kam, da war er ganz still in sich vertieft, wo sonst seine Koketterie fortwährend gespannt war, kleine Kritze¬ leien von Dir hat er oft sorgfältig aufgehoben, es wäre traurig wenn Du keinen liebenden Willen zu ihm hät¬ test; schreib doch nicht mehr "passirt", das Wort ist nicht deutsch, hat einen gemeinen Charakter und ist ohne Klang, kannst Du nicht lieber in den rei¬ chen deutschen Ausdrücken wählen wie es der reine Ausdruck fordert. Vorgehet, ereignet, begiebt, geschieht, wird, kömmt; das alles kannst Du anwenden aber nicht: passirt. Ich muß Dir aber doch antworten, weiter pas¬ sirt nichts. -- Und Du weißts ja schon alles besser wie Du schreibst, da Du in der Nacht auf der Hofbank so große Abenteuer erfahren haben willst, die Dein Herz bewegten. Ich bin nicht bange, daß Du mir es nicht sagen solltest, wenns wirklich was Erlebtes ist und Du Deine Lügen bis zum nächsten Brief nicht ver¬ gessen hast. -- Dann auch bitt ich, daß Du nicht mehr fluchst, Deine Briefe sind mir so lieb, und Deine Extra¬ vaganzen alle sind mir verständlich und lieb, aber Worte, die Du blos um zu prahlen hinzufügst, wie Schwere¬ noth, und die keine Bedeutung haben in Deinem Mund, die kannst Du ungesagt lassen, denn sonst glaub ich nicht, daß der Wohllautenheit und des Tanzes Genius
kam, da war er ganz ſtill in ſich vertieft, wo ſonſt ſeine Koketterie fortwährend geſpannt war, kleine Kritze¬ leien von Dir hat er oft ſorgfältig aufgehoben, es wäre traurig wenn Du keinen liebenden Willen zu ihm hät¬ teſt; ſchreib doch nicht mehr „paſſirt“, das Wort iſt nicht deutſch, hat einen gemeinen Charakter und iſt ohne Klang, kannſt Du nicht lieber in den rei¬ chen deutſchen Ausdrücken wählen wie es der reine Ausdruck fordert. Vorgehet, ereignet, begiebt, geſchieht, wird, kömmt; das alles kannſt Du anwenden aber nicht: paſſirt. Ich muß Dir aber doch antworten, weiter paſ¬ ſirt nichts. — Und Du weißts ja ſchon alles beſſer wie Du ſchreibſt, da Du in der Nacht auf der Hofbank ſo große Abenteuer erfahren haben willſt, die Dein Herz bewegten. Ich bin nicht bange, daß Du mir es nicht ſagen ſollteſt, wenns wirklich was Erlebtes iſt und Du Deine Lügen bis zum nächſten Brief nicht ver¬ geſſen haſt. — Dann auch bitt ich, daß Du nicht mehr fluchſt, Deine Briefe ſind mir ſo lieb, und Deine Extra¬ vaganzen alle ſind mir verſtändlich und lieb, aber Worte, die Du blos um zu prahlen hinzufügſt, wie Schwere¬ noth, und die keine Bedeutung haben in Deinem Mund, die kannſt Du ungeſagt laſſen, denn ſonſt glaub ich nicht, daß der Wohllautenheit und des Tanzes Genius
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kam, da war er ganz ſtill in ſich vertieft, wo ſonſt
ſeine Koketterie fortwährend geſpannt war, kleine Kritze¬
leien von Dir hat er oft ſorgfältig aufgehoben, es wäre
traurig wenn Du keinen liebenden Willen zu ihm hät¬
teſt; ſchreib doch nicht mehr „paſſirt“, das Wort
iſt nicht deutſch, hat einen gemeinen Charakter und
iſt ohne Klang, kannſt Du nicht lieber in den rei¬
chen deutſchen Ausdrücken wählen wie es der reine
Ausdruck fordert. Vorgehet, ereignet, begiebt, geſchieht,
wird, kömmt; das alles kannſt Du anwenden aber nicht:
paſſirt. Ich muß Dir aber doch antworten, weiter paſ¬
ſirt nichts. — Und Du weißts ja ſchon alles beſſer wie
Du ſchreibſt, da Du in der Nacht auf der Hofbank ſo
große Abenteuer erfahren haben willſt, die Dein Herz
bewegten. Ich bin nicht bange, daß Du mir es
nicht ſagen ſollteſt, wenns wirklich was Erlebtes iſt
und Du Deine Lügen bis zum nächſten Brief nicht ver¬
geſſen haſt. — Dann auch bitt ich, daß Du nicht mehr
fluchſt, Deine Briefe ſind mir ſo lieb, und Deine Extra¬
vaganzen alle ſind mir verſtändlich und lieb, aber Worte,
die Du blos um zu prahlen hinzufügſt, wie Schwere¬
noth, und die keine Bedeutung haben in Deinem Mund,
die kannſt Du ungeſagt laſſen, denn ſonſt glaub ich
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/213>, abgerufen am 24.11.2024.
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