sagte es sei der Name eines Wagenführers vor Troja den der Diomedes erschlagen, ich zeigte ihm Dein Ge¬ dicht um zu erklären wo mir der Name Erodion her¬ komme, er setzte sich auf den Fels und las es theilweis laut und machte mit dem Bleistift Bemerkungen, die send ich Dir, Du siehst, er hat es mit Sammlung ge¬ lesen und dann sogar mit Liebe. Ich weiß nicht wie oft Dich der Zufall begünstigen wird die feineren Saiten der Seele zu rühren, so wirds Dich freuen. -- Er frug mich ob ich denn das Gedicht verstehe? -- ich sagte Nein! aber ich lese es gern, weil Du meine Freundin seiest und mich erziehst. Er sagte eine Knospe ist dieses kleine sorgsam vor jeder fremden Einwirkung geschützte Erzeugniß, die die große Seele der Freundin umschließt, und in diesen sanft gefalteten Keimen einer noch un¬ entwickelten Sprache schlummern Riesenkräfte. Die In¬ spiration der Wiedergeburt hebe ahnungsvoll die Schwin¬ gen in Dir; und weil die Welt zu schmutzig sei für so kindlich reine Versuche, Deine Ahnungen auszusprechen, so werde sie diesen anspruchlosen Schleier der Deine weit ausgreifende Phantasie und Deinen hohen philo¬ sophischen Geist umschlinge, nicht entfalten. -- Ich ließ mir dieses Lob verwundert gefallen; er begleitete mich, ich mußte ihm auf dem Weg von Dir erzählen, von
ſagte es ſei der Name eines Wagenführers vor Troja den der Diomedes erſchlagen, ich zeigte ihm Dein Ge¬ dicht um zu erklären wo mir der Name Erodion her¬ komme, er ſetzte ſich auf den Fels und las es theilweis laut und machte mit dem Bleiſtift Bemerkungen, die ſend ich Dir, Du ſiehſt, er hat es mit Sammlung ge¬ leſen und dann ſogar mit Liebe. Ich weiß nicht wie oft Dich der Zufall begünſtigen wird die feineren Saiten der Seele zu rühren, ſo wirds Dich freuen. — Er frug mich ob ich denn das Gedicht verſtehe? — ich ſagte Nein! aber ich leſe es gern, weil Du meine Freundin ſeieſt und mich erziehſt. Er ſagte eine Knospe iſt dieſes kleine ſorgſam vor jeder fremden Einwirkung geſchützte Erzeugniß, die die große Seele der Freundin umſchließt, und in dieſen ſanft gefalteten Keimen einer noch un¬ entwickelten Sprache ſchlummern Rieſenkräfte. Die In¬ ſpiration der Wiedergeburt hebe ahnungsvoll die Schwin¬ gen in Dir; und weil die Welt zu ſchmutzig ſei für ſo kindlich reine Verſuche, Deine Ahnungen auszuſprechen, ſo werde ſie dieſen anſpruchloſen Schleier der Deine weit ausgreifende Phantaſie und Deinen hohen philo¬ ſophiſchen Geiſt umſchlinge, nicht entfalten. — Ich ließ mir dieſes Lob verwundert gefallen; er begleitete mich, ich mußte ihm auf dem Weg von Dir erzählen, von
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ſagte es ſei der Name eines Wagenführers vor Troja
den der Diomedes erſchlagen, ich zeigte ihm Dein Ge¬
dicht um zu erklären wo mir der Name Erodion her¬
komme, er ſetzte ſich auf den Fels und las es theilweis
laut und machte mit dem Bleiſtift Bemerkungen, die
ſend ich Dir, Du ſiehſt, er hat es mit Sammlung ge¬
leſen und dann ſogar mit Liebe. Ich weiß nicht wie
oft Dich der Zufall begünſtigen wird die feineren Saiten
der Seele zu rühren, ſo wirds Dich freuen. — Er frug
mich ob ich denn das Gedicht verſtehe? — ich ſagte
Nein! aber ich leſe es gern, weil Du meine Freundin
ſeieſt und mich erziehſt. Er ſagte eine Knospe iſt dieſes
kleine ſorgſam vor jeder fremden Einwirkung geſchützte
Erzeugniß, die die große Seele der Freundin umſchließt,
und in dieſen ſanft gefalteten Keimen einer noch un¬
entwickelten Sprache ſchlummern Rieſenkräfte. Die In¬
ſpiration der Wiedergeburt hebe ahnungsvoll die Schwin¬
gen in Dir; und weil die Welt zu ſchmutzig ſei für ſo
kindlich reine Verſuche, Deine Ahnungen auszuſprechen,
ſo werde ſie dieſen anſpruchloſen Schleier der Deine
weit ausgreifende Phantaſie und Deinen hohen philo¬
ſophiſchen Geiſt umſchlinge, nicht entfalten. — Ich ließ
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/106>, abgerufen am 27.11.2024.
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