[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.rufen; und Abends um sieben Uhr läutete ich dreimal 3**
rufen; und Abends um ſieben Uhr läutete ich dreimal 3**
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rufen; und Abends um ſieben Uhr läutete ich dreimal
das Angelus, um die Schutzengel zur Nachtwache bei
den Schlafenden zu rufen. O damals ſchnitt mir das
Abendroth in's Herz, und das ſchweifende Gold, in das
ſich die Wolken ſenkten; o ich weiß es noch wie heute,
daß es mir weh that, wenn ich ſo einſam durch das
ſchlafende Blumenfeld ging, und weiter, weiter Himmel
um mich, der in beſchwingter Eile ſeine Wolken zuſam-
men trieb, wie eine Heerde, die er weiter führen wollte,
der rothes und blaues und gelbes Gewand entfaltete,
und dann wieder andre Farben, bis die Schatten ihn
übermannten. Da ſtand ich und ſah die verſpäteten
Vögel mit raſcher Eile nach ihrem Neſt fliegen; und
dachte: wenn doch einer in meine Hand flög, und ich
fühlte ſein klein Herzchen pochen, ich wollte zufrieden
ſein; ja ich glaubte ein Vögelchen nur, das mir zahm
wär', könne mich glücklich machen. Aber es flog kein
Vogel in meine Hand, ein jeder hatte ſchon anders ge-
wählt, und ich war nicht verſtanden mit meiner Sehn-
ſucht. Ich glaubte doch damals, die ganze Natur be-
ſtehe blos aus dem Begriff aufgeregter Gefühle, davon
komme das Blühen aller Blumen, und dadurch ſchmelze
ſich das Licht in alle Farben, und darum hauche der
Abendwind ſo leiſe Schauer über's Herz, und deßwegen
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