Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Furcht sie wieder glätten. So bewachet jede Braue, auf¬
geregt in Trotz und Zagheit ihres Auges sanfte Blicke.
-- "Und die Nase, und die Wange?" -- Stolz ein
wenig und verächtlich, wirft man ihrer Nase vor, doch
das ist weil alle Regung, gleich in ihren Nüstern bebet,
weil den Athem sie kaum bändigt, wenn Gedanken auf¬
wärts steigen von der Lippe, die sich wölbet frisch und
kräftig, überdacht und sanft gebändigt von der feinen
Oberlippe. -- Auch das Kinn mußt ich beschreiben,
wahrlich, ich hab nicht vergessen daß Erodion dort ge¬
sessen und ein Dellchen drinn gelassen das der Finger
eingedrückt, während weisheitsvolle Dichtung füllet
ihres Geistes Räume; und die Birke stand so prächtig,
so durchgoldet, so durchlispelt von der Sonne, von den
Lüftchen, war so willig sich zu beugen, hold dem Strom
der Morgenwinde, wogte ihre grünen Wellen freudig
in den blauen Himmel, daß ich nicht entscheiden konnte
was noch zwischen beiden liege, jenem zukömmt und
dem andern nicht. -- Cales fand mit manchen Sprüngen
erst den Weg zur Birke, dann der Herzog, ich blieb zu¬
rück, ich hätte leicht nachkommen können, aber ich wollte
nicht in seiner Gegenwart. Er schnitt dort Buchstaben
in die Rinde ganz unten am Fuß und sagte, er wolle
sie solle die Freundschaftsbirke heißen; und er wolle auch

Furcht ſie wieder glätten. So bewachet jede Braue, auf¬
geregt in Trotz und Zagheit ihres Auges ſanfte Blicke.
— „Und die Naſe, und die Wange?“ — Stolz ein
wenig und verächtlich, wirft man ihrer Naſe vor, doch
das iſt weil alle Regung, gleich in ihren Nüſtern bebet,
weil den Athem ſie kaum bändigt, wenn Gedanken auf¬
wärts ſteigen von der Lippe, die ſich wölbet friſch und
kräftig, überdacht und ſanft gebändigt von der feinen
Oberlippe. — Auch das Kinn mußt ich beſchreiben,
wahrlich, ich hab nicht vergeſſen daß Erodion dort ge¬
ſeſſen und ein Dellchen drinn gelaſſen das der Finger
eingedrückt, während weisheitsvolle Dichtung füllet
ihres Geiſtes Räume; und die Birke ſtand ſo prächtig,
ſo durchgoldet, ſo durchliſpelt von der Sonne, von den
Lüftchen, war ſo willig ſich zu beugen, hold dem Strom
der Morgenwinde, wogte ihre grünen Wellen freudig
in den blauen Himmel, daß ich nicht entſcheiden konnte
was noch zwiſchen beiden liege, jenem zukömmt und
dem andern nicht. — Cales fand mit manchen Sprüngen
erſt den Weg zur Birke, dann der Herzog, ich blieb zu¬
rück, ich hätte leicht nachkommen können, aber ich wollte
nicht in ſeiner Gegenwart. Er ſchnitt dort Buchſtaben
in die Rinde ganz unten am Fuß und ſagte, er wolle
ſie ſolle die Freundſchaftsbirke heißen; und er wolle auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p rendition="#right"><pb facs="#f0108" n="92"/>
Furcht &#x017F;ie wieder glätten. So bewachet jede Braue, auf¬<lb/>
geregt in Trotz und Zagheit ihres Auges &#x017F;anfte Blicke.<lb/>
&#x2014; &#x201E;Und die Na&#x017F;e, und die Wange?&#x201C; &#x2014; Stolz ein<lb/>
wenig und verächtlich, wirft man ihrer Na&#x017F;e vor, doch<lb/>
das i&#x017F;t weil alle Regung, gleich in ihren Nü&#x017F;tern bebet,<lb/>
weil den Athem &#x017F;ie kaum bändigt, wenn Gedanken auf¬<lb/>
wärts &#x017F;teigen von der Lippe, die &#x017F;ich wölbet fri&#x017F;ch und<lb/>
kräftig, überdacht und &#x017F;anft gebändigt von der feinen<lb/>
Oberlippe. &#x2014; Auch das Kinn mußt ich be&#x017F;chreiben,<lb/>
wahrlich, ich hab nicht verge&#x017F;&#x017F;en daß Erodion dort ge¬<lb/>
&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en und ein Dellchen drinn gela&#x017F;&#x017F;en das der Finger<lb/>
eingedrückt, während weisheitsvolle Dichtung füllet<lb/>
ihres Gei&#x017F;tes Räume; und die Birke &#x017F;tand &#x017F;o prächtig,<lb/>
&#x017F;o durchgoldet, &#x017F;o durchli&#x017F;pelt von der Sonne, von den<lb/>
Lüftchen, war &#x017F;o willig &#x017F;ich zu beugen, hold dem Strom<lb/>
der Morgenwinde, wogte ihre grünen Wellen freudig<lb/>
in den blauen Himmel, daß ich nicht ent&#x017F;cheiden konnte<lb/>
was noch zwi&#x017F;chen beiden liege, jenem zukömmt und<lb/>
dem andern nicht. &#x2014; Cales fand mit manchen Sprüngen<lb/>
er&#x017F;t den Weg zur Birke, dann der Herzog, ich blieb zu¬<lb/>
rück, ich hätte leicht nachkommen können, aber ich wollte<lb/>
nicht in &#x017F;einer Gegenwart. Er &#x017F;chnitt dort Buch&#x017F;taben<lb/>
in die Rinde ganz unten am Fuß und &#x017F;agte, er wolle<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;olle die Freund&#x017F;chaftsbirke heißen; und er wolle auch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0108] Furcht ſie wieder glätten. So bewachet jede Braue, auf¬ geregt in Trotz und Zagheit ihres Auges ſanfte Blicke. — „Und die Naſe, und die Wange?“ — Stolz ein wenig und verächtlich, wirft man ihrer Naſe vor, doch das iſt weil alle Regung, gleich in ihren Nüſtern bebet, weil den Athem ſie kaum bändigt, wenn Gedanken auf¬ wärts ſteigen von der Lippe, die ſich wölbet friſch und kräftig, überdacht und ſanft gebändigt von der feinen Oberlippe. — Auch das Kinn mußt ich beſchreiben, wahrlich, ich hab nicht vergeſſen daß Erodion dort ge¬ ſeſſen und ein Dellchen drinn gelaſſen das der Finger eingedrückt, während weisheitsvolle Dichtung füllet ihres Geiſtes Räume; und die Birke ſtand ſo prächtig, ſo durchgoldet, ſo durchliſpelt von der Sonne, von den Lüftchen, war ſo willig ſich zu beugen, hold dem Strom der Morgenwinde, wogte ihre grünen Wellen freudig in den blauen Himmel, daß ich nicht entſcheiden konnte was noch zwiſchen beiden liege, jenem zukömmt und dem andern nicht. — Cales fand mit manchen Sprüngen erſt den Weg zur Birke, dann der Herzog, ich blieb zu¬ rück, ich hätte leicht nachkommen können, aber ich wollte nicht in ſeiner Gegenwart. Er ſchnitt dort Buchſtaben in die Rinde ganz unten am Fuß und ſagte, er wolle ſie ſolle die Freundſchaftsbirke heißen; und er wolle auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/108
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/108>, abgerufen am 28.11.2024.