Hyperion zu schreiben, die Leute nennen hier Lieben, heirathen wollen, aber ein so großer Dichter verklärt sich in seiner Anschauung, er hebt die Welt dahin, wo sie von Rechtswegen stehen sollte, in ewiger dichterischer Fermentation; sonst werden wir nie die Geheimnisse ge¬ wahr werden die für den Geist bereitet sind. Und glau¬ ben Sie, daß Hölderlins ganzer Wahnsinn aus einer zu feinen Organisation entstanden, wie der indische Vo¬ gel in einer Blume ausgebrütet, so ist seine Seele, und nun ist es die härteste rauhe Kalkwand die ihn umgiebt, wo man ihn mit den Uhus zusammensperrt, wie soll er da wieder gesund werden. Dieses Klavier, wo er die Saiten zerrissen, das ist ein wahrer Seelenabdruck von ihm, ich hab auch den Arzt darauf aufmerksam machen wollen, aber einem Dummen kann man noch weniger begreiflich machen als einem Wahnsinnigen." -- Er sagte mir noch so viel über ihn, was mir tief durch die Seele ging, über den Hölderlin, was ich nicht wieder sag, und ich hab mehre Nächte nicht schlafen können vor Sehnsucht hinüber nach Homburg, ja wollt ich ein Gelübde thun ins Kloster zu gehen, das könnt doch niemand wehren, gleich wollt ich das Gelübde thun diesen Wahnsinnigen zu umgeben, zu lenken, das wär noch keine Aufopferung, ich wollt schon Gespräche mit
Hyperion zu ſchreiben, die Leute nennen hier Lieben, heirathen wollen, aber ein ſo großer Dichter verklärt ſich in ſeiner Anſchauung, er hebt die Welt dahin, wo ſie von Rechtswegen ſtehen ſollte, in ewiger dichteriſcher Fermentation; ſonſt werden wir nie die Geheimniſſe ge¬ wahr werden die für den Geiſt bereitet ſind. Und glau¬ ben Sie, daß Hölderlins ganzer Wahnſinn aus einer zu feinen Organiſation entſtanden, wie der indiſche Vo¬ gel in einer Blume ausgebrütet, ſo iſt ſeine Seele, und nun iſt es die härteſte rauhe Kalkwand die ihn umgiebt, wo man ihn mit den Uhus zuſammenſperrt, wie ſoll er da wieder geſund werden. Dieſes Klavier, wo er die Saiten zerriſſen, das iſt ein wahrer Seelenabdruck von ihm, ich hab auch den Arzt darauf aufmerkſam machen wollen, aber einem Dummen kann man noch weniger begreiflich machen als einem Wahnſinnigen.“ — Er ſagte mir noch ſo viel über ihn, was mir tief durch die Seele ging, über den Hölderlin, was ich nicht wieder ſag, und ich hab mehre Nächte nicht ſchlafen können vor Sehnſucht hinüber nach Homburg, ja wollt ich ein Gelübde thun ins Kloſter zu gehen, das könnt doch niemand wehren, gleich wollt ich das Gelübde thun dieſen Wahnſinnigen zu umgeben, zu lenken, das wär noch keine Aufopferung, ich wollt ſchon Geſpräche mit
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Hyperion zu ſchreiben, die Leute nennen hier Lieben,
heirathen wollen, aber ein ſo großer Dichter verklärt
ſich in ſeiner Anſchauung, er hebt die Welt dahin, wo
ſie von Rechtswegen ſtehen ſollte, in ewiger dichteriſcher
Fermentation; ſonſt werden wir nie die Geheimniſſe ge¬
wahr werden die für den Geiſt bereitet ſind. Und glau¬
ben Sie, daß Hölderlins ganzer Wahnſinn aus einer
zu feinen Organiſation entſtanden, wie der indiſche Vo¬
gel in einer Blume ausgebrütet, ſo iſt ſeine Seele, und
nun iſt es die härteſte rauhe Kalkwand die ihn umgiebt,
wo man ihn mit den Uhus zuſammenſperrt, wie ſoll
er da wieder geſund werden. Dieſes Klavier, wo er die
Saiten zerriſſen, das iſt ein wahrer Seelenabdruck von
ihm, ich hab auch den Arzt darauf aufmerkſam machen
wollen, aber einem Dummen kann man noch weniger
begreiflich machen als einem Wahnſinnigen.“ — Er
ſagte mir noch ſo viel über ihn, was mir tief durch die
Seele ging, über den Hölderlin, was ich nicht wieder
ſag, und ich hab mehre Nächte nicht ſchlafen können
vor Sehnſucht hinüber nach Homburg, ja wollt ich ein
Gelübde thun ins Kloſter zu gehen, das könnt doch
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/239>, abgerufen am 24.11.2024.
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