitten, aber nicht alle, so das mehrere Kla¬
ves klappen, da fantasirt er drauf, ach ich möcht wohl
hin, mir kommt dieser Wahnsinn so mild und so
groß vor. Ich weiß nicht wie die Welt ist, wär
das so was unerhörtes zu ihm zu gehen und ihn zu
pflegen. Der St. Clair sagte mir, "ja wenn Sie das
könnten, er würde gesund werden, denn es ist doch ge¬
wiß, daß er der größte elegische Dichter ist, und ists
nicht traurig, daß nicht ein solcher behandelt werde und
geschützt als ein heiliges Pfand Gottes von der Na¬
tion, sagte er, aber es fehlt der Geist, der Begriff, kei¬
ner ahnt ihn und weiß was für ein Heiligthum in dem
Mann steckt, ich darf ihn hier in Frankfurt gar nicht
nennen, da schreit man die fürchterlichsten Dinge über
ihn aus, blos weil er eine Frau geliebt hat um den

wie ichs anfing, ſo ging ich hin, wenn Du mitgingſt,
Günderode, und wir ſagtens Niemand, wir ſagten wir
gingen nach Hanau. Der Großmama dürften wirs
ſagen, die litts, ich hab heute auch mit ihr von ihm
geſprochen, und ihr erzählt daß er dort an einem Bach
in einer Bauernhütte wohnt, bei offnen Thüren ſchläft,
und daß er Stunden lang beim Gemurmel des Bachs
griechiſche Oden herſagt, die Prinzeß von Homburg
hat ihm einen Flügel geſchenkt, da hat er die Saiten
entzwei geſchnitten, aber nicht alle, ſo das mehrere Kla¬
ves klappen, da fantaſirt er drauf, ach ich möcht wohl
hin, mir kommt dieſer Wahnſinn ſo mild und ſo
groß vor. Ich weiß nicht wie die Welt iſt, wär
das ſo was unerhörtes zu ihm zu gehen und ihn zu
pflegen. Der St. Clair ſagte mir, „ja wenn Sie das
könnten, er würde geſund werden, denn es iſt doch ge¬
wiß, daß er der größte elegiſche Dichter iſt, und iſts
nicht traurig, daß nicht ein ſolcher behandelt werde und
geſchützt als ein heiliges Pfand Gottes von der Na¬
tion, ſagte er, aber es fehlt der Geiſt, der Begriff, kei¬
ner ahnt ihn und weiß was für ein Heiligthum in dem
Mann ſteckt, ich darf ihn hier in Frankfurt gar nicht
nennen, da ſchreit man die fürchterlichſten Dinge über
ihn aus, blos weil er eine Frau geliebt hat um den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0238" n="222"/>
wie ichs anfing, &#x017F;o ging ich hin, wenn Du mitging&#x017F;t,<lb/>
Günderode, und wir &#x017F;agtens Niemand, wir &#x017F;agten wir<lb/>
gingen nach Hanau. Der Großmama dürften wirs<lb/>
&#x017F;agen, die litts, ich hab heute auch mit ihr von ihm<lb/>
ge&#x017F;prochen, und ihr erzählt daß er dort an einem Bach<lb/>
in einer Bauernhütte wohnt, bei offnen Thüren &#x017F;chläft,<lb/>
und daß er Stunden lang beim Gemurmel des Bachs<lb/>
griechi&#x017F;che Oden her&#x017F;agt, die Prinzeß von Homburg<lb/>
hat ihm einen Flügel ge&#x017F;chenkt, da hat er die Saiten<lb/>
entzwei ge&#x017F;chnitten, aber nicht alle, &#x017F;o das mehrere Kla¬<lb/>
ves klappen, da fanta&#x017F;irt er drauf, ach ich möcht wohl<lb/>
hin, mir kommt die&#x017F;er Wahn&#x017F;inn &#x017F;o mild und &#x017F;o<lb/>
groß vor. Ich weiß nicht wie die Welt i&#x017F;t, wär<lb/>
das &#x017F;o was unerhörtes zu ihm zu gehen und ihn zu<lb/>
pflegen. Der St. Clair &#x017F;agte mir, &#x201E;ja wenn Sie das<lb/>
könnten, er würde ge&#x017F;und werden, denn es i&#x017F;t doch ge¬<lb/>
wiß, daß er der größte elegi&#x017F;che Dichter i&#x017F;t, und i&#x017F;ts<lb/>
nicht traurig, daß nicht ein &#x017F;olcher behandelt werde und<lb/>
ge&#x017F;chützt als ein heiliges Pfand Gottes von der Na¬<lb/>
tion, &#x017F;agte er, aber es fehlt der Gei&#x017F;t, der Begriff, kei¬<lb/>
ner ahnt ihn und weiß was für ein Heiligthum in dem<lb/>
Mann &#x017F;teckt, ich darf ihn hier in Frankfurt gar nicht<lb/>
nennen, da &#x017F;chreit man die fürchterlich&#x017F;ten Dinge über<lb/>
ihn aus, blos weil er eine Frau geliebt hat um den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0238] wie ichs anfing, ſo ging ich hin, wenn Du mitgingſt, Günderode, und wir ſagtens Niemand, wir ſagten wir gingen nach Hanau. Der Großmama dürften wirs ſagen, die litts, ich hab heute auch mit ihr von ihm geſprochen, und ihr erzählt daß er dort an einem Bach in einer Bauernhütte wohnt, bei offnen Thüren ſchläft, und daß er Stunden lang beim Gemurmel des Bachs griechiſche Oden herſagt, die Prinzeß von Homburg hat ihm einen Flügel geſchenkt, da hat er die Saiten entzwei geſchnitten, aber nicht alle, ſo das mehrere Kla¬ ves klappen, da fantaſirt er drauf, ach ich möcht wohl hin, mir kommt dieſer Wahnſinn ſo mild und ſo groß vor. Ich weiß nicht wie die Welt iſt, wär das ſo was unerhörtes zu ihm zu gehen und ihn zu pflegen. Der St. Clair ſagte mir, „ja wenn Sie das könnten, er würde geſund werden, denn es iſt doch ge¬ wiß, daß er der größte elegiſche Dichter iſt, und iſts nicht traurig, daß nicht ein ſolcher behandelt werde und geſchützt als ein heiliges Pfand Gottes von der Na¬ tion, ſagte er, aber es fehlt der Geiſt, der Begriff, kei¬ ner ahnt ihn und weiß was für ein Heiligthum in dem Mann ſteckt, ich darf ihn hier in Frankfurt gar nicht nennen, da ſchreit man die fürchterlichſten Dinge über ihn aus, blos weil er eine Frau geliebt hat um den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/238
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/238>, abgerufen am 24.11.2024.