[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.spiegle sich der Himmel, umgränzt vom Ufer, in den Von dem Kirchgarten führte eine hohe Treppe, ſpiegle ſich der Himmel, umgränzt vom Ufer, in den Von dem Kirchgarten führte eine hohe Treppe, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068" n="58"/> ſpiegle ſich der Himmel, umgränzt vom Ufer, in den<lb/> Wellen. Ich ſah das Leben der Natur, und glaubte,<lb/> ein Geiſt der der Wehmuth die meine Bruſt erfüllte<lb/> entſprach, ſei dies Leben ſelbſt; es ſeien <hi rendition="#g">ſeine</hi> Regun-<lb/> gen, <hi rendition="#g">ſeine</hi> Gedanken, die dies Tag- und Nach<supplied>t</supplied>wandlen<lb/> der Natur bilde; ja und ich junges Kind fühlte, daß<lb/> ich einſchmelzen müſſe in dieſen Geiſt, und daß es al-<lb/> lein Seligkeit ſei, in ihm aufzugehen; ich rang, ohne<lb/> zu wiſſen was Tod ſei, <hi rendition="#g">dahin</hi> aufgelöſt zu ſein; ich<lb/> war unerſättlich die Nachtluft mit vollen Zügen einzu-<lb/> athmen, ich ſtreckte die Hände in die Luft, und das<lb/> flatternde Gewand, die fliegenden Haare bewieſen mir<lb/> die Gegenwart des liebenden Naturgeiſtes; — ich ließ<lb/> mich küſſen von der Sonne mit verſchloſſenen Augen,<lb/> und dann öffnete ich ſie und mein Blick hielt es aus;<lb/> ich dachte: läßt Du Dich küſſen von ihr, und ſollteſt<lb/> nicht vertragen können ſie anzuſehen?</p><lb/> <p>Von dem Kirchgarten führte eine hohe Treppe,<lb/> über die das Waſſer ſchäumend hinabſtürzte, zum zwei-<lb/> ten Garten, der rund war, mit regelmäßigen Blumen-<lb/> ſtücken ein groß Baſſin umgab, in dem das Waſſer<lb/> ſprang; hohe Piramyden von Taxus umgaben das Baſ-<lb/> ſin, ſie waren mit purpurrothen Beeren überſäet, deren<lb/> jede ein kryſtallhelles Harztröpfchen ausſchwitzte; ich weiß<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0068]
ſpiegle ſich der Himmel, umgränzt vom Ufer, in den
Wellen. Ich ſah das Leben der Natur, und glaubte,
ein Geiſt der der Wehmuth die meine Bruſt erfüllte
entſprach, ſei dies Leben ſelbſt; es ſeien ſeine Regun-
gen, ſeine Gedanken, die dies Tag- und Nachtwandlen
der Natur bilde; ja und ich junges Kind fühlte, daß
ich einſchmelzen müſſe in dieſen Geiſt, und daß es al-
lein Seligkeit ſei, in ihm aufzugehen; ich rang, ohne
zu wiſſen was Tod ſei, dahin aufgelöſt zu ſein; ich
war unerſättlich die Nachtluft mit vollen Zügen einzu-
athmen, ich ſtreckte die Hände in die Luft, und das
flatternde Gewand, die fliegenden Haare bewieſen mir
die Gegenwart des liebenden Naturgeiſtes; — ich ließ
mich küſſen von der Sonne mit verſchloſſenen Augen,
und dann öffnete ich ſie und mein Blick hielt es aus;
ich dachte: läßt Du Dich küſſen von ihr, und ſollteſt
nicht vertragen können ſie anzuſehen?
Von dem Kirchgarten führte eine hohe Treppe,
über die das Waſſer ſchäumend hinabſtürzte, zum zwei-
ten Garten, der rund war, mit regelmäßigen Blumen-
ſtücken ein groß Baſſin umgab, in dem das Waſſer
ſprang; hohe Piramyden von Taxus umgaben das Baſ-
ſin, ſie waren mit purpurrothen Beeren überſäet, deren
jede ein kryſtallhelles Harztröpfchen ausſchwitzte; ich weiß
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