gung; ich kann nicht lächeln zum Scherz, ich kann nicht mich freuen, ich kann nicht hoffen mit den an- dern, daß ich Dich kenne. Daß ich Dich weiß, macht meine Sinne so still.
O heute ist ein wunderbarer Tag! -- heute leide ich Schmerzen, so schwer ist die Seele! Du bist nah, ich weiß es, gar nicht fern ist der Weg zu Dir, aber mich trennt der kleine Raum, wie die Unendlichkeit, der Moment der Sehnsucht ist es, der gefühlt und befrie- digt sein will, und wenn der Geliebte den nicht ahndet, wenn er die Liebe versäumt was kann mich ihm nah bringen! Ach, schauerlicher Tag, der heute in Erwar- tung und Sehnsucht verging!
Wen mache ich zum Vertrauten? wer fühlt mensch- lich mit mir? -- wem klag' ich über Dich? -- wer ist mein Freund? -- wer darf's wagen auf diesen Stu- fen hinan zu steigen, auf denen ich mich aller menschli- chen Berührung enthoben habe? -- wer darf die Hand mir an die Stirn legen und sagen: der Friede sei mit dir? --
Dir klag ich's, den ich suche, Dir ruf ich's zu, über
gung; ich kann nicht lächeln zum Scherz, ich kann nicht mich freuen, ich kann nicht hoffen mit den an- dern, daß ich Dich kenne. Daß ich Dich weiß, macht meine Sinne ſo ſtill.
O heute iſt ein wunderbarer Tag! — heute leide ich Schmerzen, ſo ſchwer iſt die Seele! Du biſt nah, ich weiß es, gar nicht fern iſt der Weg zu Dir, aber mich trennt der kleine Raum, wie die Unendlichkeit, der Moment der Sehnſucht iſt es, der gefühlt und befrie- digt ſein will, und wenn der Geliebte den nicht ahndet, wenn er die Liebe verſäumt was kann mich ihm nah bringen! Ach, ſchauerlicher Tag, der heute in Erwar- tung und Sehnſucht verging!
Wen mache ich zum Vertrauten? wer fühlt menſch- lich mit mir? — wem klag' ich über Dich? — wer iſt mein Freund? — wer darf's wagen auf dieſen Stu- fen hinan zu ſteigen, auf denen ich mich aller menſchli- chen Berührung enthoben habe? — wer darf die Hand mir an die Stirn legen und ſagen: der Friede ſei mit dir? —
Dir klag ich's, den ich ſuche, Dir ruf ich's zu, über
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gung; ich kann nicht lächeln zum Scherz, ich kann
nicht mich freuen, ich kann nicht hoffen mit den an-
dern, daß ich Dich kenne. Daß ich Dich weiß, macht
meine Sinne ſo ſtill.
O heute iſt ein wunderbarer Tag! — heute leide
ich Schmerzen, ſo ſchwer iſt die Seele! Du biſt nah,
ich weiß es, gar nicht fern iſt der Weg zu Dir, aber
mich trennt der kleine Raum, wie die Unendlichkeit, der
Moment der Sehnſucht iſt es, der gefühlt und befrie-
digt ſein will, und wenn der Geliebte den nicht ahndet,
wenn er die Liebe verſäumt was kann mich ihm nah
bringen! Ach, ſchauerlicher Tag, der heute in Erwar-
tung und Sehnſucht verging!
Wen mache ich zum Vertrauten? wer fühlt menſch-
lich mit mir? — wem klag' ich über Dich? — wer
iſt mein Freund? — wer darf's wagen auf dieſen Stu-
fen hinan zu ſteigen, auf denen ich mich aller menſchli-
chen Berührung enthoben habe? — wer darf die Hand
mir an die Stirn legen und ſagen: der Friede ſei mit
dir? —
Dir klag ich's, den ich ſuche, Dir ruf ich's zu, über
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/97>, abgerufen am 16.02.2025.
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