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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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vor Dir stehe dann, fühl ich wie Deine sinnliche Er-
scheinung mich verklärt und zur himmlischen Natur in
mir wird.


Jetzt bin ich dreizehn Jahr alt, jetzt rückt die Zeit
an, die aus dem Schlaf weckt, die jungen Keime haben
Trieb, und rücken aus ihrer braunen Hülle hervor ans
Licht, und die Liebe des Kindes neigt sich den aufkei-
menden Geschlechtern der Blumen; sein Herz glüht ver-
schämt und innig ihren vielfarbigen duftenden Reizen
entgegen, und ahndet nicht, daß während dem eine
Keimwelt von tausendfältigen Geschlechtern der Sinne
und des Geistes sich aus der Brust hervor, dem Leben,
dem Licht entgegen drängt. -- Siehst Du wohl, hier
bestätigt, was ich sage: die Liebe zu der aufkeimenden
Blüthenwelt der sinnlichen Natur erregt die schlafenden
Keime einer geistigen Blüthenwelt; indem wir die sinn-
liche Schönheit gewahr werden, erzeugt sich in uns ein
geistig Ebenbild, eine himmlische Verklärung dessen, was
wir sinnlich lieben. -- So war meine erste Liebe, im
Garten: in der Geisblattlaube war ich jeden Morgen
mit der Sonne und drängte mich dem Aufbrechen ihrer

vor Dir ſtehe dann, fühl ich wie Deine ſinnliche Er-
ſcheinung mich verklärt und zur himmliſchen Natur in
mir wird.


Jetzt bin ich dreizehn Jahr alt, jetzt rückt die Zeit
an, die aus dem Schlaf weckt, die jungen Keime haben
Trieb, und rücken aus ihrer braunen Hülle hervor ans
Licht, und die Liebe des Kindes neigt ſich den aufkei-
menden Geſchlechtern der Blumen; ſein Herz glüht ver-
ſchämt und innig ihren vielfarbigen duftenden Reizen
entgegen, und ahndet nicht, daß während dem eine
Keimwelt von tauſendfältigen Geſchlechtern der Sinne
und des Geiſtes ſich aus der Bruſt hervor, dem Leben,
dem Licht entgegen drängt. — Siehſt Du wohl, hier
beſtätigt, was ich ſage: die Liebe zu der aufkeimenden
Blüthenwelt der ſinnlichen Natur erregt die ſchlafenden
Keime einer geiſtigen Blüthenwelt; indem wir die ſinn-
liche Schönheit gewahr werden, erzeugt ſich in uns ein
geiſtig Ebenbild, eine himmliſche Verklärung deſſen, was
wir ſinnlich lieben. — So war meine erſte Liebe, im
Garten: in der Geisblattlaube war ich jeden Morgen
mit der Sonne und drängte mich dem Aufbrechen ihrer

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[79/0089] vor Dir ſtehe dann, fühl ich wie Deine ſinnliche Er- ſcheinung mich verklärt und zur himmliſchen Natur in mir wird. Jetzt bin ich dreizehn Jahr alt, jetzt rückt die Zeit an, die aus dem Schlaf weckt, die jungen Keime haben Trieb, und rücken aus ihrer braunen Hülle hervor ans Licht, und die Liebe des Kindes neigt ſich den aufkei- menden Geſchlechtern der Blumen; ſein Herz glüht ver- ſchämt und innig ihren vielfarbigen duftenden Reizen entgegen, und ahndet nicht, daß während dem eine Keimwelt von tauſendfältigen Geſchlechtern der Sinne und des Geiſtes ſich aus der Bruſt hervor, dem Leben, dem Licht entgegen drängt. — Siehſt Du wohl, hier beſtätigt, was ich ſage: die Liebe zu der aufkeimenden Blüthenwelt der ſinnlichen Natur erregt die ſchlafenden Keime einer geiſtigen Blüthenwelt; indem wir die ſinn- liche Schönheit gewahr werden, erzeugt ſich in uns ein geiſtig Ebenbild, eine himmliſche Verklärung deſſen, was wir ſinnlich lieben. — So war meine erſte Liebe, im Garten: in der Geisblattlaube war ich jeden Morgen mit der Sonne und drängte mich dem Aufbrechen ihrer

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/89>, abgerufen am 09.11.2024.